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18 Volker Bockholt<br />
Da das Slavische mit der Aspektkategorie und dem l-Partizip zwei verschiedene,<br />
im gesamten Sprachgebiet verbreitete Merkmale aufweist, die sonst im Indogermanischen<br />
nicht vorkommen und die aus einer Turksprache stammen können,<br />
erscheint die Annahme eines frühen türkisch-slavischen Sprachkontaktes auch als<br />
Ursache für die Entstehung der Vielfalt der Endungen der 3. Person Singular<br />
und Plural im Präsens des Verbs plausibel. Diese Sprachkontaktsituation könnte<br />
unter anderem für den Schwund des Aorist als Teil eines größeren Umbaus eines<br />
indogermanischen zu einem speziellen, slavischen System verbaler Temporalparadigmen<br />
ursächlich sein. Die in diesem Aufsatz behandelte Fragestellung ist in<br />
diesem Zusammenhang zu sehen, bildet jedoch nur einen kleinen Teilbereich am<br />
Rande dieses großen und komplexen Vorganges. Natürlich steht die Annahme eines<br />
frühen türkisch-slavischen Sprachkontaktes unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit,<br />
sie bedarf der Überprüfung durch weitere Untersuchungen.<br />
7. Der betrachtete Fall zeigt, daß die Annahme von Sprachkontaktsituationen<br />
grundsätzlich geeignet ist, Fragestellungen einer sinnvollen Antwort zuzuführen,<br />
die die Indogermanistik nicht befriedigend lösen kann. Darüber hinaus ergibt sich<br />
aus der Annahme von Sprachkontakten die Möglichkeit, Ursachen für Sprachwandel<br />
zu ermitteln, die auf andere Weise nicht gewonnen werden können. Ferner<br />
arbeitet man mit der Annahme von Sprachkontaktsituationen als Ausgangspunkt<br />
für Sprachwandel auf einer guten Datenbasis, weil Sprachdaten aus einer zweiten<br />
Quelle ermittelt werden müssen, die die fraglichen Daten aus der ersten Quelle<br />
gewissermaßen kontrollieren. Daten der morphologischen Ebene sind für solche<br />
Untersuchungen besser geeignet als Lautdaten, weil sie Form- und Bedeutungseigenschaften<br />
aufweisen. Morphologische Daten sind daher leichter identifizierbar,<br />
sofern sie im Sprachwandelprozeß erhalten bleiben und nicht geschwunden sind.<br />
Lautdaten haben den potentiellen und vermutlich oft realen Nachteil, zu viele<br />
identische Eigenschaften aufzuweisen. Sie dürften daher in den seltensten Fällen<br />
einer von zwei Kontaktsprachen eindeutig zuzuordnen zu sein.<br />
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