19.02.2013 Aufrufe

Literatur machen

Literatur machen

Literatur machen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rainer Engelken POLITIK MACHT SPASS<br />

06<br />

42<br />

180 Schüler simulieren in Bonn eine UN-Sitzungswoche<br />

„Allah hu akbar!“, ruft ein Turbanträger<br />

seinen Verbündeten zu:„Ehrenwerter Vorsitz,<br />

der Delegierte von Palästina stellt<br />

einen Antrag auf Streichung Israels!“<br />

Die Stimmung im Saal tobt, hastig mit<br />

seiner Flagge wedelnd fleht der<br />

Delegierte Israels beim US-Diplomaten<br />

um Schutz. Doch dieser lehnt sich stoisch<br />

gähnend in seinen Sessel zurück und<br />

scheint den Vorfall gleichmütig zu ignorieren.<br />

Fanden mittlerweile in den USA<br />

Neuwahlen statt? Hat das Pentagon<br />

seine Globalstrategie alterniert?<br />

Beides falsch. Diese Szene entstammt<br />

einem Planspiel für Schüler, das Ende<br />

Juni / Anfang Juli in Bonn stattfand.<br />

„Schüler Planspiel United Nations“ – kurz<br />

SPUN –, so der Titel der Veranstaltung.<br />

Unter dem Motto „Kulturelle Vielfalt –<br />

Verständigung statt Konflikt“" trafen<br />

180 Jugendliche aus vielen Ländern, um<br />

unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident<br />

Wolfgang Thierse eine<br />

Generalversammlung der UNO zu simulieren.<br />

Alles war wie in New York: Die<br />

elegante Kleidung, die Resolutionen,<br />

die strenge Tagesordnung und die harten<br />

Verhandlungen. Die meisten Länder<br />

der Erde waren vertreten, außerdem<br />

mehrere Nichtregierungsorganisationen<br />

als Beobachter. Das Projekt entpuppte<br />

sich als eine hervorragende Gelegenheit<br />

für Schüler, hautnah die exquisite<br />

Luft des außenpolitischen Parketts zu<br />

schnuppern.<br />

Mit Fakten argumentieren, Verbündete<br />

finden, Kompromisse schließen und konstruktiv<br />

zur Entstehung einer Resolution<br />

beitragen – das alles erlebte man.<br />

„SPUN vermittelt den Delegierten ein<br />

Gefühl davon, wie internationale Politik<br />

funktioniert“, so Heiko Hilken, der diesjährige<br />

Generalsekretär, der gerade sein<br />

Abitur gemacht hat.<br />

In sieben Ausschüssen wurde vier Tage<br />

lang im Arbeitnehmerzentrum Königswinter<br />

mit Blick auf den Petersberg, in<br />

Anzug und Krawatte bzw. im Kostüm,<br />

über aktuelle Themen der internationalen<br />

Politik debattiert und an<br />

Resolutionen gefeilt. Dabei ging es beispielsweise<br />

um Emissionshandel,<br />

Terrorgefahr durch Waffenproliferation,<br />

internationalen Drogenhandel und<br />

Kombattantenstatus.<br />

Auch der informelle Teil kam nicht zu<br />

kurz: Abends wurden die Anzüge abgelegt<br />

und es ging zur Erforschung des<br />

Bonner Nachtlebens und zum Lobbying<br />

in diverse Kneipen und Cafés, wo die<br />

erfolgreichen Bündnisse und Pakte besiegelt<br />

und begossen wurden. Je nach<br />

Geschmack trank man eine Flasche<br />

Rotwein mit den Franzosen, spielte etwas<br />

Basketball mit den Südafrikanern, ging<br />

mit den Ägyptern ins SPUN-Café oder<br />

zappelte sich mit ein paar Brasilianern<br />

in der SPUN-Disco ab. Viele Teilnehmer<br />

kamen von deutschen Schulen im Ausland.<br />

Freundschaften wurden geschlossen,<br />

Adressen ausgetauscht und Pläne<br />

geschmiedet.<br />

Die Teilnehmer wurden mit unterschiedlichen<br />

Meinungen konfrontiert und lernten,<br />

grundverschiedene Ansichten zu<br />

akzeptieren. Sie lernten die Möglichkeiten<br />

der internationalen Politik kennen,<br />

die Wirkungsweisen von demokratischen<br />

Gremien und die Bedeutung des<br />

menschlichen Faktors in der Diplomatie.<br />

Aber auch die Grenzen wurden ihnen<br />

aufgezeigt: Wenn sich eine Debatte im<br />

Kreis dreht, lässt sich nicht immer ein<br />

06<br />

43<br />

Kompromiss finden. Die Delegierten<br />

versuchten nicht, ein heiles Bild der Welt<br />

zu zeichnen, sondern ihr jeweiliges Land<br />

mit seinen einzigartigen Interessen und<br />

Absichten so gut wie möglich zu vertreten.<br />

SPUN und der große Bruder haben eine<br />

leidige Gemeinsamkeit: Geldnot. Jedes<br />

Jahr steht die Finanzierung auf wackeligen<br />

Beinen. Da die Miete im ehemaligen<br />

Bundestag zu hoch war, konnte<br />

der Sicherheitsrat nicht wie vormals im<br />

abhörsicheren Bunker tagen. Da halfen<br />

keine diplomatischen Kniffe. Als Kompromisslösung<br />

aus den Vorschlägen „ehemaliger<br />

Bundestag“ und „Petersberg“<br />

wählte man die Mitte: Das Arbeitnehmerzentrum<br />

Königswinter. Das Organisationsteam,<br />

bestehend aus Ehemaligen<br />

und dem Projektleiter, hofft für die nächsten<br />

Jahre auf finanzkräftige Projektpartner.<br />

Schließlich biete SPUN doch<br />

genau das, was so oft gefordert wird:<br />

Eine innovative Idee, um das Politikinteresse<br />

von Jugendlichen zu fördern.<br />

www.spun.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!