Literatur machen
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Martin Mutschler<br />
***<br />
ANIFESTE<br />
Marianne Thie<br />
du bist die Sängerin erzähl mir<br />
wie die Stachelbeeren ich trockne die Blüten<br />
in meinem Schreibheft<br />
sie färben das Papier Kaffeeflecken<br />
auf den Tasten meines Klaviers und du<br />
trinkst keinen Kaffee<br />
im Badezimmer möchte ich einfach lossingen<br />
doch es ist zu spät für dein Lied<br />
und viel zu früh für ein neues<br />
Gebläse verdrängt deine Sätze<br />
meine Blicke im Spiegel finden sich nicht mehr<br />
sie werfen sich knarrend die Stiege hinauf<br />
in meine Kammer dort liege ich<br />
vielleicht näher am Himmel als du<br />
und eines Morgens finde ich einen Milchzahn<br />
auf dem Kissen taste mit der Zunge<br />
viele Male meinen Mund ab<br />
vielleicht ists dein Zahn<br />
der ausfiel weil du mich nicht fandst<br />
und die Stickereien auf dem Kissen<br />
sind die Narben wo dein Kuss mich verfehlte.<br />
Richard Duraj<br />
Sisyphos<br />
Weil ihn nicht ändert,<br />
was vergeht,<br />
ihn nicht hindert,<br />
ist er selbst Gefälle,<br />
Fels, an jeder Stelle<br />
stets zu spät,<br />
um alles abzuschreiten,<br />
taub und blind und stumm<br />
von sich zu geleiten.<br />
06<br />
58<br />
Silke Göltenboth<br />
Zu nah<br />
Asche ist der Himmel<br />
Asche ist der Himmel<br />
Asche was vom Abend blieb<br />
Von den weißen Nachmittagen<br />
Weißen Tüchern leicht im Wind<br />
Asche ist was blieb<br />
Fernverschlossen alles<br />
Segelschiff in einer Flasche<br />
Aufgestürzte Bäume stehen<br />
Hart am Rand ganz Kohle blind<br />
In die nahe Nacht<br />
Die im Panthersprung<br />
Einen neuen Stern entfacht<br />
Über all den grauen Dächern<br />
Aus der Asche – noch ein Kind<br />
Des verletzten Tags<br />
Dein Lächeln brennt sich ein<br />
Mal in meine Haut<br />
mit jedem mir vertrauten Wort.<br />
Schritt für Schritt näher –<br />
zu mir, in mich hinein,<br />
bis du so nah bist, dass ich<br />
dein Gesicht<br />
kaum noch erkennen kann,<br />
so nah, dass dein Lidschlag<br />
das Brandmahl streift –<br />
so nah, dass ich<br />
nur noch verschwommen sehe,<br />
was mich einmal<br />
berührte.<br />
06<br />
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