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DIE WOCHE 18./19. Mai 2013 / Nr. 20<br />
Vor 200 Jahren<br />
Umstrittener Klangmagier<br />
Auch heute fasziniert die Musik von Richard Wagner<br />
Der Komponist und sein Bewunderer:<br />
Richard Wagner mit König Ludwig<br />
II. (links).<br />
Foto: Keystone<br />
Er schuf das sphärische Streicherpianissimo<br />
im Vorspiel zu „Lohengrin“<br />
und die wuchtige Ouvertüre<br />
der „Meistersinger“, er ließ zu<br />
Beginn des „Rings“ klangmalerisch<br />
die Wogen des Rheins über<br />
die Bühne fließen und untermalte<br />
den Walkürenritt mit Bläserschall:<br />
Richard Wagner schuf Musik von<br />
hypnotisierender Schönheit und<br />
monumentaler Wucht, gleichzeitig<br />
so revolutionär, dass sie ihrer<br />
Zeit vorauseilte. Doch es bleibt die<br />
Diskrepanz zwischen dem künstlerischen<br />
Genius und dem Menschen<br />
mit seinen Charakterdefiziten.<br />
Hätte der Maestro an jenem Tag nicht<br />
verschlafen, wäre die Musikgeschichte<br />
anders verlaufen: Während der Revolution<br />
rebellierte der damalige königlich-sächsische<br />
Hofkapellmeister<br />
Wagner 1849 gegen seinen Dienstherrn<br />
und wurde nur deshalb nicht<br />
mit weiteren Anarchisten verhaftet,<br />
weil er das konspirative Treffen verpasste.<br />
Per Steckbrief gesucht entfloh<br />
Wagner in die Schweiz – nur eine kleine<br />
Episode aus einer Lebensgeschichte,<br />
die selbst einer fulminanten Oper<br />
gleicht.<br />
Am 22. Mai 1813 wurde Wagner in<br />
Leipzig geboren. Nach dem frühen<br />
Tod des Vaters heiratete die Mutter<br />
den Schauspieler und Dichter Ludwig<br />
Geyer. Die Familie zog nach Dresden.<br />
Neben Geyers Theaterleben prägten<br />
zwei musikalische Revolutionäre den<br />
Jungen: Ludwig van Beethoven und<br />
Geyers Freund Carl Maria von Weber,<br />
der mit dem „Freischütz“ die Opernwelt<br />
auf den Kopf stellte. Ungeachtet<br />
seines Talents gehörte Wagner nicht<br />
zum Musikestablishment und musste<br />
auf Erfolge warten, stets in Geldnot.<br />
Die Gläubiger waren ihm oft auf den<br />
Fersen, etwa 1839, als er mit seiner<br />
ersten Frau Minna Planer aus Riga auf<br />
einem Segler nach London floh und<br />
beinahe Schiffbruch erlitt – jene Erfahrung<br />
verarbeitete er dann in seinem<br />
„Fliegenden Holländer“. Für seinen<br />
„Lohengrin“ und „Tristan und Isolde“<br />
schuf Wagner betörend eingängige<br />
Melodien. Doch nur Experten vermögen<br />
die wahre Komplexität seiner<br />
Gesamtkunstwerke zu durchschauen,<br />
codiert in der Sprache der Leitmotive.<br />
Bei Wagner sind Musik, Dichtung und<br />
Symbolik untrennbar miteinander verwoben;<br />
er brauchte keine Librettisten<br />
oder Intendanten, sondern war alles<br />
in einer Person.<br />
Der Durchbruch kam 1842: Sein<br />
„Rienzi“ wurde in Dresden bejubelt.<br />
Bis zum Exil hatte er am Hof sein Auskommen.<br />
Als am 28. August 1850, an<br />
Goethes Geburtstag, sein „Lohengrin“<br />
in Weimar zur Aufführung kam, stand<br />
nicht der polizeilich gesuchte Komponist<br />
am Pult, sondern sein Freund<br />
Franz Liszt.<br />
Aus Schulden gerettet<br />
Fortan schlug er sich auf die Seite der<br />
Mächtigen und Reichen. 1864 wurde<br />
der erneut Hochverschuldete von seinem<br />
größten Bewunderer gerettet.<br />
König Ludwig II. wurde zu seinem Mäzen.<br />
Wagner konnte so sein 16-stündiges<br />
Hauptwerk vollenden: den vierteiligen<br />
„Ring der Nibelungen“, eine<br />
in Mythensprache geschriebene Parabel<br />
über das Zerstörungspotential von<br />
Macht und den Fluch der Gier – eine<br />
Art Kapitalismuskritik. Mit dem „Ring“<br />
wurden 1876 die ersten Bayreuther<br />
Festspiele eröffnet.<br />
Wagners charakterliche Abgründe<br />
verführen aber zu der Frage, womit<br />
er sich diese Begabung und diese<br />
Glückssträhnen eigentlich verdient<br />
hat. Man kannte ihn als rücksichtslosen<br />
Opportunisten und Heuchler,<br />
nicht zu vergessen sein hasserfüllter<br />
Antisemitismus mit verhängnisvollen<br />
Nachwirkungen. Dieser hatte wohl<br />
auch seinen Grund im Neid auf Konkurrenten<br />
wie Felix Mendelssohn<br />
Bartholdy und den führenden Pariser<br />
Opernkomponisten Giacomo Meyerbeer.<br />
Am 13. Februar 1883 erlag Wagner<br />
in einem Palazzo in Venedig einer<br />
Herzattacke. Michael Schmid<br />
Historisches & Namen der Woche<br />
19. Mai<br />
Cölestin V., Ivo, Kuno von Regensburg,<br />
Dunstan, Verena Bernarda<br />
Bütler<br />
Vor 20 Jahren wurde Heide Simonis<br />
(SPD) zur Nachfolgerin des am<br />
3. Mai 1993 zurückgetretenen Ministerpräsidenten<br />
Björn Engholm<br />
von Schleswig-Holstein gewählt. Sie<br />
war die erste Regierungschefin eines<br />
deutschen Bundeslandes.<br />
20. Mai<br />
Bernhardin, Bartholomäus Holzhauser,<br />
Johann Michael Sailer, Elfriede<br />
Der Grundstein zur Staatsoper Wien<br />
wurde vor 150 Jahren gelegt: am<br />
20. Mai 1863. Sechs Jahre später,<br />
1869, sollte sie mit der Aufführung<br />
von Mozarts Don Giovanni eröffnet<br />
werden.<br />
21. Mai<br />
Hermann Joseph, Konstantin der<br />
Große, Theobald, Wiltrud<br />
625 Jahre sind vergangen, seit die<br />
Universität Köln gegründet wurde.<br />
Sie war eine der ersten Universitäten,<br />
die im ausgehenden Mittelalter<br />
in Mitteleuropa gegründet wurden.<br />
22. Mai<br />
Rita von Cascia, Renata von Bayern,<br />
Julia, Humilitas, Ämilius, Romuald<br />
70 Jahre alt wird die Friedensnobelpreisträgerin<br />
Betty Williams (Foto<br />
unten). Die Friedensaktivistin erhielt<br />
den Nobelpreis 1976 im Jahr<br />
darauf gemeinsam mit Mairead Corrigan,<br />
für die Gründung der „Community<br />
of Peace People“, die sich für<br />
Frieden im Nordirlandkonflikt zwischen<br />
Katholiken und Protestanten<br />
einsetzten.<br />
23. Mai<br />
Bartholomäus, Desiderius, Johannes<br />
Baptista de Rossi<br />
Ferdinand Lassalle<br />
und zwölf Delegier<br />
te gründeten<br />
am 23. Mai 1863<br />
in Leipzig den „Allgemeinen<br />
Deutschen<br />
Arbeiterverein“<br />
(ADAV), einen<br />
Vorläufer der SPD. Lassalle<br />
wurde für fünf Jahre zum Präsidenten<br />
der Vereinigung gewählt.<br />
24. Mai<br />
Esther, Dagmar, Magdalena Sophie<br />
Barat, Franz Pfanner<br />
Der deutsche Sportfunktionär Willi<br />
Daume wurde vor 100 Jahren in<br />
Hückeswagen im Rheinland geboren<br />
(†1996). Er war Präsident des<br />
Deutschen Sportbundes und des<br />
Nationalen Olympischen Komitees.<br />
25. Mai<br />
Gregor VII., Beda, Heribert, Urban I.,<br />
Maria Magdalena Pazzi<br />
Vor 100 Jahren nahm sich Oberst<br />
Alfred Redl, Generalstabschef des<br />
Prager Korps in der österreichischungarischen<br />
Armee, das Leben. Ab<br />
1901 hatte er geheime militärische<br />
Pläne an Russland, Frankreich und<br />
Italien weitergegeben.<br />
Zusammengestellt von Agnes Neumann;<br />
Foto: KNA<br />
Betty Williams (links) und Mairead Corrigan erhielten den Friedensnobelpreis<br />
1976. Williams wurde am 22. Mai vor 70 Jahren in Belfast geboren. Foto: KNA<br />
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