07.10.2013 Aufrufe

Link - Oapen

Link - Oapen

Link - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

106 Rainer Grübel<br />

Form von Kategorien und Begriffen. Im Mittelpunkt steht die Ursächlichkeit, in<br />

die außer Zeit und Raum alle anderen Kategorien eingehen. Am Organischen<br />

zeigt Schelling, wie das Subjekt vom Objekt berührt wird. Die höchste Stufe<br />

des theoretischen Bewußtseins ist dann der absolute Willensakt, in dem sich die<br />

intellektuelle Anschauung auf sich selbst richtet und erkennt, daß es die Welt<br />

der Objekte unbewußt erschaffen hat. Es dürfte Rosanow bei all dem heftigen<br />

russischen Schellingianertum nicht entgangen sein, daß Schellings absolutes Ich ein<br />

auf es bezogenes Sein voraussetzt, das als Gott in Christus Mensch geworden ist.<br />

Dabei ermöglicht das Walten Gottes nach einem sinnhaften Plan dem Menschen<br />

auch die Möglichkeit freier Entscheidung im Sinne des Sittengesetzes. Dieses<br />

Freiheitsprinzip bestimme auch die Offenbarung. Gott wird entworfen als Einheit<br />

des unmittelbar „Seinkönnenden“ (als causa materialis, Wirkursache) mit dem rein<br />

Seienden (bewußt gewordener Wille als causa efficiens) und dem „Überseienden“<br />

(Einheit der beiden als causa finalis). In Christus sei die zweite Potenz geopfert<br />

worden; auf die Petrinische Kirche des Katholizismus und die Paulinische Kirche<br />

des Protestantismus werde die „Johanniskirche der Zukunft“ als Verwirklichung<br />

des reinen Logos folgen. Die Offenbarung übersteigt die Mythologie, in welcher<br />

Schelling philosophisch erkennbares Weltschöpfungswissen ausmacht, mit dem<br />

Gott sich im Menschen realisiere; allegorische Deutungen des Mythos führen<br />

dagegen unausweichlich zu Widersprüchen. Der mythische Prozeß verläuft als Gang<br />

zunehmender Monotheisierung: Von der Großen Mutter geht es zu ägyptischen<br />

und indischen Götterhierarchien, bis es zur reflektierten griechischen Mythologie<br />

kommt. Gott ist Inbegriff der drei Seinspotenzen Natur, Form und Geist. Der<br />

Übergang vom potentiellen zum aktuellen Sein bilde den theogonischen Prozeß,<br />

der gleichermaßen subjektiv (im Geist des Menschen) und objektiv (in Gestalt der<br />

mythischen Götter) ablaufe.<br />

In einer bereits vom Fortschrittsdenken geprägten Zeit richtete Rosanow das<br />

Augenmerk auf die Beständigkeit der Formen – wie der Natur so auch der Geschichte.<br />

Es geht ihm abermals nicht so sehr um die gegenwärtig bestehenden<br />

wie um diejenigen Formen, die alles Lebende unmerklich anstrebt. Im Zugriff auf<br />

Natur und Geschichte nach ein und demselben Grundsatz ist Wassili weniger der<br />

zeitgenössischen Übertragung naturwissenschaftlicher Verfahrenswiesen auf die<br />

Geisteswissenschaften verpflichtet als einem ganzheitlichen Vorgehen. Immerhin<br />

hat er die geistigen Erscheinungen, wohl ohne schon Windelbands Arbeiten zu<br />

kennen, von den natürlichen auf der Grundlage abgesetzt, daß sie menschliche<br />

Schöpfungen sind.<br />

In seinem Grund ganz und gar idealistisch, erhebt Wassilis Denken gegen allen<br />

„Nihilismus“ und Materialismus seiner Gegenwart, Einspruch. Anders als dem Geist<br />

eignen Körpern keine Ziele an und für sich, sind sie nur Berührungspunkte des<br />

Geistes mit der materiellen Welt:<br />

So besteht die Rolle des Körpers im Verhältnis zum Geist in dem, was sich auf<br />

die Bestimmung des Menschen bezieht. Es ist unzweifelhaft, daß nur der Geist<br />

als ewig sich vervollkommnende und ewig strebende Form im Menschen eine

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!