Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...
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Die W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> Deutschland waren normalerweise<br />
kalt genug für die Gew<strong>in</strong>nung von Natureis. Es gab<br />
allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>ige Jahre, <strong>in</strong> denen das Eis aus dem<br />
Ausland e<strong>in</strong>geführt wurde. Bereits 1869 wird <strong>in</strong> der<br />
Neuen Augsburger Zeitung über die E<strong>in</strong>fuhr von<br />
Eis nach Deutschland berichtet: „Die vor etwa<br />
zwanzig Jahren gegründete Compagnie des<br />
Wenham-Sees existiert noch bis zur heutigen<br />
St<strong>und</strong>e, nur hat sie das Feld ihrer Ausbeute aus<br />
Nordamerika nach Norwegen verlegt, wo e<strong>in</strong> Fjord<br />
e<strong>in</strong>ige Meilen von der kle<strong>in</strong>en Stadt Drobak Eis<br />
liefern muss. Das dort gewonnene Eis ist von e<strong>in</strong>er<br />
ausnahmsweisen Re<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Durchsichtigkeit,<br />
<strong>und</strong> wird nach England transportiert, von wo es<br />
se<strong>in</strong>en Weg nach vielen Ländern nimmt. In jüngster<br />
Zeit geht schon viel norwegisches Eis direkt nach<br />
Deutschland. Die Ausfuhr des norwegischen Eises<br />
wird für das Jahr 1865 auf 44.823 Tonnen<br />
geschätzt, wovon 43.359 durch obige Gesellschaft<br />
abgesetzt wurden.“ Norwegen hatte ideale<br />
Voraussetzungen für die Erzeugung von Natureis:<br />
Die Gebirgsseen haben e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>wandfreie<br />
Tr<strong>in</strong>kwasserqualität, der W<strong>in</strong>ter ist kalt genug, <strong>und</strong><br />
die Entfernung von den Seen zur Küste ist sehr<br />
kurz. Oslo, Kragerø, Drøbak <strong>und</strong> Brevik waren die<br />
Hauptstandorte des norwegischen Eisexportes.<br />
Die Zeitschrift für die gesamte Kälte-Industrie<br />
berichtet 1898: „Deutschlands Eisbezug aus dem<br />
Auslande im ersten Halbjahre 1898 belief sich nach<br />
den amtlichen monatlichen Ausweisen auf 2,9 Mio.<br />
Doppelzentner im Werte von 3,8 Mio. Mark,<br />
während er <strong>in</strong> der ersten Hälfte des vorigen Jahres<br />
nur 89.000 Doppelzentner im Werte von 118.000<br />
Mark betragen hatte, also nur den 32. Teil. Von<br />
dem <strong>in</strong> der ersten Hälfte des laufenden Jahres <strong>in</strong><br />
das deutsche Zollgebiet e<strong>in</strong>geführten Eises kamen:<br />
aus Norwegen 2,2 Mio. Doppelzentner. […] Alle<strong>in</strong><br />
drei Viertel der e<strong>in</strong>geführten Eismengen wurden<br />
aus Norwegen bezogen, über 11% derselben aus<br />
Österreich-Ungarn, annähernd 10% aus Russland,<br />
aus allen übrigen Ländern zusammen nur 3%. Die<br />
bisher größte Jahrese<strong>in</strong>fuhr von Eis, diejenige im<br />
Jahre 1884, welche 2,9 Mio. Doppelzentner<br />
betragen hatte, ist <strong>in</strong> der ersten Hälfte des<br />
laufenden Jahres bereits annähernd erreicht<br />
worden […].“ Der Eis-Import war gegen 1910<br />
bed<strong>in</strong>gt durch den E<strong>in</strong>satz der Kältemasch<strong>in</strong>en<br />
bedeutungslos geworden.<br />
Der Eishandel <strong>in</strong> Europa war ziemlich bescheiden,<br />
wenn man ihn mit den Eishandel der USA<br />
vergleicht. Bereits 1799 g<strong>in</strong>g die erste Schiffsladung<br />
Eis von New York nach Charleston. Frederic Tudor<br />
(1783–1864) kam durch den Export von Natureis <strong>in</strong><br />
die Karibik, Europa <strong>und</strong> Indien zu Reichtum <strong>und</strong><br />
wurde später oft anerkennend als der „Ice K<strong>in</strong>g“<br />
bezeichnet. Das Magaz<strong>in</strong> für die Literatur des<br />
Auslandes berichtet 1849: „Der Eishandel verdankt<br />
se<strong>in</strong>en Ursprung Herrn Frederick Tudor <strong>in</strong> Boston,<br />
welcher schon im Jahr 1805 die Idee faßte, Eis<br />
nach West<strong>in</strong>dien zu verladen. Da er ke<strong>in</strong>en Rheder<br />
fand, der e<strong>in</strong>en so seltsamen Handelsartikel an<br />
Bord nehmen wollte, sah er sich genöthigt, e<strong>in</strong><br />
Schiff zu kaufen, welches er mit Eis von e<strong>in</strong>em<br />
se<strong>in</strong>em Vater gehörigen Teiche <strong>in</strong> Sangus belud <strong>und</strong><br />
nach St. Pierre auf Mart<strong>in</strong>ique abschickte. Obwohl<br />
dieses Unternehmen e<strong>in</strong>en Verlust von etwa 4000<br />
Dollars zur Folge hatte, setzte Herr Tudor doch<br />
se<strong>in</strong>e Spekulation fort, bis die Handelssperre <strong>und</strong><br />
der Krieg allem auswärtigen Handel e<strong>in</strong> Ende<br />
machte, ohne daß bis zu dieser Zeit das Geschäft<br />
se<strong>in</strong>em Unternehmer e<strong>in</strong>en Vortheil gebracht hätte.<br />
Die Verhandlungen waren auf Mart<strong>in</strong>ique <strong>und</strong><br />
Jamaika beschränkt gewesen. Nach Beendigung des<br />
Krieges 1815 begann Herr Tudor se<strong>in</strong>e<br />
Operationen aufs neue <strong>und</strong> exportirte das Eis nach<br />
Havannah, laut e<strong>in</strong>em Kontrakt mit der Regierung<br />
von Kuba, welcher ihn <strong>in</strong> den Stand setzte, se<strong>in</strong><br />
Unternehmen ohne Verlust zu verfolgen <strong>und</strong> es auf<br />
Charleston, Havannah <strong>und</strong> New Orleans<br />
auszudehnen. Im Jahre 1833 schickte Herr Tudor<br />
die erste Ladung Eis nach Kalkutta, <strong>und</strong> seit dieser<br />
Zeit hat derselbe se<strong>in</strong>e Unternehmungen bis<br />
Madras <strong>und</strong> Bombay ausgebreitet.“<br />
Meyers Konversationslexikon berichtet 1894 über<br />
den weltweiten Eishandel: „Gegenwärtig versendet<br />
man Eis nach den Südstaaten der Union, nach<br />
Mexiko, West<strong>in</strong>dien, Mittelamerika, Südamerika,<br />
Ost<strong>in</strong>dien, Ceylon, Ch<strong>in</strong>a, Japan <strong>und</strong> Australien,<br />
nach dem Gu<strong>in</strong>eabusen <strong>und</strong> der Kapstadt, selbst<br />
nach Sizilien <strong>und</strong> Ägypten. In Europa versendet<br />
Norwegen Eis nach England, Frankreich,<br />
Hamburg, Holland <strong>und</strong> Spanien. Triest versendet E.<br />
nach Ägypten, Korfu <strong>und</strong> Zante; die Schweiz von<br />
Davos, Wallis <strong>und</strong> Gr<strong>in</strong>delwald nach Frankreich;<br />
von den oberbayrischen Seen kommt bisweilen Eis<br />
nach Norddeutschland.“<br />
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