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THEMA DER WOCHE 18./19. Mai 2013 / Nr. 20<br />

Die Musik lässt eine Atmosphäre wie<br />

auf dem Volksfest aufkommen.<br />

Wegens des Dauerregens haben<br />

die Blutreiter Regenmäntel angelegt.<br />

Ihre farbenfrohe Kleidung ist nur undeutlich<br />

zu erkennen.<br />

DER BLUTRITT IN WEINGARTEN<br />

Der Blutritt auf Video in der SWR Mediathek<br />

Religion hoch zu Ross<br />

Europas größte Reiterprozession lockt 20 000 Gläubige nach Oberschwaben<br />

Vor den geöffneten Eingangstüren<br />

der Basilika<br />

Weingarten hat sich eine<br />

Menschenmenge eingefunden.<br />

Feuerwehrmänner und Ordner<br />

postieren sich vor den Zuschauern,<br />

damit eine Gasse vor dem Portal frei<br />

bleibt. Erwartungsvoll richten sich<br />

die Blicke in das Innere des mächtigen<br />

Gebäudes. Nach Minuten<br />

gespannten Wartens tritt Kardinal<br />

Rainer Maria Woelki, der Erzbischof<br />

von Berlin, durch das Portal<br />

und bleibt stehen.<br />

Vor sich trägt er die goldene<br />

Heilig-Blut-Reliquie, die das Blut<br />

Christi enthalten soll. Feierliche Stille<br />

kehrt ein. Auf einmal kommt ein<br />

prächtiger Schimmel angeritten. Auf<br />

ihm sitzt der Weingartener Pfarrer<br />

Ekkehard Schmid: der Heilig-Blut-<br />

Reiter. Die Magie des Moments ist<br />

in der Stille fast mit den Händen zu<br />

greifen. Der Kardinal übergibt dem<br />

Heilig-Blut-Reiter die Reliquie, und<br />

damit beginnt der berühmte Blutritt<br />

im oberschwäbischen Weingarten.<br />

Die Reliquie selbst besteht im<br />

Kern aus einem nur 35 Millimeter<br />

langen und zwei Millimeter breiten<br />

Stäbchen. Die Kostbarkeit soll der<br />

Überlieferung nach Blut von Jesus<br />

Christus, vermischt mit Erde von<br />

Golgotha, enthalten. Das Stäbchen<br />

ist in ein mit Edelsteinen besetztes<br />

Goldkreuz eingearbeitet. Im Lauf<br />

der Jahrhunderte hat die Reliquie<br />

mehrfach ihr Aussehen gewandelt,<br />

die heutige Version mit dem Goldkreuz<br />

entstand 1956. Seit mehr<br />

als 900 Jahren befindet sie sich in<br />

Weingarten.<br />

Segen für Haus und Hof<br />

Beim Pontifikalamt zum Abschluss<br />

des Blutfreitags ist die Weingartener Basilika<br />

vollbesetzt. Fotos: Klawitter<br />

Schon seit Jahrhunderten findet<br />

zu Ehren des „Heiligen Blutes“ am<br />

sogenannten Blutfreitag, immer einen<br />

Tag nach Christi Himmelfahrt,<br />

der Blutritt statt. Die Wallfahrer bitten<br />

hierbei um den Segen für Haus,<br />

Hof und Felder. Die Geschichte des<br />

Ritts, der größten Reiterprozession<br />

Europas, ist eng verwoben mit dem<br />

Kloster Weingarten, das direkt gegenüber<br />

der Basilika liegt.<br />

Die Schließung des Klosters vor<br />

drei Jahren war ein herber Einschnitt.<br />

Es war der Schlussstrich unter<br />

eine lange Tradition: Mit Unterbrechungen<br />

hatten fast 1000 Jahre<br />

lang Benediktiner im Kloster gelebt.<br />

Bis zu ihrem Auszug war regelmäßig<br />

ein Mönch Heilig-Blut-Reiter.<br />

Seit dem Auszug der Benediktiner<br />

hat nun Pfarrer Schmid diese Rolle<br />

inne.<br />

An diesem Blutfreitag herrscht<br />

Dauerregen. Der veranlasst die<br />

rund 2600 Blutreiter aus der Region<br />

dazu, durchsichtige Schutzhauben<br />

über ihren Zylinder zu stülpen. Regenmäntel<br />

schützen den Frack. Mit<br />

dem Regenschutz sehen die Reiter<br />

im Grunde genommen alle gleich<br />

grau aus, abgesehen von den verschiedenfarbigen<br />

Pferden. So kann<br />

der Besucher dieses Jahr die bunte<br />

Farbenpracht der Blutreitergruppen<br />

und ihrer Standarten nur erahnen.<br />

An dem tristen Wetter liegt es<br />

wohl, dass es diesmal anstatt der üblichen<br />

30 000 Pilger und Besucher<br />

nur rund 20 000 sind. Doch diejenigen,<br />

die gekommen sind, harren<br />

tapfer im Regen aus. Unter ihnen<br />

ist Monika Friedrich, die in der<br />

Nähe von Weingarten wohnt und<br />

vom Gehweg aus die Prozession verfolgt.<br />

Den Blutritt empfindet sie als<br />

wichtiges Ereignis. Eine Teilnahme<br />

als Zuschauerin ist für sie selbstverständlich:<br />

„Ich bin jedes Jahr dabei.<br />

Das gehört dazu.“<br />

Besondere Aufmerksamkeit zieht<br />

natürlich der Heilig-Blut-Reiter mit<br />

der Reliquie in der Hand auf sich.<br />

Sein Herannahen wird von einem<br />

Begleiter mit einer Glocke angekündigt.<br />

Pfarrer Schmid reitet auch am<br />

Rathausbalkon vorbei, wo die prominenten<br />

Besucher stehen. Neben<br />

Kardinal Woelki ist auch Gebhard<br />

Fürst dabei, der Bischof der Diözese<br />

Rottenburg-Stuttgart, zu der Weingarten<br />

gehört. Als politischer Ehrengast<br />

ist Guido Wolf, Präsident des<br />

baden-württembergischen Landtags,<br />

gekommen.<br />

Großes Fest des Glaubens<br />

Für Kardinal Woelki ist es die erste<br />

Teilnahme am Weingartener Blutritt.<br />

Der Erzbischof ist beeindruckt<br />

von dem Ereignis, sagt er im Gespräch<br />

mit unserer Zeitung: „Es ist<br />

ein großes Fest des Glaubens.“ Eine<br />

„große Einheit von Mensch, Tier<br />

und Natur“ werde deutlich. Auch<br />

bei ihm selbst spricht der Blutritt<br />

Herz und Sinne an: „Das Blut des<br />

Herrn zu berühren ist nicht nur eine<br />

Ehre“, sagt Woelki. „Das berührt bis<br />

ins tiefste Innere hinein.“<br />

Rückblende: Am Vorabend hält<br />

der Kardinal in der Basilika die<br />

Festpredigt. Er macht deutlich:<br />

Die Verehrung der Reliquie ist ein<br />

alter, ein ehrwürdiger Brauch. Die

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