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MEINUNG 18./19. Mai 2013 / Nr. 20<br />
Aus meiner Sicht ...<br />
Johannes Müller<br />
Der Geist auf leisen Sohlen<br />
Johannes Müller ist<br />
Chefredakteur<br />
unserer Zeitung.<br />
Mit dem Geburtstag der Kirche ist es anders<br />
als mit anderen Geburtstagen. Heute geben<br />
schon Dreijährige große Partys, obwohl sie<br />
das Wort „Geburtstag“ gerade einmal sprechen<br />
können. 20. und 30. Geburtstage,<br />
früher außer im engsten Familienkreis nirgendwo<br />
beachtet, werden als „Meilensteine“<br />
gewürdigt.Wenn einer 60, 70 oder gar 80<br />
Jahre alt wird, dann gibt es ganze Serien an<br />
Feiern und Wagenladungen voll Geschenke.<br />
Der „Geburtstag der Kirche“ hingegen<br />
führt ein Schattendasein: Das Hochfest, an<br />
dem sich die Christen zum ersten Mal als<br />
missionarische Gemeinschaft formierten, findet<br />
wenig Beachtung. Seine Bedeutung ist in<br />
breiten Kreisen noch weniger bekannt als die<br />
von Ostern. Auch im Brauchtum spielt das<br />
Fest bis auf ein paar Umritte und geschmückte<br />
Pfingstochsen kaum eine Rolle. Es wundert<br />
nicht, dass es immer wieder Anläufe gibt, dem<br />
freien Pfingstmontag den Garaus zu machen.<br />
Vielleicht hat die mangelnde Popularität<br />
von Pfingsten auch damit zu tun, dass die<br />
Geistsendung weniger anschaulich ist als die<br />
Geburt und Auferstehung Jesu. Sie lässt sich<br />
kaum in Bildern fassen und ist schwierig<br />
zu vermitteln. Von einem Sprachenwunder<br />
spürt man weit und breit nichts. Selbst den<br />
päpstlichen Segen „Urbi et Orbi“, so beklagen<br />
einige besorgte Christen, gibt es nicht mehr<br />
in sprachlicher Vielfalt. Und so wird kritisiert,<br />
dass die Kirche an ihrem cirka 1980.<br />
Geburtstag ziemlich sprachlos dasteht. Wirklich?<br />
Man sollte nicht vergessen, dass führenden<br />
Kirchenmännern besonders in Westeuropa<br />
lange Zeit eine zu große Lautstärke<br />
vorgeworfen wurde. Nun, da die Kirche leiser<br />
spricht, finden es nicht wenige zu leise.<br />
Leicht geht unter, dass der Heilige Geist<br />
schon immer gutes Zuhören erforderte. Die<br />
Jünger saßen erstmal im Gebet vereint, bevor<br />
das große Brausen kam. Leise, aber umso<br />
mächtiger wirkte der Geist auch bei Maria.<br />
Und bis heute beeindruckt die Geschichte mit<br />
Elia im Alten Testament: Nicht im Sturm,<br />
nicht im Erdbeben und auch nicht im Feuer<br />
war Gott. Er war im leisen Säuseln. In diesem<br />
Sinne frohe Pfingsten!<br />
Barbara von Wulffen<br />
„Herr, entwaffne mich und sie!“<br />
Barbara von Wulffen<br />
hat Germanistik und<br />
Biologie studiert. Sie<br />
ist Hausfrau und<br />
Publizistin.<br />
Die Bostoner Attentäter waren keine wirren<br />
Einzeltäter. Spuren ihrer „Bekehrung“ zum<br />
islamistischen Terror führen in den Nordkaukasus<br />
und ins Internet. Der Fall erinnert an<br />
das Schicksal der sieben Trappisten vom Atlaskloster<br />
Tibherine. Fanatisierte algerische<br />
Islamisten der GIA („Bewaffnete islamische<br />
Gruppe“) haben ihnen am im Mai 1996 die<br />
Kehlen durchgeschnitten. Zu Pfingsten jährt<br />
sich ihr Tod zum 17. Mal.<br />
Xavier Beauvois‘ Film über diese Tragödie,<br />
„Von Menschen und Göttern“ aus dem Jahr<br />
2010, hat ein Millionenpublikum gerührt.<br />
Aber die Botschaften der Mönche zur Versöhnung<br />
von Christentum und Islam wurden zu<br />
wenig bekannt, etwa das Testament des Priors<br />
Christian de Chergé oder der Text „Vielfältige<br />
Menschheit“ des am 1.August 1996 bei<br />
einer Explosion getöteten Pierre Claverie, Bischof<br />
von Oran. Man muss auch wissen, dass<br />
viele der 150 000 im Bürgerkrieg ermordeten<br />
Algerier dafür büßten, „schlechte“ – also<br />
nicht ideologisierte – Muslime zu sein, da sie<br />
Frieden und Menschenrechte eines modernen<br />
Islam erhofften.<br />
Die Mönche nannten die GIA „Unsere Brüder<br />
aus den Bergen“. Prior Christian nannte<br />
seinen zukünftigen Mörder „Freund der letzten<br />
Minute, der du nicht weißt, was du tust.<br />
Ja, auch für dich will ich dieses ,Danke‘ sagen<br />
und dieses ,Zu-Gott-hin‘ (A-Dieu) annehmen.<br />
Möge uns geschenkt sein, dass wir beiden<br />
Schächer uns im Paradies wiederfinden, wenn<br />
es Gott so Recht ist, unserem gemeinsamen Vater.<br />
Amen! Insch‘ Allah! (so Gott will)!“ Sein<br />
ständiges Stoßgebet tätiger Feindesliebe war<br />
„Herr, entwaffne mich und entwaffne sie!“<br />
Der Prior hatte Arabisch und den Islam<br />
studiert und sprach als Christ Gebete mit<br />
muslimischen Nachbarn. Er war Gastgeber<br />
von Sufis der Gruppe „Ribăt es-Salăm“<br />
(Band des Friedens), für ihn das Herz des<br />
Islam, und wollte mit dem Blick des Vaters<br />
„seine Kinder im Islam betrachten“. Denn<br />
laut Prior Christian ist es „Gottes Freude,<br />
Gemeinschaft zu schaffen und Ähnlichkeit<br />
wiederherzustellen, indem er mit Unterschieden<br />
spielt“. Darauf war er neugierig.<br />
Jürgen Liminski<br />
Familienpolitische Pirouetten<br />
Jürgen Liminski ist<br />
Publizist, Buchautor<br />
und Moderator beim<br />
Deutschlandfunk.<br />
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat<br />
mit seiner Bemerkung zum Familiensplitting<br />
für homosexuelle Paare die Debatte über die<br />
steuerliche Gleichstellung neu entfacht. Freunde<br />
findet er mit seinen Ansichten in den eigenen<br />
Reihen nur wenige. Bei FDP und CSU überwiegt<br />
die Skepsis. Mit Recht: Es gibt gerade mal<br />
25 000 eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften<br />
in Deutschland, und bei gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren leben weniger als 7000<br />
Kinder.<br />
Die Kosten des Ehegatten- und Familiensplittings<br />
für diese Minderheit wären für den<br />
Staat sehr überschaubar. Das mag der Grund<br />
sein, weswegen sich Schäuble, der wie alle<br />
Finanzminister der vergangenen 15 Jahre<br />
nicht für Großzügigkeit gegenüber Familien<br />
bekannt ist, nun dafür ausspricht. Außerdem<br />
erwartet er ein entsprechendes Urteil<br />
aus Karlsruhe noch vor der Sommerpause.<br />
Da soll die CDU wohl mit einem Gesetz alle<br />
links überholen.<br />
Dennoch ist sein Schielen nach links und<br />
nach neuen Wählern zum Scheitern verurteilt.<br />
Die Koalition zieht nicht mit. Die CSU hält<br />
am Vorrang der normalen Ehe fest und will<br />
erstmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
abwarten. Auch hat sie die Förderung<br />
der Familienleistung, mit der Schäuble zu locken<br />
versucht, als Betreuungsgeld im Konzept.<br />
Hinzu kommt, dass ein Familiensplitting<br />
nicht so ohne weiteres zu machen ist. Und das<br />
Ehegattensplitting zu verändern, ist auch nicht<br />
so einfach. Was ist zum Beispiel mit Eltern,<br />
deren Kinder erwachsen sind? Soll ihnen das<br />
Splitting gestrichen werden, obwohl sie jahrzehntelang<br />
Kinder erzogen haben?<br />
Auch die FDP zeigt Schäuble die kalte<br />
Schulter. Sie will das Ehegattensplitting beibehalten,<br />
auch der „Homo-Ehe“ öffnen und ansonsten<br />
den Grundfreibetrag für Kinder erhöhen.<br />
Völlig unlogisch sind die Grünen. Sie<br />
wollen das Ehegattensplitting abschaffen, aber<br />
gleichzeitig sollen homosexuelle Paare es bekommen.<br />
Damit stehen sie Schäubles familienpolitischen<br />
Pirouetten am nächsten. Das<br />
müsste den Finanzminister doch eigentlich<br />
stutzig machen.