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66 Aleksandar Flaker<br />
seiner Ikonizität ersparen will, wird lakonisch, skizzenhaft und – theatralisch. Er<br />
nähert sich Munch an.<br />
Im Dialog mit Liddy beantwortet der Anonyme die Fragen des neugierigen<br />
Kindes. Das lyrische Subjekt stellt sich als einen Abenteurer (pustolov), einen<br />
„Glücksjäger“ auf der ständigen Suche „nach einem Land“ (jedan kraj , Mignon wird<br />
zitiert!) vor und führt seine Partnerin in eine symbolische Seelenlandschaft, die<br />
der Bezeichnung rasipnik – luda – pijanac eine mystische Vertikale verleiht. Die<br />
Selbststilisierung als Bohémien (vgl. „Strolch“ in der ersten deutschen Übersetzung!)<br />
und Abenteurer entfaltet sich später in dem Theaterstück Pustolov pred vratima<br />
(Abenteurer vor dem Tor, 1926) in einer inversiven Situation – den Träumen<br />
eines sterbenden Mädchens, das die Realisierung des Unbekannten erwartet. Das<br />
Stück entsprach den Erwartungen: man wies auf Freud, die Ikone des Surrealismus<br />
hin. Wenn wir aber zu Liddy zurückkehren, so weisen wir auf einen Text des<br />
Kunsthistorikers Zidić (2000) hin, der besonders die Prager Arbeiten (1908–1922)<br />
des Sezessionisten Vlaho Bukovac hervorgehoben hat: Zidić bezeichnet die Vorliebe<br />
des Malers für helle und manchmal pointilistische Mädchenakte als „Lolitismus“.<br />
Diesen Begriff können wir auch auf das in derselben Zeit entstandene Gedicht von<br />
Begović anwenden, mit der Anmerkung, daß wir diese Neigung auch anderswo in<br />
der Malerei und der Literatur der Sezession finden können. Wenn wir aber, dem<br />
Beispiel Zidićs folgend, auf den großen Erfolg des Films Kurze Begegnung (David<br />
Lean, 1945) hinweisen, wo sich die hoffnungslos Liebenden an einem Bahnhof<br />
begegnen, so tun wir das nur, um die Modernität des Gedichtes zu bekräftigen.<br />
Den Erfolg Leans kann man nämlich in einer Situation verstehen, wo das Publikum<br />
am Kriegsende von der Kunst auch das Ewige im Trivium des Alltages erleben<br />
wollte. Ja, Begović hat in diesem Gedicht body and pressure of time gut verstanden.<br />
In der Lyrik war es seine einmalige Leistung: Liddy wurde in fast alle Anthologien<br />
der kroatischen Lyrik aufgenommen und überlebte auch die schwersten Zeiten.<br />
Unverbindlicher Epilog<br />
In dem neuesten Roman des auch in Deutschland bekannten kroatischen Prosaautors<br />
Zoran Ferić, in dem ein Gymnasiallehrer die Geschichte seiner Liebe zu einer<br />
17-jährigen Schülerin erzählt, wird in einer kurzen Vorgeschichte auch über eine<br />
andere Reise berichtet:<br />
Sie hat mir alles erzählt. Wie die beiden vor seinem Selbstmord den Sommer in<br />
Lübeck verbracht haben /. . . / Jeden Tag gingen sie nach Travemünde baden und<br />
spazierten später am linken Ufer der Bucht /. . . / (Ferić, 2005, 170)<br />
Travemünde wird hier als ein vom Meer bedrohter verhängnisvoller Ort evoziert, der<br />
einem Selbstmord vorausgeht, erscheint aber im Kontext einer Liebesgeschichte mit<br />
einer Teenagerin. Der Autor unterrichtet kroatische Literatur am Gymnasium. . .