Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...
Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...
Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Neben den Brauereistandorten gab es so genannte<br />
Niederlagen <strong>in</strong> den Berl<strong>in</strong>er Außenbezirken, die als<br />
Versandlager genutzt wurden. Die am Müggelsee<br />
gelegene Berl<strong>in</strong>er Bürgerbräu besaß 1926<br />
Niederlagen <strong>in</strong> Spandau, Waidmannslust, Lankwitz<br />
<strong>und</strong> Stralau. Die Schultheiss-Brauerei verfügte über<br />
derartige Zweigstellen auch im Umland, unter<br />
anderem <strong>in</strong> Angermünde, Frankfurt (Oder),<br />
Gransee, Jüterbog, Luckau, Lübben <strong>und</strong> Neurupp<strong>in</strong>,<br />
sowie <strong>in</strong> Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt. Von den<br />
Niederlagen wurde der Transport zu den K<strong>und</strong>en<br />
organisiert. Auf den Gr<strong>und</strong>stücken befanden sich<br />
Pferdeställe, Abstellplätze für die Fuhrwerke, kle<strong>in</strong>e<br />
Werkstätten <strong>und</strong> gekühlte Lagerräume für das Bier.<br />
E<strong>in</strong>ige Niederlagen waren vormals eigenständige<br />
Brauereien, die aufgekauft wurden. Im Umland<br />
hatten viele Niederlagen e<strong>in</strong>en Eisenbahnanschluss<br />
oder lagen direkt am Bahnhof. Für den Transport<br />
von den Brauereien zu den Niederlagen besaßen<br />
unter anderem Schultheiss <strong>und</strong> Patzenhofer eigene<br />
Güterwagen. Erste Eisenbahn-Bierwagen mit<br />
Eiskühlung wurden <strong>in</strong> der Mitte des<br />
19. Jahrh<strong>und</strong>erts entwickelt. E<strong>in</strong>e österreichische<br />
Brauerei bei Wien wollte Bier im Sommer zur<br />
Weltausstellung 1868 nach Paris versenden. Dazu<br />
gab es im Wagen zwei Eisbehälter, die unter der<br />
Decke aufgehangen wurden. Die Wände <strong>und</strong> Türen<br />
bestanden aus doppelten Holzwänden mit<br />
dazwischenliegender Häcksel- <strong>und</strong> Strohfüllung.<br />
.<br />
Die weitere Entwicklung der Berl<strong>in</strong>er Brauereien<br />
ab 1914 war durch die schwierigen politischen<br />
Umstände bee<strong>in</strong>flusst. Mit Ausbruch des Ersten<br />
Weltkrieges erfolgte die E<strong>in</strong>berufung vieler<br />
Mitarbeiter zum Militär <strong>und</strong> die Abgabe von<br />
Pferden, Fuhrwerken <strong>und</strong> den wenigen vorhandenen<br />
Kraftfahrzeugen. Infolge der Nahrungsmittelverknappung<br />
wurde ab 1915 Malz kont<strong>in</strong>gentiert,<br />
später auch die Gerste. Dadurch musste der<br />
Stammwürzegehalt des Bieres erheblich gesenkt<br />
werden. Die nachfolgenden Zeiten brachten für<br />
viele Brauereien das endgültige Aus. Konkurrenten<br />
wurden aufgekauft, bloß um sie anschließend<br />
stillzulegen <strong>und</strong> deren Kont<strong>in</strong>gente für den eigenen<br />
Betrieb zu nutzen. Beispiele hierfür s<strong>in</strong>d die<br />
Übernahme der Königstadtbrauerei durch K<strong>in</strong>dl<br />
oder die Pfefferberg-Brauerei durch Schultheiss.<br />
1921 erfolgte die Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung<br />
der Gerste sowie die Erlaubnis,<br />
wieder e<strong>in</strong> stärker e<strong>in</strong>gebrautes Bier herzustellen.<br />
Erst ab Mitte der 1920er Jahre begann e<strong>in</strong>e<br />
wirtschaftliche Erholung <strong>in</strong> der Brauwirtschaft. Die<br />
K<strong>in</strong>dl-Brauerei zum Beispiel modernisierte ihre<br />
Standorte umfassend. 1926 wurde das neue Sudhaus<br />
<strong>in</strong> Neukölln <strong>in</strong> Betrieb genommen, 1929 erhielt die<br />
Abteilung III <strong>in</strong> Weißensee e<strong>in</strong> neues Verwaltungsgebäude.<br />
Die Abteilung II <strong>in</strong> Potsdam, die von 1917<br />
bis 1922 außer Betrieb gewesen war, erhielt e<strong>in</strong><br />
neues Sudhaus, <strong>und</strong> auch die anderen Anlagen<br />
wurden ausgetauscht. Auch andere Brauereien<br />
renovierten ihre Betriebe.<br />
Im Zweiten Weltkrieg wurden mehrere<br />
Brauereikeller als Luftschutzräume ausgebaut.<br />
Deren Reste, wie Türen, Beschriftungen oder<br />
Leuchtfarbe, s<strong>in</strong>d zum Beispiel noch <strong>in</strong> der Bötzow-<br />
Brauerei <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Brauerei Schneider vorhanden.<br />
Die Keller der Abteilung I der Schultheiss-Brauerei<br />
(heutige Kulturbrauerei) <strong>und</strong> der Königstadt-<br />
Brauerei wurden damals für die Rüstungs<strong>in</strong>dustrie<br />
genutzt. Durch Bombenangriffe wurden viele<br />
Gebäude zerstört. In der Nachkriegszeit wurde die<br />
beg<strong>in</strong>nende Teilung der Stadt schnell spürbar.<br />
Brauereien im Ostteil mit Betriebsteilen im Westen<br />
verlegten – wenn möglich – ihren Firmensitz<br />
dorth<strong>in</strong>, um e<strong>in</strong>er Enteignung zu entgehen. Die<br />
enteigneten Brauereien im Osten wurden später als<br />
Volkseigener Betrieb (VEB) betrieben <strong>und</strong> zuletzt<br />
unter dem Namen VEB Getränkekomb<strong>in</strong>at Berl<strong>in</strong><br />
geführt. E<strong>in</strong>ige Betriebsteile wurden stillgelegt, wie<br />
die ehemalige Schultheiss-Brauerei Abteilung I <strong>in</strong><br />
den 1970er Jahren. Auch im Westen gab es e<strong>in</strong>e<br />
weitere Konzentration. Durch die Übernahme<br />
anderer Brauereien, wie beispielsweise Berl<strong>in</strong>er<br />
Schloßbräu <strong>in</strong> Schöneberg 1974 durch K<strong>in</strong>dl,<br />
blieben 1989 nur noch die Brauereien Schultheiss,<br />
Engelhardt <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dl übrig.<br />
Nach dem Fall der Mauer 1989 begann die letzte<br />
Stilllegungswelle bei den Berl<strong>in</strong>er Brauereien. Bis<br />
auf die Berl<strong>in</strong>er-K<strong>in</strong>dl-Schultheiss-Brauerei <strong>in</strong><br />
Weißensee wurden alle Brauereistandorte<br />
stillgelegt, zuletzt Schultheiss <strong>in</strong> Spandau (1992),<br />
Schultheiss <strong>in</strong> Kreuzberg (1993), Engelhardt <strong>in</strong><br />
Charlottenburg (1998), K<strong>in</strong>dl <strong>in</strong> Neukölln (2005)<br />
<strong>und</strong> die Berl<strong>in</strong>er Bürgerbräu <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-<br />
Friedrichshagen (2010). Viele Keller stehen seitdem<br />
leer, sofern sie <strong>in</strong>zwischen nicht abgerissen wurden.<br />
22