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270 Astrid Winter<br />

gedruckt werden konnten. Französischen Vertretern wie Henri Chopin und Pierre<br />

Garnier wurde in halboffiziellen Lesungen ein Forum für phonische Poesie geboten.<br />

Manche Besucher konnten für Übersetzungen (Konrad Balder Schäuffelen), viele<br />

für Beiträge in den von Hiršal und Grögerová initiierten Sammelbänden gewonnen<br />

werden. 16 Zwar konnte ihre Anthologie der tschechischen Vertreter erst mit über<br />

30jähriger Verspätung erscheinen, 17 doch durfte das Pendant, eine Anthologie<br />

internationaler experimenteller Poesie, schon in der Zeit als eine der umfassendsten<br />

Sammlungen im Weltmaßstab gelten (Hiršal, Grögerová 1967a). 18<br />

Es handelt sich damit um den seltenen Fall eines interkulturellen Dialogs, in<br />

dem nicht die kleinere Literatur die nehmende war, sondern in dem sie selbst einen<br />

innovativen Beitrag leistete und sogar die Entwicklung der anderen Literaturen<br />

förderte.<br />

Beinahe folgerichtig scheint hier die ästhetische Verständigung über sprachliche<br />

Barrieren hinweg eine „vorbabylonische“ Poesie hervorgebracht zu haben. Stellt<br />

man sich die Frage, wie dieser lebhafte Austausch zustande kam, so liegt die<br />

Vermutung nahe, dass er offenbar auf einem Korrelat in der Dichtung selbst<br />

beruhen muss. In der Tat tendieren gerade die Verfahren der Konkretion des<br />

sprachlichen Materials als Schrift- oder Lautwert zu einer asemantischen Poesie,<br />

die aufgrund der leistungsfähigeren Reproduktionsform des Buches vor allem<br />

die vielfältigen Varianten des Zusammenwirkens visueller Medien nutzte. „Schrift<br />

und Bild“ lautete denn auch der Titel einer richtungweisenden Ausstellung, die<br />

Dietrich Mahlow 1963 (Mahlow 1963) in Deutschland initiierte und die, von dem<br />

Kunsthistoriker Jiří Padrta zu einem spezifisch tschechischen Konzept umgeformt,<br />

den entscheidenden Impuls für eine innovative Entfaltung tschechischer visueller<br />

Dichtung im halboffiziellen Raum lieferte. 19<br />

Vergleichbare Verfahren brachten ähnliche Gattungen hervor. So verzeichnet<br />

die tschechische Variante neben den Konstellationen und Typogrammen konkreter<br />

Poesie im Sinne Eugen Gomringers, die z. T. noch in der Reduktion auf einzelne<br />

Buchstaben eine dezidiert politische Aussage vermitteln (vgl. Abb. 2) 20 , ebenfalls<br />

visuell wirksame Piktogramme, Typographiecollagen und Figurengedichte. Daneben<br />

gingen aus einer starken Tendenz akustischer Poesie reine Lautgedichte,<br />

akustische Zeichnungen und Soundcollagen hervor. Hinzu kamen die vielfältigen Formen<br />

dreidimensionaler Gegenstandspoesie mit Gedicht-Objekten, Buch-Objekten,<br />

Ready-mades und Assemblagen. Auch konzeptuelle Gattungen wie die Aktionspoesie<br />

mit poetischen Gebrauchsanweisungen und Rezepten waren vertreten. Doch<br />

weist schon das explizite Bemühen um objektive Methoden auf eine Differenzqualität<br />

gegenüber den westlichen Ausprägungen hin. Der Einbezug mathematischer,<br />

logischer und - besonders unter dem Einfluss Max Benses (Bense 1967) - auch<br />

informationstheoretischer Verfahren, hinter denen oft die Überzeugung einer statistisch<br />

messbaren Ästhetik stand und denen Kybernetik und Computergraphik<br />

neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffneten, führten zu einer besonderen Form der<br />

„künstlichen Poesie“ 21 , die die Nichtmissbrauchbarkeit des Wortes gewährleisten

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