19.02.2013 Aufrufe

Literatur machen

Literatur machen

Literatur machen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Taizé ist nur ein kleines französisches<br />

Dörfchen in Burgund. Und doch haben<br />

die meisten schon einmal davon gehört.<br />

Denn das ganze Jahr über pilgern unzählige<br />

Jugendgruppen aus aller Welt<br />

nach Taizé. Sie alle eint der Wunsch, sich<br />

mit anderen Christen auszutauschen und<br />

Gott nah zu sein.<br />

Wer das erste Mal nach Taizé kommt,<br />

wird überrascht sein. Das Camp ist riesig.<br />

Vor allem an Ostern und im Sommer<br />

kommen Tausende Jugendliche hierher.<br />

Um Ruhe und Stille zu finden und einfach<br />

mal abzuschalten vom Alltagsstress. Zum<br />

Camp gehören der Zeltplatz, die Kirche,<br />

mehrere überdachte Plätze, wo man<br />

essen und sich treffen kann, sowie eine<br />

große Küche, ein Souvenirladen und ein<br />

Kiosk. Alles in allem also eine relativ einfache<br />

Anlage. Einfachheit und Verzicht<br />

auf Luxus <strong>machen</strong> Taizé aus.<br />

Das beginnt bereits beim Essen. Mit<br />

Essensmärkchen stellt man sich in die<br />

Schlange und hat das Gefühl, in einer<br />

Mensa zu sein. Jeder bekommt ein<br />

Tablett in die Hand gedrückt, darauf<br />

Teller, Löffel und Becher. Dann ein<br />

Schöpflöffel vom Essen, zwei Scheiben<br />

Baguette, eine Orange und zwei Kekse<br />

oder einen Joghurt. Die Plastikschale fürs<br />

Trinken kann man an einem der vielen<br />

Wasserhähne füllen.<br />

Viele tausend Jugendliche zu versorgen,<br />

das bedeutet einen immensen organisatorischen<br />

Aufwand. Damit das alles gut<br />

funktioniert und damit zum Beispiel auch<br />

die sanitären Anlagen wirklich sauber<br />

sind, helfen alle mit. Jedem Besucher<br />

wird eine Arbeit zugeteilt, die er zusammen<br />

mit einer kleinen Gruppe erledigt,<br />

Kathrin Katzmaier Gemeinschaft erleben und Gott ganz nah sein<br />

06<br />

40<br />

Taizé – Pilgerstätte der katholischen Jugend.<br />

Ein Erfahrungsbericht.<br />

Toiletten putzen etwa oder in der Küche helfen. Am witzigsten<br />

ist das Abwaschen, bei dem es regelmäßig zu Wasserschlachten<br />

kommt. Außerdem ist die tägliche Arbeit eine gute Möglichkeit,<br />

erste Kontakt zu knüpfen.<br />

Den Geist von Taizé erlebt man, wenn man mit Hunderten<br />

anderer Menschen in der Kirche sitzt. Am Eingang deckt sich<br />

jeder mit Gesangbuch und Liedblatt sowie dem jeweiligen<br />

Predigttext ein. Anstelle eines Altars stehen vorne in der Kirche<br />

zahlreiche Kerzen. Orangefarbene Tücher sind von der Decke<br />

bis zum Boden gespannt und werden von hinten beleuchtet.<br />

Auf der rechten Seite steht ein großes Holzkreuz, auf das Jesus<br />

gemalt ist. Links sieht man einen Tisch mit Schüsseln und<br />

Kelchen für das allmorgendliche Abendmahl. Einmal in der<br />

Woche kann man die besondere Gelegenheit wahrnehmen<br />

und am Kreuz beten. Das bedeutet, dass das große Holzkreuz<br />

in die Mitte der Kirche gelegt wird. Wer möchte, kann davor<br />

niederknien und beten. Kann seinen Gedanken nachgehen und<br />

einfach den Augenblick genießen und die Stimmung auf sich<br />

wirken lassen. Die Gemeinschaft sitzt ringsherum und singt<br />

dazu. Dabei fällt gleich auf, wie einfach die Lieder sind.<br />

Einzelne Strophen werden minutenlang wiederholt.<br />

Zum Gottesdienst kommen die Brüder, die zur Communauté<br />

Taizé gehören und setzen sich auf ihre Schemel. Anschließend<br />

singt die ganze Gemeinde. Anstelle einer Predigt, liest jeden Tag<br />

ein Bruder einen kurzen Bibeltext vor, der in mehrere Sprachen<br />

übersetzt wird.<br />

© Foto: Sabine Leutenegger<br />

Wenn man sich in der Kirche umschaut, bemerkt man,<br />

dass jeder das tut, wonach ihm gerade zumute ist. Die einen<br />

knien auf dem Boden und singen, andere beten mit geschlossenen<br />

Augen, und wiederum andere sitzen im Schneidersitz,<br />

singen und scheinen gleichzeitig in Gedanken versunken.<br />

Während der viertelstündigen Stille im Gottesdienst ist kein<br />

Mucks zu hören.<br />

Besonders beeindruckend ist der Samstagabend. Alle bekommen<br />

eine Kerze und das Feuer dafür wird so lange vom einen<br />

zum andern weitergegeben, bis alle Kerzen brennen. Ein faszinierender<br />

Anblick, wenn die Kirche davon hell erleuchtet ist.<br />

Frère Roger, der Gründer von Taizé, legt an solchen Abenden<br />

manchmal die Hand zum Segen auf.<br />

Der See ist ein beliebter Treffpunkt in Taizé, besonders bei<br />

gutem Wetter. Eine kleine Brücke führt zur anderen Uferseite<br />

und ringsherum sind Wiesen und Bäume. An einer Stelle springt<br />

ein kleiner Wasserfall aus dem Gestein hervor, ein kleiner<br />

Quellbach durchzieht die Wiesen. Dieser Ort ist ideal, um<br />

Energie zu tanken und abzuschalten.<br />

Der Mittag gehört den Bibeleinführungen und Gesprächsrunden.<br />

Jeden Tag wird ein Abschnitt einer Geschichte gelesen<br />

und später in Kleingruppen besprochen und interpretiert.<br />

Wer noch genug Lust und Interesse hat, kann nach dem Tee<br />

auch noch einen Workshop besuchen. Es stehen immer verschiedene<br />

Themen zur Auswahl. Die Workshops laufen nach<br />

dem gleichen Muster ab wie die Bibeleinführungen. Mit dem<br />

© Foto: Sabine Leutenegger<br />

06<br />

41<br />

kleinen Unterschied, dass es nicht immer<br />

um eine Bibelgeschichte, sondern oft um<br />

bestimmt Einstellungen zu einem Thema<br />

und um Selbsterkenntnis geht.<br />

Abends um halb neun treffen sich alle<br />

noch einmal zum Gottesdienst in der<br />

Kirche.<br />

Anschließend kann jeder <strong>machen</strong>, was er<br />

möchte. Wer beispielsweise Lust auf<br />

französische Lieder hat, kann an einem<br />

der überdachten Plätze mit anderen singen<br />

oder Gitarre spielen. Am Platz<br />

gegenüber sitzen oft mehrere kleinere<br />

Gruppen zusammen und musizieren<br />

ebenfalls. Meistens altbekannte Songs<br />

wie „Wind of Change“ oder „Über den<br />

Wolken“. Neue Bekanntschaften schließt<br />

man dabei fast automatisch.<br />

Auffällig ist, mit welch aufmerksamen<br />

Augen die Jugendlichen in Taizé ihre<br />

Umwelt beobachten. Niemand, der dies<br />

nicht möchte, sitzt lange alleine herum.<br />

Ständig bilden sich Gruppen, Menschen<br />

aus den verschiedensten Ländern kommen<br />

miteinander ins Gespräch. Es ist<br />

interessant zu erfahren, wie Jugendliche<br />

oder auch Erwachsene anderswo leben.<br />

Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede<br />

es gibt. Trotzdem glauben doch<br />

alle hier an den gleichen Gott. Und das ist<br />

schließlich das verbindende Element.<br />

Wer einmal in Taizé war, möchte meist<br />

wiederkommen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!