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Göttinger Elegien 135<br />

XVII.<br />

Ich erwache, mit dem Gurren der Tauben,<br />

dem Geknarre ihrer Unterkünfte, sie küssen sich, wälzen sich,<br />

Gestank ist in meinen Mund, ich fühle die überfüllte Blase (Tee<br />

von gestern Abend), sie ist wach, aber schlummert,<br />

ich bin unausgeschlafen faul. Ich erwache im Alptraum,<br />

wie vor einer Reise, welche Meldungen kommen aus der Heimat?<br />

Ich gehe aufrecht, wasche mein Gesicht im kalten Wasser<br />

(Gewohnheit aus dem Wehrdienst), ermuntere mich, im Übrigen<br />

pinkle ich, ziehe mich an, spüle mir die Zähne aus. Sie<br />

ist schon in der Küche, setzt die Milch auf, wir<br />

bereiten Wasser für Tee und Kaffee (sie mag ihn süß, ein wenig),<br />

wir wecken die Kinder, frühstücken, brechen auf,<br />

ich komme zurück, schreibe Gedichte, lese Andrić, übersetze,<br />

schreibe sog. wissenschaftliche Artikel über, gehe zur<br />

Post, in die Bibliothek. Wir wachen mit dem Gurren<br />

der Tauben, mit dem Bild des zerstörten heimischen Herdes,<br />

einem Alptraum auf. Wir schweigen, verrichten unsere Aufgaben,<br />

nach Vereinbarung, in dauernder Unruhe, im Vertrauen.<br />

XVIII.<br />

Im Morgendunkel, in der Wärme des Sommers,<br />

bin ich unerträglich reizbar. Ich ertrage mich kaum,<br />

in der Machtlosigkeit des Briefes, in den Bitten. Weit ist die Heimat,<br />

vielleicht am weitesten bis jetzt, durch mich rauscht das Meer,<br />

gehen unwegsame Wege, Kroatisch bleibt mir<br />

wie eine Gräte im Hals stecken. Ich fühle mich wie ein Nervenbündel,<br />

wie ein steriler Hengst, überfüllt mit unfruchtbarem Samen.<br />

Alles was du unternommen, alles was du geträumt hast,<br />

zerstreut sich wie Minze, wie Samen der feinsten Kraut,<br />

Getreidepflanze. In der Faust. Alles entrinnt, als schüttetest du<br />

einen Kübel Luft, von einem Gefäß ins andere. Als wenn du<br />

Wasser mit Händen schöpftest, porös ist es zwischen den Fingern.<br />

Halb wahnsinnig, halb besonnen, bete ich<br />

zu Wörtern, damit sie meinen Schmerz erhören, mein Sterben.<br />

Ich gehe zugrunde wie damals Gutsherren, würdevoll<br />

und ruhig, auf meinem einzigen Besitz des Gedichtes,<br />

auf dem Wall des Verses. Unerschütterlich ausdauernd,<br />

im Atmen, im Erobern der Festung des Zeichen und des Sinnes.

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