Minderheitsbericht U-Kommission - Der Wiener Psychiatrieskandal
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ernsthaft diskutiert wird. Es wäre eine Pervertierung des Modells offene Psychiatrie, wenn es<br />
aus dem Nicht-Vorhanden-Sein von kleinen, geschlossenen Einheiten, zu vermehrt körpernahen<br />
Fixierungen und Netzbetten kommen muss. Die Zahlen für Wien geben leider Anlass zu dieser<br />
Annahme.<br />
Dem VertretungsNetz wurden für den Zeitraum 1.7.2007- 31.12.2007 für alle österreichischen<br />
Bundesländer (bis auf Vorarlberg) folgende Zahlen gemeldet:<br />
- Österreich (außer Vorarlberg): Bei 39 % der Unterbringungen kam es zumindest einmal zu<br />
einer weitergehenden Beschränkung der Bewegungsfreiheit gem. § 33 UbG.<br />
- Wien: Im selben Zeitraum kam es in Wien bei 72 % der Unterbringungen zumindest einmal<br />
zu einer weitergehenden Beschränkung der Bewegungsfreiheit gem. § 33 UbG.<br />
Das heißt, in Wien kam es fast doppelt so häufig zur Anwendung von weitergehenden Beschränkungen<br />
(Fixierungen, Netzbett) während der Unterbringung nach dem UbG als in den übrigen<br />
Bundesländern. Im OWS wurde auf diese kritischen Zahlen reagiert, jedoch nicht durch eine<br />
Verbesserung der Situation sondern durch eine ungesetzliche „Verschönerung“ der Daten:<br />
PatientInnenanwältin Kaufmann vom VertretungsNetz (31.10.08) „Diesbezüglich hat sich aus<br />
unserer Sicht leider einiges verschlechtert in diesem Jahr. Nämlich, wir haben bis Anfang 2008<br />
oder eigentlich bis in die ersten Monate 2008 immer alle Bewegungsbeschränkungen gemeldet<br />
bekommen. Jetzt bekommen wir von einigen Abteilungen plötzlich nur mehr die allererste Bewegungsbeschränkung<br />
gemeldet.“...<br />
„Unserer Meinung nach wäre es notwendig, dass uns jede Beschränkung gemeldet wird, damit<br />
wir die Möglichkeit haben - es ist auch vom Gesetz her so vorgesehen – Bewegungsbeschränkungen<br />
nachzugehen, sie zu überprüfen.“<br />
Die positiven Auswirklungen der offenen Psychiatrie können für die PatientInnen nur zum Tragen<br />
kommen, wenn genügend Personal vorhanden ist, ansonsten bezahlen die PatientInnen, durch<br />
die zu häufige Anwendung von weitergehenden Beschränkungen, die Rechnung des Personalmangels:<br />
Kaufmann (31.10.08, S. 12) „Also, das war eben vor vielen Jahren eine Grundsatzentscheidung,<br />
in Wien alle psychiatrischen Abteilungen offen zu führen und ich glaube, dass das für die Qualität<br />
der psychiatrischen Versorgung auch ein wirklich wichtiger Schritt war. Gleichzeitig muss man,<br />
glaube ich, aber auch sehen, dass eine offene Psychiatrie mit Sicherheit eine personalintensivere<br />
Psychiatrie ist. Und dieser Schritt wurde, glaube ich, nicht durchgehend mitgegangen und das ist,<br />
glaube ich, auch eines der Probleme in Wien.“<br />
In den nächsten Jahren werden in Wien psychiatrische Einrichtungen neu errichtet werden müssen,<br />
um endlich die vor 30 Jahren beschlossene Dezentralisierung in die Praxis umzusetzen. <strong>Der</strong><br />
Großteil der ExpertInnen hat sich dafür ausgesprochen, kleine geschlossene Unterbringungsbereiche<br />
zu schaffen. Es sollen keinesfalls alle nach UbG untergebrachten PatientInnen im geschlossen<br />
Bereich untergebracht sein. Kooperationsfähige PatientInnen sollen auch weiterhin in<br />
der offenen Psychiatrie betreut werden. Die geschlossenen Bereiche sollen lediglich ein Angebot<br />
im Sinne des „gelindesten Mittels“ für jene untergebrachten PatientInnen sein, denen damit das<br />
Netzbett oder/und die körpernahe Fixierung erspart werden kann, bzw. für jene, die die Unterbringung<br />
in einem geschlossenen Bereich wünschen.<br />
Entschieden entgegen getreten werden muss den „Maßnahmen“, die Primar David vom OWS an<br />
die Einrichtung eines geschlossenen Bereiches im OWS stellen würde:<br />
David (11.12.08, S. 39) „Nachdem das Zusperren eines Zimmers eine technisch relativ einfache<br />
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