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Minderheitsbericht U-Kommission - Der Wiener Psychiatrieskandal

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(Aufstockung der Betten im KH Rosenhügel und dem AKH) wurden erst nach Bekanntwerden der<br />

Missstände von der Stadträtin in Angriff genommen. Alle ExpertInnen und ZeugInnen sprechen<br />

von einer flächendeckenden Unterversorgung im stationären und im extramuralen Bereich. <strong>Der</strong><br />

Mangel ist allgegenwärtig. Lt. Herrn Prof. Popow (Zeugeneinvernahme vom 4.12.08) gibt es lediglich<br />

eine Kinder- und Jugendpsychiaterin mit Kassenvertrag für ganz Wien, der Bedarf von 180<br />

- 200 stationären und tagesklinischen Betten ist zu 30% qualitativ gut und nur zu 50% insgesamt<br />

gedeckt. Monatelange Wartezeiten auf ein stationäres Bett oder auf einen Ambulanztermin zur<br />

diagnostischen Abklärung und/oder auf den Beginn einer Therapie sind die Regel. Es gibt keine<br />

Langzeittherapieeinrichtung für besonders aggressive Kinder und Jugendliche in Wien. Kostenlose<br />

Ergotherapie steht kaum zur Verfügung. Jährlich bleiben 100 bis 150 Kinder mit Schulangst<br />

ohne Therapie und unbeschult zu Hause, weil die Wartezeit auf einen Therapieplatz 9 Monate bis<br />

1,5 Jahre beträgt.<br />

Besonders gravierend sei die Unterversorgung für autistische Kinder. Sie warten in der Regel 1<br />

Jahr auf ein Erstgespräch und ein weiteres Jahr dauert es, bis zumindest sporadische Therapiegespräche<br />

beginnen.<br />

Gerade bei psychiatrisch kranken und/oder in ihrer Entwicklung beeinträchtigten Kindern stellt die<br />

therapeutisch genutzte bzw. ungenutzte Zeit, den wesentlichen Faktor für den weiteren Krankheitsverlauf<br />

dar. Es ist bezeichnend, dass die Mehrheitsfraktion – die sich gerne mit den großen<br />

Verdiensten „ihres“ Julius Tandlers schmückt - in diesem Bereich seit Jahrzehnten eine extreme<br />

Mangelversorgung duldet.<br />

Friedrich (6.06.08, S. 7) „state of the art“ nein, weil da müssten wir zumindest die 3. Kinderpsychiatrie<br />

bekommen. (...) Wenn ich die Schweiz oder wenn ich Deutschland her nehme. Weit<br />

entfernt.“<br />

Die Erwachsenen-Psychiatrie – der ungeeignetste Ort für Kinder- und Jugendliche in<br />

Krisen.<br />

Die menschenunwürdigen Folgen des Mangels an kinderpsychiatrischen Betten haben die Kinder/Jugendlichen,<br />

deren Eltern und des am Bett tätige Personal zu ertragen. In den Jahren 2006<br />

und 2007 wurden pro Jahr rund 800 Kinder/Jugendliche auf den 2 kinderpsychiatrischen Abteilungen<br />

(KH Rosenhügel und AKH) aufgenommen. Zusätzlich mussten lt. Prof. Friedrich 150<br />

- 160 Jugendliche jedes Jahr in der Erwachsenenpsychiatrie im OWS und 20 – 30 Kinder in der<br />

Erwachsenenpsychiatrie im KFJ bzw. SMZ-Ost untergebracht werden.<br />

Prof. Popow beschreibt die inhumane Praxis, die dieser Mangel hervorbringt:<br />

„Aber wenn ich im Dienst ein 13-jähriges Mädchen habe, das stark suizidale oder starke suizidale<br />

Ideen hat, keine andere Lösungsmöglichkeit sieht, also unbedingt stationär aufgenommen<br />

werden muss, dann beginnt zunächst einmal ein Telefonieren zwischen den Institutionen und<br />

schließlich kann es sein, dass dieses Kind auf der Erwachsenenpsychiatrie am Steinhof, im Kaiser-Franz-Josef-Spital<br />

oder im SMZ Ost, auch die haben eine regionale Aufteilung, landet, was<br />

z.B. zu folgender Aussage führt: „Ja, ja, wir können sie schon nehmen, ich muss sie ja nehmen,<br />

wenn sie sagen, sie können sie im Kinder- und Jugendpsychiatriebereich nicht aufnehmen, aber<br />

ich habe einen Platz noch. Den kann sie haben. Da ist eine 80-jährige erethische Frau, die ins<br />

Bett macht und gelegentlich auch ins Zimmer, und eine 50-jährige manische Patientin und eine<br />

Patientin, die gestern in dieses Zimmer verlegt werden sollte, hat gesagt, sie bringt sich lieber um,<br />

bevor sie dorthin übersiedelt.“ – Das ist also ungefähr die Situation, wie sie immer wieder auftritt<br />

und wie sie nicht sein sollte.“ (4.12.08, S. 10)<br />

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