Download Ausgabe 6 - Kommunal
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Regelmäßige Nachtschichtarbeit ist<br />
gesundheitsgefährdend. Schätzungen<br />
zufolge verkürzt sich die Lebenserwartung<br />
von NachtschichtarbeiterInnen um<br />
fünf Jahre gegenüber ihren KollegInnen<br />
mit Normalarbeitszeiten.<br />
Schicht-Rythmus entscheidet über Wohlbefinden<br />
Gesundes „Schichteln“<br />
SchichtarbeiterInnen sind in besonders hohem Maße gesundheitsschädlichen<br />
Belastungen ausgesetzt. Im Chemiebetrieb AMI Agrolinz Melamine International<br />
wurde nun eine umfassende Schichtplanreform durchgeführt – mit anhaltendem<br />
gesundheitlichen Erfolg, wie die Evaluierung zeigt.<br />
Dass regelmäßige Nachtschichtarbeit<br />
gesundheitsgefährdend ist, belegen heute<br />
zahlreiche Forschungsergebnisse. Deutschen<br />
Schätzungen zufolge verkürzt sich<br />
die Lebenserwartung von NachtschichtarbeiterInnen<br />
um fünf Jahre gegenüber<br />
ihren KollegInnen mit Normalarbeitszeiten.<br />
Sie haben deutlich mehr Schlafstörungen,<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />
Magen-Darm-Erkrankungen und psychische<br />
Störungen. Die Gründe für das<br />
erhöhte Gesundheitsrisiko: Nachtarbeit<br />
»<br />
Freude und Lebensqualität<br />
war wichtiger<br />
als mehr Geld.<br />
Dr. Manfred Lindorfer «<br />
ist physiologisch verausgabender als<br />
Tagesarbeit, die Schlafqualität ist verschlechtert<br />
und die Schlafdauer reduziert.<br />
Das Familienleben wird belastet und die<br />
private Lebensqualität sinkt.<br />
Der Chemiebetrieb AMI Agrolinz Melamine<br />
International hat sich daher entschlossen,<br />
seinen Schichtbetrieb umzustellen.<br />
Seit 2001 arbeiten die ChemiearbeiterInnen<br />
auch in Fünfer-Schichten.<br />
Das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung<br />
hat die gesundheitlichen<br />
Effekte der Reform mit finanzieller Unterstützung<br />
des Fonds Gesundes Österreich<br />
evaluiert. Projektleiter und ärztlicher Leiter<br />
des arbeitsmedizinischen Zentrums<br />
Worklab Chemiepark Linz Dr. Manfred<br />
Lindorfer: „ArbeiterInnen der Fünfer-<br />
Schicht haben nur noch sechs statt acht<br />
Nachtdienste und dann drei bis vier Tage<br />
nach einem Schichtzyklus frei statt früher<br />
40 KOMMUNAL<br />
nur zwei Tage. Dadurch haben die<br />
SchichtarbeiterInnen mehr Zeit, ihren<br />
Schlaf und ihre Erholung auch wirklich<br />
zu genießen.“ Das drückt sich auch in<br />
Zahlen aus: Nach der Umstellung des<br />
Schichtplans erhöhte sich die Schlafdauer<br />
für den einzelnen Schichtarbeiter von 6,6<br />
Stunden auf fast 7 Stunden, ein Zuwachs<br />
von immerhin 124 Stunden mehr Schlaf<br />
im Jahr.<br />
Eindeutig weniger Belastungen. Die<br />
Evaluierung des Projekts nach einem Jahr<br />
zeigte neben der höheren Schlafqualität<br />
auch eine eindeutige Verbesserung bei<br />
allen anderen Gesundheitsparametern<br />
wie Stress oder Zufriedenheit mit Arbeit<br />
und Privatleben. Die körperliche Arbeitsbewältigung<br />
bewerteten die Befragten<br />
mit der Schulnote 1,9 ( 2,35 ein Jahr<br />
davor), die psychische Arbeitsbewältigung<br />
mit Note 2 (1 Jahr davor: 2,3). Signifikant<br />
reduziert haben sich auch die<br />
gesundheitlichen Belastungen, erhöht hat<br />
sich das Gefühl der Freude. Und nur noch<br />
1,7 Prozent der MitarbeiterInnen hatten<br />
den festen Vorsatz mit der Schichtarbeit<br />
aufzuhören. Ein Jahr davor waren das<br />
immerhin noch 7,4 Prozent. Gab vor der<br />
Schichtplanreform jeder Zehnte an, die<br />
Schichtarbeit verhindere sein Privatleben,<br />
war nach einem Jahr kein einziger mehr<br />
dieser Meinung. Arbeitsmediziner Dr. Lindorfer:<br />
„Der Schichtarbeiter kann durch<br />
die Reform zwei von fünf Wochenenden<br />
bei der Familie verbringen, was für’s<br />
soziale Leben enorm wichtig ist. Viele<br />
MitarbeiterInnen haben außerdem neue<br />
Hobbys angefangen und insgesamt wieder<br />
mehr Sinn im Leben gefunden.“<br />
Geld ist nicht alles. Da mit der Reform<br />
auch eine Verkürzung der Arbeitszeit verbunden<br />
war, mussten die Schichtarbeiter-<br />
Innen auch eine Lohnreduktion hinnehmen.<br />
Die hohe Zustimmung für die<br />
Schichtplanumstellung war daher beeindruckend.<br />
Vor der Einführung stimmten<br />
mehr als zwei Drittel für die Umstellung,<br />
nach einem Jahr waren bereits fast 90<br />
Prozent dafür. „Die MitarbeiterInnen<br />
haben nach einiger Zeit gesehen, dass<br />
Freude und Lebensqualität mehr wert<br />
sind als ein bisschen Geld“, berichtet Dr.<br />
Lindorfer. „Interessant war auch, dass die<br />
größere Zustimmung von den Jüngeren<br />
kam, obwohl die Älteren gesundheitlich<br />
mehr unter der Schichtarbeit leiden. Jüngere<br />
schätzen den Wert von Lebensqualität<br />
offenbar noch höher ein.“ Ältere<br />
stecken die permanente Belastung durch<br />
erhöhten Stress und zu geringe Erholungszeiten<br />
nicht mehr so gut weg. Sie<br />
sind den Anforderungen nur noch durch<br />
die Aktivierung von Stressmechanismen<br />
gewachsen. Insofern war die Schichtplanumstellung<br />
auch eine Anpassung an die<br />
Erfordernisse älterer ArbeitnehmerInnen.<br />
Information & Kontakt<br />
AMZ worklab Chemiepark Linz<br />
A - 4021 Linz, St. Peter Straße 25<br />
Tel: 0706914 3328<br />
m.lindorfer@worklab-linz.at<br />
www.worklab.at<br />
Kontakt<br />
Fonds Gesundes Österreich,<br />
Mariahilferstraße 176,<br />
A-1150 Wien, Tel. 01/8950400,<br />
Fax: 01/8950400-20,<br />
gesundes.oesterreich@fgoe.org