Literatur machen
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Aleksander Golubow (Lettland)<br />
Traum (Fragmente)<br />
40. 7.30 Uhr. Der große Traum vom Schlafen.<br />
Ich verstehe nichts. Aber das ist so interessant. Ich sehe den Schlaf. Es ist der beste<br />
Film der Welt. In der Welt, in der ich zu viel sehe. In meinem Schlaf sehe ich verschiedene<br />
Menschen, verschiedene Orte. In meinem Schlaf kann ich Superman sein.<br />
Nein. Wenn wir schlafen, sehen wir nichts von dem, was in der Welt ist.<br />
41. 8.00 Uhr: Der Traum vom Essen<br />
42. Der Traum vom Gehirn.<br />
Wo ist mein Hirn? Ich verstehe mich nicht. Ich sehe mich im Spiegel und denke:<br />
Das bin nicht ich. Ich bin anders, wo sind meine Gedanken? Ich kann nicht denken.<br />
Wo sind meine Träume, ich kann nicht träumen. Oh nein, alles ist gut. Das war schon<br />
früher so. Aber warum ist das nicht Ich? Ich war anders. Ich sehe und denke nur.<br />
Verstehe, es ist gut. Ich kann denken. Das ist das Beste, das ich tun kann.<br />
Wahrscheinlich sehe ich eine Fotografie.<br />
43. Der Traum von einem großen Baum in der Welt.<br />
Ich bin Schöpfer dieses Baumes. Ja, das gefällt mir sehr. Ich sehe diesen Baum<br />
jeden Tag. Ich verstehe, dass ich ein Schöpfer bin. Vor allem dann, wenn ich fühle,<br />
dass das mein Traum ist. Wer in der Welt träumt von einem noch größeren Baum?<br />
Aber das ist nur ein Traum.<br />
44. Der Traum von Menschen, die meine Gedanken verstehen.<br />
45. Der Traum davon, dass mich jemand anruft.<br />
46. Der große Traum vom Tode.<br />
Viele Menschen sind tot. Einige meiner Freunde sind tot. Wir verstehen alle<br />
dieses Wort:„Tod“. Das ist etwas, das Menschen nicht sehen. Wir können an der<br />
Bedeutung dieses Wortes nichts ändern. Aber für mich steckt hinter dem Wort „Tod“<br />
ein moralischer Tod. Daran kann man etwas ändern. Mir scheint, ich bin tot. Warum?<br />
Heute verstehe ich das noch nicht. Aber das ist nicht das Ende meines Lebens.<br />
47. Der Traum vom besten Freund.<br />
Auf einen Blick verstehe ich, was mir mein Freund bedeutet. Wer ist mein Freund?<br />
Ist es ein Mensch? Ich kann sagen: Nein! Nur mein Auto ist mein Freund. Ein Freund,<br />
mit dem ich reden kann. Es ist mein Freund und kennt alle meine Geheimnisse.<br />
Es ist hilfsbereit und arbeitsam. Warum kann es mein bester Freund sein, obwohl<br />
es nicht reden kann? Aber ich verstehe, was mein Freund denkt. Es erzählt alles<br />
ohne Wörter.<br />
48. Der Traum vom Feuer.<br />
Wie groß das Feuer, so groß auch der Traum.<br />
06<br />
74<br />
Kitija Balcare (Lettland)<br />
***<br />
in einem Illusionskäfig<br />
wohne ich jetzt<br />
sie necken mich<br />
„du bist in Unfreiheit!“<br />
ich beneide sie nicht<br />
die Seele ist doch frei<br />
Andrei P. Jecza (Rumänien)<br />
***<br />
Schatten und Licht,<br />
Ich und damals.<br />
Der kalte Fisch,<br />
Auf dem frisch lackiertem Tresen.<br />
Blau.<br />
Die Dame schaut empor,<br />
Zündet eine Zigarette an<br />
Und hört der Stille zu.<br />
(Schweigen)<br />
Ein Tuch bedeckt ihre Schultern.<br />
Rot.<br />
Ich fotografiere.<br />
Schreibe mit Licht und Schatten.<br />
Schwarz,<br />
Weiß.<br />
Er in sich.<br />
Sie empor.<br />
Er sie,<br />
Sie ihm.<br />
Eine zerfetzte Hose<br />
Die alte Sonnenbrille<br />
Und sie,<br />
Im vierten Stock.<br />
06<br />
75<br />
Inga I. (Litauen)<br />
Die Brücke<br />
Die grüne Brücke<br />
Was brückt sie?<br />
Zwei Welten<br />
Viel:<br />
Leicht<br />
Zwei Teile<br />
Das Zentrum – die Altstadt<br />
Die Stadt<br />
Die Brücke<br />
Günther Mild (Rumänien)<br />
***<br />
Krebs kriecht durch die Augen<br />
Wie eine Schildkröte, die niemals schläft,<br />
Gekochte Eier liebt er nicht, nur<br />
den Leichnam meines Vaters.<br />
Vater schwimmt im Ganges<br />
Deutschlands, wie eine Heilige.<br />
Kein Heiler kann ihm helfen.<br />
Ist er tot gewesen?<br />
Oder nur weggeflogen?<br />
Darf ich jemand heilen?<br />
István Takács (Rumänien)<br />
***<br />
Die Stille erstarrt,<br />
klagende Klänge erkennen<br />
bis zur Unkenntlichkeit.<br />
Die Reinheit des Lärms der Stille,<br />
das Wort, das nicht befreit.<br />
In der Ferne,<br />
das Stumme, das Taube,<br />
es erschrickt und flieht,<br />
fleht und zieht<br />
weiter zum Wort.