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148 Werner Lehfeldt<br />

ist in dem folgenden halben Jahrhundert so gründlich in Vergessenheit geraten,<br />

daß sich Gustav Karpeles, der sie 1884 wiederveröffentlichte, „als der Schliemann<br />

des vorstehenden Essays“ bezeichnete, „den ich aus einer Million von Büchern<br />

glücklich ausgegraben“ (Moltke 1884, 17). Allerdings hatte sich bereits 1873 der<br />

Breslauer Professor Caro bei Moltke danach erkundigt, ob er der Verfasser der uns<br />

interessierenden Abhandlung sei. „Dieser bestätigte umgehend seine Autorschaft<br />

und fügte hinzu, „daß auch er die Schrift zu der unerschöpflichen Spreu rechne; sie<br />

sei zumeist aus besseren Werken excerpirt, und er sehe sie gern der Vergessenheit<br />

anheimgegeben“ (Moltke 1892, 64).<br />

Die erste Wiederveröffentlichung des uns beschäftigenden Textes geschah unter<br />

dem Titel „Ueber Polen“ in der Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“. Die Frage,<br />

weshalb eine vorher weitgehend unbeachtet gebliebene historische Darstellung<br />

in „Spemann’s Illustrirter Zeitschrift für das Deutsche Haus“ vor einem breiten<br />

Leserpublikum gleichsam wiederauferstehen konnte, beantwortet sich, wenn wir<br />

die Verfasserangabe von 1832 mit der von 1884 vergleichen. Aus dem bescheidenen<br />

Hinweis „Durch H. von Moltke“ ist mehr als 50 Jahre später ein klangvolles<br />

„General-Feldmarschall Graf Moltke“ geworden, das, wie G. Karpeles es formuliert<br />

hat, auf „den hohen Träger eines glänzenden Namens“ (Moltke 1884, 17) verweist.<br />

Bei diesem nunmehr so berühmten Autor handelt es sich um niemanden anders<br />

als um den preußischen Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard Graf von<br />

Moltke (1800-1891), der seit 1858 Chef des Generalstabs der preußischen Armee<br />

war und dessen Operationspläne die Grundlage für den siegreichen Verlauf der<br />

Einheitskriege von 1864, 1866 und 1870/71 gebildet hatten. In den Grafenstand<br />

war er im Oktober 1870 erhoben worden. Es ist gewiß die Frage, ob der Text,<br />

mit dem wir uns beschäftigen wollen, auch dann als „einer der glänzendsten<br />

historisch=politischen Essays unserer Litteratur“ (so G. Karpeles in Moltke 1884,<br />

17) bezeichnet worden wäre, der „nach Inhalt und Form einen Ehrenplatz in der<br />

Litteratur unserer geschichtlichen Essays einnehmen würde“ (Stern 1884, 95),<br />

wenn sein Verfasser nicht den langen Weg von einem in dürftigen Verhältnissen<br />

lebenden preußischen Sekondelieutenant bis an die Spitze der stärksten Armee des<br />

damaligen Europa zurückgelegt hätte.<br />

Aus welchem Anlaß ist nun die Schrift über die „innern Verhältnisse und den<br />

gesellschaftlichen Zustand in Polen“ zustandegekommen? Diese Frage beantwortet<br />

sich wie folgt: „Als junger Offizier war er in freundschaftlichen, Jahre lang gepflegten<br />

Verkehr mit einer polnischen vornehmen Familie getreten“ (so der Herausgeber<br />

von Moltke 1892, 63). Und zwar hatte Moltke 1825 während eines Kuraufenthaltes<br />

in dem niederschlesischen Badeort Salzbrunn „die Familie des polnischen Grafen<br />

Rafael Obieziersky von Imbier kennen- und schätzengelernt, insbesondere die<br />

Gräfin Apolonia geb. Zaremba“ (Biewer 1990, 9). Welchen Eindruck der Umgang<br />

mit der Familie Obieziersky auf Moltke machte, hat dieser selbst in einem Brief an<br />

seine Mutter geschildert: „Ich weiß nicht, ob Du früher Gelegenheit gehabt hast,<br />

mit Polen umzugehen. Nichts kann angenehmer sein. Man ist gleich eingeführt,<br />

gleich bekannt und gleich vertraut. Die Leute überschütten einen mit Güte und

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