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74 Recht_Personalabbau<br />
Mitbestimmung<br />
Betriebsverfassungsrechtliche Relevanz<br />
Nicht selten wird über <strong>de</strong>n Einsatz von Leiharbeitnehmern auch mit <strong>de</strong>m Betriebsrat<br />
gestritten. Für diesen bestehen zwar diverse Informations- und Wi<strong>de</strong>rspruchsrechte,<br />
jedoch keine echten erzwingbaren Mitbestimmungsrechte.<br />
Der Betriebsrat kann und wird sich angesichts <strong>de</strong>r umstrittenen Rechtslage oft auf <strong>de</strong>n<br />
Standpunkt stellen, dass ein mit einem Leiharbeitnehmer besetzter Arbeitsplatz „frei“ im<br />
Sinne <strong>de</strong>s § 1 Abs. 2 KSchG ist.<br />
Mitbestimmung bei Kündigungen § 102 BetrVG<br />
In diesem Fall wird <strong>de</strong>r Betriebsrat einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG<br />
wi<strong>de</strong>rsprechen. Das hat zur Konsequenz, dass <strong>de</strong>r Gekündigte im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses<br />
for<strong>de</strong>rn kann, bis zum rechtskräftigen Abschluss <strong>de</strong>s Prozesses<br />
vorläufig weiterbeschäftigt zu wer<strong>de</strong>n (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Dagegen kann <strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
mittels einstweiliger Verfügung nach § 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG vorgehen. Die Frage,<br />
ob <strong>de</strong>r Betriebsrat <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „freien“ Arbeitsplatzes richtig bewertet hat, spielt hier<br />
jedoch nur dann eine Rolle, wenn die Ansicht <strong>de</strong>s Betriebsrats „offensichtlich unbegrün<strong>de</strong>t“<br />
wäre, wovon man angesichts <strong>de</strong>s Meinungsstreits in diesem Fall nicht ausgehen<br />
kann. Ob <strong>de</strong>r Betriebsrat <strong>de</strong>r Kündigung zu Recht wi<strong>de</strong>rsprochen hat, kann daher nicht im<br />
Streit mit <strong>de</strong>m Betriebsrat ausgefochten wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn wird sich allenfalls im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s Kündigungsschutzverfahrens als Argument <strong>de</strong>s Klägers wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n.<br />
Mitbestimmung beim Einsatz von Leiharbeitnehmern § 99 BetrVG<br />
Die Bewertung von Leiharbeitnehmerstellen als freie Arbeitsplätze im Sinne <strong>de</strong>s § 1 Abs.<br />
2 KSchG ist, auch im Hinblick auf anstehen<strong>de</strong> Personalabbaumaßnahmen, kein zulässiger<br />
Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG für die Einstellung von Leiharbeitnehmern.<br />
Der Betriebsrat kann mit seiner Zustimmungsverweigerung die Einstellung<br />
nicht blockieren, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Arbeitgeber kann trotz Wi<strong>de</strong>rspruch eine vorläufige Einstellung<br />
nach § 100 Abs. 1 BetrVG vornehmen und, an<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>r Kündigung, im Zustimmungsersetzungsverfahren<br />
direkt gegenüber <strong>de</strong>m Betriebsrat gerichtlich klären lassen,<br />
ob ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegt o<strong>de</strong>r nicht.<br />
Mitbestimmung nach § 92 BetrVG<br />
Auch § 92 BetrVG räumt <strong>de</strong>m Betriebsrat lediglich ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht<br />
bezüglich <strong>de</strong>r Personalplanung ein, jedoch kein echtes Mitbestimmungsrecht. Die<br />
Entscheidung <strong>de</strong>s Arbeitgebers, ob und welche Arbeitsplätze er mit Leiharbeitnehmern<br />
besetzen will, ist daher auch hier vom Betriebsrat nicht angreifbar.<br />
<strong>de</strong>n Abbau <strong>de</strong>r Leiharbeit die eigenen Arbeitnehmer<br />
<strong>de</strong>s Arbeitgebers, die sonst<br />
von einer Kündigung betroffen gewesen<br />
wären, nunmehr eine Än<strong>de</strong>rungskündigung<br />
erhalten müssen.<br />
Das Warten auf weitere Verfahren<br />
Letztlich hat die vorliegen<strong>de</strong> Entscheidung<br />
das Risiko <strong>de</strong>r Unwirksamkeit von<br />
betriebsbedingten Kündigungen gegenüber<br />
betriebseigenen Arbeitnehmern erhöht,<br />
wenn Leiharbeitnehmer dauerhaft<br />
eingesetzt wer<strong>de</strong>n. Es bleibt abzuwarten,<br />
ob das Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht in einer<br />
Fallkonstellation, in <strong>de</strong>r sich ein Arbeitgeber<br />
nachweisbar aufgrund einer ausdrücklichen<br />
Unternehmerentscheidung<br />
für <strong>de</strong>n dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern<br />
entschie<strong>de</strong>n hat, auch<br />
hier die freie Unternehmerentscheidung<br />
aushebeln und <strong>de</strong>n Arbeitgeber zum vorrangigen<br />
Einsatz eigener Arbeitnehmer<br />
verpflichten wür<strong>de</strong>. Aus Sicht <strong>de</strong>r Verfasser<br />
wür<strong>de</strong> eine solche BAG-Entscheidung<br />
<strong>de</strong>r grundgesetzlich geschützten freien<br />
Unternehmerentscheidung nicht ausreichend<br />
Rechnung tragen.<br />
Darauf sollten Sie aktuell achten<br />
Bis zum Vorliegen einer diesbezüglich<br />
ein<strong>de</strong>utigen BAG-Entscheidung verbleiben<br />
Arbeitgebern – je nach rechtlicher<br />
Risikobereitschaft – jedoch eine Reihe<br />
von Gestaltungsmöglichkeiten, die Personalabbaumaßnahme<br />
erfolgreich umzusetzen.<br />
• Abbau <strong>de</strong>r Leiharbeit vor Kündigung eigener<br />
Arbeitnehmer, gegebenenfalls auch<br />
kommunikativ in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit besser<br />
darstellbar<br />
• Vorübergehen<strong>de</strong>r Abbau von Leiharbeitnehmern,<br />
Personalreduktion von eigenen<br />
Arbeitnehmern und anschließen<strong>de</strong><br />
Aufstockung von Leiharbeitnehmern<br />
• Einsatz von Leiharbeitnehmern ausschließlich<br />
und nachweisbar zur Ab<strong>de</strong>ckung<br />
von Auftragsspitzen und<br />
Vertretungsbedarf<br />
• Personalabbau eigener Arbeitnehmer<br />
unter konsequenter Stützung auf<br />
eine nachweisbare konzeptionelle Unternehmerentscheidung<br />
bezüglich <strong>de</strong>s<br />
Leiharbeitnehmereinsatzes unter Inkaufnahme<br />
<strong>de</strong>s oben dargestellten rechtlichen<br />
Risikos bei <strong>de</strong>n betriebsbedingten<br />
Kündigungen und – sofern nicht eine<br />
adäquate gütliche Einigung mit <strong>de</strong>m eigenen<br />
Mitarbeiter bei Gericht erreicht<br />
wer<strong>de</strong>n kann – Durchfechtung einer<br />
Grundsatzentscheidung beim BAG, gegebenenfalls<br />
sogar beim Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht.<br />
Dr. Wolfgang Lipinski<br />
ist Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
bei Beiten Burkhardt in<br />
München.<br />
Anne PraSS ist Rechtsanwältin<br />
bei Beiten Burkhardt<br />
in München.<br />
Bei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.<strong>de</strong><br />
personalmagazin 12 / 12