Literatur machen
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Rainer Engelken POLITIK MACHT SPASS<br />
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180 Schüler simulieren in Bonn eine UN-Sitzungswoche<br />
„Allah hu akbar!“, ruft ein Turbanträger<br />
seinen Verbündeten zu:„Ehrenwerter Vorsitz,<br />
der Delegierte von Palästina stellt<br />
einen Antrag auf Streichung Israels!“<br />
Die Stimmung im Saal tobt, hastig mit<br />
seiner Flagge wedelnd fleht der<br />
Delegierte Israels beim US-Diplomaten<br />
um Schutz. Doch dieser lehnt sich stoisch<br />
gähnend in seinen Sessel zurück und<br />
scheint den Vorfall gleichmütig zu ignorieren.<br />
Fanden mittlerweile in den USA<br />
Neuwahlen statt? Hat das Pentagon<br />
seine Globalstrategie alterniert?<br />
Beides falsch. Diese Szene entstammt<br />
einem Planspiel für Schüler, das Ende<br />
Juni / Anfang Juli in Bonn stattfand.<br />
„Schüler Planspiel United Nations“ – kurz<br />
SPUN –, so der Titel der Veranstaltung.<br />
Unter dem Motto „Kulturelle Vielfalt –<br />
Verständigung statt Konflikt“" trafen<br />
180 Jugendliche aus vielen Ländern, um<br />
unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident<br />
Wolfgang Thierse eine<br />
Generalversammlung der UNO zu simulieren.<br />
Alles war wie in New York: Die<br />
elegante Kleidung, die Resolutionen,<br />
die strenge Tagesordnung und die harten<br />
Verhandlungen. Die meisten Länder<br />
der Erde waren vertreten, außerdem<br />
mehrere Nichtregierungsorganisationen<br />
als Beobachter. Das Projekt entpuppte<br />
sich als eine hervorragende Gelegenheit<br />
für Schüler, hautnah die exquisite<br />
Luft des außenpolitischen Parketts zu<br />
schnuppern.<br />
Mit Fakten argumentieren, Verbündete<br />
finden, Kompromisse schließen und konstruktiv<br />
zur Entstehung einer Resolution<br />
beitragen – das alles erlebte man.<br />
„SPUN vermittelt den Delegierten ein<br />
Gefühl davon, wie internationale Politik<br />
funktioniert“, so Heiko Hilken, der diesjährige<br />
Generalsekretär, der gerade sein<br />
Abitur gemacht hat.<br />
In sieben Ausschüssen wurde vier Tage<br />
lang im Arbeitnehmerzentrum Königswinter<br />
mit Blick auf den Petersberg, in<br />
Anzug und Krawatte bzw. im Kostüm,<br />
über aktuelle Themen der internationalen<br />
Politik debattiert und an<br />
Resolutionen gefeilt. Dabei ging es beispielsweise<br />
um Emissionshandel,<br />
Terrorgefahr durch Waffenproliferation,<br />
internationalen Drogenhandel und<br />
Kombattantenstatus.<br />
Auch der informelle Teil kam nicht zu<br />
kurz: Abends wurden die Anzüge abgelegt<br />
und es ging zur Erforschung des<br />
Bonner Nachtlebens und zum Lobbying<br />
in diverse Kneipen und Cafés, wo die<br />
erfolgreichen Bündnisse und Pakte besiegelt<br />
und begossen wurden. Je nach<br />
Geschmack trank man eine Flasche<br />
Rotwein mit den Franzosen, spielte etwas<br />
Basketball mit den Südafrikanern, ging<br />
mit den Ägyptern ins SPUN-Café oder<br />
zappelte sich mit ein paar Brasilianern<br />
in der SPUN-Disco ab. Viele Teilnehmer<br />
kamen von deutschen Schulen im Ausland.<br />
Freundschaften wurden geschlossen,<br />
Adressen ausgetauscht und Pläne<br />
geschmiedet.<br />
Die Teilnehmer wurden mit unterschiedlichen<br />
Meinungen konfrontiert und lernten,<br />
grundverschiedene Ansichten zu<br />
akzeptieren. Sie lernten die Möglichkeiten<br />
der internationalen Politik kennen,<br />
die Wirkungsweisen von demokratischen<br />
Gremien und die Bedeutung des<br />
menschlichen Faktors in der Diplomatie.<br />
Aber auch die Grenzen wurden ihnen<br />
aufgezeigt: Wenn sich eine Debatte im<br />
Kreis dreht, lässt sich nicht immer ein<br />
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Kompromiss finden. Die Delegierten<br />
versuchten nicht, ein heiles Bild der Welt<br />
zu zeichnen, sondern ihr jeweiliges Land<br />
mit seinen einzigartigen Interessen und<br />
Absichten so gut wie möglich zu vertreten.<br />
SPUN und der große Bruder haben eine<br />
leidige Gemeinsamkeit: Geldnot. Jedes<br />
Jahr steht die Finanzierung auf wackeligen<br />
Beinen. Da die Miete im ehemaligen<br />
Bundestag zu hoch war, konnte<br />
der Sicherheitsrat nicht wie vormals im<br />
abhörsicheren Bunker tagen. Da halfen<br />
keine diplomatischen Kniffe. Als Kompromisslösung<br />
aus den Vorschlägen „ehemaliger<br />
Bundestag“ und „Petersberg“<br />
wählte man die Mitte: Das Arbeitnehmerzentrum<br />
Königswinter. Das Organisationsteam,<br />
bestehend aus Ehemaligen<br />
und dem Projektleiter, hofft für die nächsten<br />
Jahre auf finanzkräftige Projektpartner.<br />
Schließlich biete SPUN doch<br />
genau das, was so oft gefordert wird:<br />
Eine innovative Idee, um das Politikinteresse<br />
von Jugendlichen zu fördern.<br />
www.spun.de