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MENSCHEN 18./19. Mai 2013 / Nr. 20<br />

KINDER MIT GROSSEM POTENTIAL<br />

Zur Themenseite „Trisonomie 21“ (Down-Syndrom) des Bayerischen Rundfunks:<br />

Andere sollen Mut bekommen<br />

Erfülltes Leben trotz Down-Syndroms: Riana arbeitet im Kloster und tanzt begeistert<br />

TRIER – Hostien sortieren, Kartoffeln<br />

schälen, Tische decken:<br />

Riana Schüßler hilft im Kloster<br />

Bethanien in Trier, wo sie kann<br />

und wo sie soll. Ist dies eine große<br />

Nachricht wert? Und ob. Denn<br />

die 20-Jährige hat das Down-<br />

Syndrom. Bei den Benediktinerinnen<br />

hat sie eine Arbeitsstelle<br />

gefunden. Mehr noch: Sie fühlt<br />

sich wohl, integriert.<br />

Wer Riana Schüßler je hat tanzen<br />

sehen, kann sich der Faszination<br />

kaum entziehen: Sobald Musik<br />

erklingt, gibt es für die junge Frau<br />

kein Halten mehr. Zu jedem Ton<br />

ein neues Muskelspiel. Feine, fließende<br />

Bewegungen wechseln mit<br />

ausladenden, großen Gesten. „Ich<br />

singe zu Hause immer alle Lieder<br />

mit. Ich liebe Musik. Die geht<br />

mir ins Blut, sofort. Ich spüre den<br />

Rhythmus, und dann tanze ich!“<br />

Präzise beschreibt die 20-Jährige,<br />

die das Down-Syndrom hat, was in<br />

ihr vorgeht und was die Quelle ihrer<br />

tänzerischen Ausdruckskraft ist.<br />

Große Auftritte<br />

Einmal in der Woche trainiert<br />

Riana in einer integrativen Tanzgruppe.<br />

Auch große Auftritte hatte<br />

die junge Frau schon. Zum Beispiel<br />

im Mai 2012 während der Heilig-<br />

Rock-Wallfahrt. An der Seite des<br />

Tänzers und Regisseurs Reveriano<br />

Camil verkörperte sie in dem Tanzstück<br />

„Der Rock“ den Schutzengel.<br />

„Ein künstlerisch wertvoller Beitrag<br />

zur Wallfahrt“, lautete die Bewertung.<br />

Rianas Eltern ist es wichtig,<br />

dass ihre Tochter eine<br />

Chance bekommt,<br />

im „normalen“ Berufsleben<br />

Fuß zu<br />

fassen;<br />

dass<br />

sie<br />

Riana wirkte im Tanzstück „Der Rock“ mit, das während der Heilig-Rock-Wallfahrt 2012 in Trier aufgeführt wurde. Sie verkörperte<br />

die Rolle des Schutzengels.<br />

Fotos: Zeljko Jakobovac<br />

etwas lernt und gut gefördert wird.<br />

Behindert? Riana mag diesen Begriff<br />

überhaupt nicht. „Ich bin anders“,<br />

sagt sie. „Ich lerne langsamer.“<br />

Langsam, aber stetig hat sie sich<br />

weiterentwickelt und viel gelernt.<br />

Obwohl sie vieles kann und vieles<br />

weiß, ist es für Riana nicht leicht,<br />

den beruflichen Alltag zu meistern.<br />

Vor allem, wenn es laut, hektisch,<br />

stressig zugeht, ist die junge<br />

Frau schnell überfordert und<br />

hat Angst. „Manchmal stand<br />

ich im Weg, dann hat man<br />

mit mir gemeckert“, erinnert<br />

sich Riana. Sie habe<br />

dann „Sachen gemacht,<br />

die nicht in Ordnung<br />

waren“ und „Phantasiegeschichten<br />

erzählt“,<br />

berichtet sie.<br />

Warum? „Ich habe<br />

Zwei, die sich mögen:<br />

Riana (links) und Priorin<br />

Mirijam Schaeidt.<br />

aus Notwehr gehandelt“, bringt sie<br />

ihre Überforderung auf den Punkt.<br />

Licht am Ende des Tunnels gab es<br />

durch die Verbindung zum Kloster<br />

in Trier. Seit dem 3. Januar 2012<br />

arbeitet Riana nun schon dort. Die<br />

ruhige Atmosphäre, die vertrauten<br />

Gesichter – in dieser Welt kann<br />

sie sich viel besser zurechtfinden.<br />

Riana Schüßler hat jetzt eine feste<br />

Anstellung mit einem „richtigen<br />

Vertrag“. Ihr Arbeitsplatz wird über<br />

das „Persönliche Budget für Arbeit“,<br />

woran Landkreis und Land beteiligt<br />

sind, mitfinanziert, was für den öffentlichen<br />

Träger in der Regel günstiger<br />

ist als die Finanzierung eines<br />

Werkstattplatzes. Pro Tag sind es<br />

fünf Stunden, die Riana im Kloster<br />

arbeitet. „Anfangs hat sie in der Hostienbäckerei<br />

assistiert, jetzt hilft sie<br />

in der Küche oder im Refektorium“,<br />

sagt die Priorin des Klosters Bethanien,<br />

Mirijam Schaeidt.<br />

Rianas Eltern, Hiltraut und Werner<br />

Schüßler, ist es ein Anliegen, auf Riana<br />

und ihre positive Entwicklung auf-<br />

merksam zu machen. Sie wollen so<br />

andere Eltern ermutigen, ein behindertes<br />

Kind anzunehmen. Werner<br />

Schüßler, der Professor für Philosophie<br />

an der Theologischen Fakultät<br />

Trier ist, meint: „Besonders Eltern, die<br />

ein Kind mit Down-Syndrom haben,<br />

soll aufgezeigt werden, was für ein Potential<br />

diese Kinder haben. Sowohl<br />

diese Kinder als auch ihre Eltern<br />

können ein erfülltes Leben führen.“<br />

Eine andere Perspektive<br />

Dass das Kloster ein gutes Werk<br />

tut, Riana zu beschäftigen und zu<br />

integrieren, will Priorin Mirijam so<br />

nicht stehen lassen: „Sie schenkt uns<br />

auch viel durch ihr Dasein.“ Wo<br />

Menschen zusammen leben, bilden<br />

sich im Laufe der Jahre ganz bestimmte<br />

Denkbahnen, die man<br />

kaum mehr hinterfragt. „Und dann<br />

kommt so ein Mensch und bringt<br />

etwas Neues hinein. Sie lehrt uns,<br />

Dinge aus einer anderen Perspektive<br />

zu sehen.“ Ingrid Fusenig

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