Kapitel 1 <strong>Eiskeller</strong> <strong>und</strong> Eishäuser Bereits zu Beg<strong>in</strong>n des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts gab es Fachliteratur, die die baulichen Anforderungen an e<strong>in</strong>en <strong>Eiskeller</strong> beschrieb. Unter „<strong>Eiskeller</strong>“ verstand man früher nicht nur e<strong>in</strong> Bauwerk, das sich vollständig <strong>in</strong> der Erde befand <strong>und</strong> damit dem heutigen Begriff „Keller“ entspricht. Auch oberirdische Eishäuser wurden häufig als <strong>Eiskeller</strong> bezeichnet. Die <strong>Eiskeller</strong> lassen sich <strong>in</strong> der Theorie grob <strong>in</strong> sechs Bauarten unterteilen: − Eisgrube (auch Eiskuhle genannt), − Eismiete <strong>und</strong> Eishaufen, − <strong>Eiskeller</strong> (unterirdisch <strong>und</strong> übererdet), − Eishaus aus Holz, − Eishaus aus Ste<strong>in</strong> <strong>und</strong> − Spezialformen, zum Beispiel für Markthallen, Molkereibetriebe oder Leichenschauhäuser. Die Begriffe wurden von den verschiedenen Autoren nicht immer e<strong>in</strong>heitlich genutzt, was bei e<strong>in</strong>er 300 Jahre umfassenden Bibliografie nicht verw<strong>und</strong>erlich ist. Die Eisgrube – früher teilweise auch Eiskuhle genannt – ist ansche<strong>in</strong>end die älteste Bauform, die bereits 1712 <strong>in</strong> dem Büchle<strong>in</strong> „Eigentliche <strong>und</strong> gründliche Nachricht von denen Eiß-Gruben“ beschrieben wurde. In den Boden wurde e<strong>in</strong>e Grube mit etwa vier Meter Durchmesser gegraben, die sich häufig nach unten verjüngt. Die Seitenwände der Grube bestanden aus Feldste<strong>in</strong>en, Ziegelste<strong>in</strong>en oder aus Holz. Der untere Bereich der Grube wurde mit grobem Kies aufgefüllt, damit das Schmelzwasser sich dort sammeln <strong>und</strong> ablaufen konnte. Auf den Kies wurde e<strong>in</strong>e Lage mit Brettern gelegt, auf der das Eis gestapelt wurde. Zur Isolierung gegen die Erdwärme wurde Stroh verwendet, das sich zwischen dem Eis <strong>und</strong> der Außenwand befand. Der Aufbau bestand aus e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>em Strohdach oder e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>em Holzhäuschen. Die Eismiete war e<strong>in</strong>e preiswerte Form der Eislagerung, da sie nur aus e<strong>in</strong>em Holzgestell bestand, das mit Stroh oder Rohr bedeckt war. Auf e<strong>in</strong>e tiefe Grube wurde hierbei völlig verzichtet. Im Boden wurde e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Kuhle ausgehoben, die mit Kieselste<strong>in</strong>en ausgelegt war, um das Schmelzwasser abzuleiten. Hierüber befand sich e<strong>in</strong> zeltartiges Holzgestell, das mit Stroh oder Rohr abgedeckt war. Die E<strong>in</strong>gangsschleuse lag Richtung Norden <strong>und</strong> besaß möglichst zwei Türen. Der Eishaufen war e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fachere Variante der Eismiete. Hier wurde das Eis nur mit Torf, Erde oder Stroh abgedeckt. Es gab weder e<strong>in</strong> Holzgestell noch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>gangstür. Die Höhe des Eishaufens sank mit der Verkle<strong>in</strong>erung des Eisvorrates. Dadurch musste die Abdeckung regelmäßig kontrolliert <strong>und</strong> ausgebessert werden. Die Eishaufen wurden auch teilweise als kostengünstige Ergänzung zu e<strong>in</strong>em vorhandenen <strong>Eiskeller</strong> genutzt. Der <strong>Eiskeller</strong> diente dann für den täglichen Bedarf, da er durch se<strong>in</strong>e Türen wesentlich e<strong>in</strong>facher zugänglich war. Wenn der Eisvorrat im <strong>Eiskeller</strong> zur Neige g<strong>in</strong>g, wurde das Eis aus dem Eishaufen <strong>in</strong> den <strong>Eiskeller</strong> gebracht, <strong>und</strong> der Eishaufen wurde am Ende vollständig abgeräumt. Vollständig unterirdische <strong>Eiskeller</strong> waren sehr aufwendig im Bau. Vor allem das Ausschachten der Baugrube <strong>und</strong> die stabilere Ausführung der Wände verteuerten den Bau erheblich. Für die richtige Dimensionierung der Wand- <strong>und</strong> Deckenstärken war bautechnisches Fachwissen erforderlich. Weiterh<strong>in</strong> musste das Bauwerk gut gegen aufsteigendes Gr<strong>und</strong>wasser oder versickerndes Oberflächenwasser abgedichtet se<strong>in</strong>. Der <strong>Eiskeller</strong> sollte e<strong>in</strong>e kühle, geschützte <strong>und</strong> trockene Lage <strong>in</strong> nicht zu weiter Entfernung von der Verbrauchsstelle erhalten. Der Eisbehälter musste gegen die Bodenwärme sowie die warme Außenluft isoliert werden. Es eigneten sich hierzu etwa e<strong>in</strong> Meter starke Ziegelmauern mit mehreren Luftschichten von acht Zentimeter Stärke. Die Luftschichten konnten auch mit Torfmull, porösen Schlacken oder Schlackenwolle ausgefüllt werden. Der Eisraum sollte möglichst <strong>in</strong> Zyl<strong>in</strong>derform oder besser <strong>in</strong> Halbkugelform konstruiert werden, da hier e<strong>in</strong> besseres Verhältnis von Oberfläche zum Inhalt bestand als bei e<strong>in</strong>em rechteckigen Raum. Gleichzeitig bot der r<strong>und</strong>e Gr<strong>und</strong>riss gegenüber dem seitlichen Erddruck e<strong>in</strong>en besseren Widerstand. Der E<strong>in</strong>gang sollte nach Norden liegen <strong>und</strong> möglichst kle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>, damit beim Betreten wenig Wärme <strong>in</strong> das Bauwerk e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen konnte. Der Zugang erfolgte über e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>gangsschleuse mit zwei oder besser drei h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander liegenden dicht schließenden Türen. Die Südseite des <strong>Eiskeller</strong>s musste vor 4
Abb. 7: <strong>Eiskeller</strong> der kl<strong>in</strong>ischen Universitätsanstalten zu Kiel, um 1884. Abb. 8: Eismiete, um 1903. Abb. 9: Eisgrube, um 1884. 5