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Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...

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In Molkereien spielte die Kühlung mit Eis bis zur<br />

Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts e<strong>in</strong>e untergeordnete<br />

Rolle. Das Handbuch des gesammten landwirthschaftlichen<br />

Bauwesens berichtet 1853: „Das<br />

Molkenhaus muß e<strong>in</strong>e Milchkammer oder e<strong>in</strong>en<br />

Milchkeller, ferner Butterkeller, Käsestube <strong>und</strong><br />

Molkenküche enthalten. Die gewonnene Milch,<br />

welche sofort nach dem Melken aus dem Stalle<br />

entfernt wird, damit sie nicht den Geruch desselben<br />

annehme, wird zum Ausrahmen nach e<strong>in</strong>em<br />

besonderen, im Sommer kühlen, im W<strong>in</strong>ter warmen<br />

Lokale, der Milchkammer oder dem Milchkeller<br />

getragen. Im Sommer erkaltet die Milch sehr<br />

langsam, man kühlt daher, um die Temperatur der<br />

Milchkammer, welche erfahrungsgemäß 10 ºR bis<br />

12 ºR. [12,5 bis 15 ºC] nicht übersteigen darf, nicht<br />

ungebührlich zu erhöhen, die Milch durch<br />

E<strong>in</strong>stellen der verz<strong>in</strong>nten, kupfernen oder<br />

mess<strong>in</strong>genen Milchgefäße <strong>in</strong> kaltes Wasser ab.“<br />

Zum Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>ert stieg der Bedarf an<br />

Kühlleistung, spätestens mit der E<strong>in</strong>führung der<br />

Pasteurisierung nach 1900, da die Milch zunächst<br />

für wenige Sek<strong>und</strong>en auf über 70 ºC erhitzt <strong>und</strong><br />

anschließend möglichst schnell wieder gekühlt<br />

werden muss. Größere Molkereien konnten<br />

Kühlmasch<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>setzen, bei kle<strong>in</strong>eren Molkereien<br />

genügte anfangs noch Eiskühlung (Abb. 15 <strong>und</strong><br />

Abb. 112). Entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Entwicklung der Berl<strong>in</strong>er Molkereien hatte Carl<br />

Bolle. Er war e<strong>in</strong> vielseitiger Unternehmer <strong>und</strong><br />

zunächst im Adressbuch als Maurermeister<br />

aufgeführt. In den 1860er Jahren gründete er die<br />

Norddeutschen <strong>Eiswerke</strong>, die <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Natureis,<br />

Eisschränke sowie anfangs auch Fische verkauften.<br />

1881 entstand die „Prov<strong>in</strong>cial-Meierei C. Bolle“,<br />

die sich später zur größten Berl<strong>in</strong>er Molkerei<br />

entwickelte. Bolle bezog die Milch teilweise aus<br />

dem Berl<strong>in</strong>er Umland <strong>und</strong> transportierte sie mit der<br />

Eisenbahn nach Berl<strong>in</strong>. Die Milch wurde mit<br />

Pferdegespannen, den so genannten Bollewagen, im<br />

gesamten Stadtgebiet ausgeliefert.<br />

In den Anatomischen Instituten der Universitäten<br />

wurden zur Ausbildung der Studenten menschliche<br />

Leichen <strong>und</strong> Tierkadaver benötigt, für die e<strong>in</strong>e<br />

geeignete Lagerung notwendig war. Das Handbuch<br />

der Architektur berichtet 1884: „Diese Räume<br />

liegen vortheilhaft im Sockelgeschoss im Anschluss<br />

an den Leichenkeller <strong>und</strong> dessen Nebenräume. Der<br />

Leichenkeller soll den grössten Theil des zur<br />

Verarbeitung <strong>in</strong> den Präparir-Sälen <strong>und</strong> zur<br />

Anfertigung von Sammlungs-Präparaten<br />

bestimmten Rohmaterials aufnehmen. Während der<br />

Zeit zwischen den Präparir-Uebungen werden auch<br />

die unfertigen Arbeiten der Praktikanten im<br />

Leichenkeller untergebracht. Die Aufgabe des<br />

Architekten besteht hiernach dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en Raum zu<br />

schaffen, welcher der fortschreitenden Verwesung<br />

der Leichen möglichst wenig Vorschub leistet. In<br />

den meisten Fällen hat man sich damit begnügt,<br />

gewölbte Keller mit Luft-Isolirschicht <strong>in</strong> den bis<br />

zum Gewölbekämpfer mit Erde beschütteten<br />

Umfassungswänden anzulegen, deren wenige<br />

Fenster nach Norden gerichtet s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> mit<br />

hölzernen Läden verschlossen werden. Die Leichen<br />

werden auf Brettern r<strong>in</strong>gs an den Wänden direct auf<br />

den Ste<strong>in</strong>fussboden oder auf niedrigen Pritschen<br />

gelagert. Für gute Lüftung <strong>und</strong> grosse Re<strong>in</strong>lichkeit<br />

ist selbstverständlich zu sorgen.“ Zusätzliche<br />

<strong>Eiskeller</strong> konnten die Temperatur niedrig halten.<br />

Die Eiskühlung der Leichen war aber nicht ideal, da<br />

die dadurch bed<strong>in</strong>gte hohe Luftfeuchtigkeit <strong>in</strong> den<br />

Räumen e<strong>in</strong>e längere Lagerung unmöglich machte.<br />

Zudem war das Befüllen des <strong>Eiskeller</strong>s teuer, wenn<br />

die Gebäude mitten <strong>in</strong> der Stadt lagen <strong>und</strong> das Eis<br />

mit Fuhrwerken vom Eiswerk geholt werden<br />

musste. Daher stellte man die Konservierung auf<br />

chemische Mittel um, sofern es sich nicht um<br />

Beweismittel von Krim<strong>in</strong>alfällen aus der<br />

Gerichtsmediz<strong>in</strong> handelte.<br />

Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert war die Erdbestattung <strong>in</strong><br />

Deutschland die übliche Bestattungsmethode. Für<br />

die Aufbewahrung der Särge bis zur Beerdigung<br />

gab es auf den Friedhöfen Leichenhallen, die zum<br />

Beispiel im Untergeschoss der Friedhofskapellen<br />

errichtet wurden. Normalerweise reichten hier die<br />

normalen Kellertemperaturen aus, da die Lagerzeiten<br />

der Säge bis zur Beerdigung relativ kurz<br />

waren. In der heute noch vorhandenen Kapelle des<br />

Friedhofes II der Georgen-Parochial-Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong><br />

Prenzlauer Berg wurden dagegen an der Stirnseite<br />

zwei <strong>Eiskeller</strong> e<strong>in</strong>gerichtet, die zusammen mit zwei<br />

Gängen für die kühle Luft die Leichenkammer von<br />

drei Seiten umgaben. Dieses Gebäude wurde <strong>in</strong> der<br />

Zeitschrift für Bauwesen 1870 ausführlich<br />

beschrieben.<br />

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