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Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...

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Ob dieser <strong>Eiskeller</strong> jemals für die Lagerung von Eis<br />

genutzt wurde, ist nicht überliefert. Er diente<br />

vielleicht nur als Reserve für den Fall, dass die<br />

Kältemasch<strong>in</strong>e ausfallen sollte.<br />

Mit dem E<strong>in</strong>satz der Kühlmasch<strong>in</strong>e änderten sich<br />

auch die Bauweisen der Brauereikeller. In den<br />

bestehenden Kellern wurden Rohre verlegt, <strong>in</strong><br />

denen e<strong>in</strong>e kalte Salzwasserlösung zirkulierte. Über<br />

Wärmekollektoren wurde die warme Luft an der<br />

Kellerdecke abgekühlt. Bei bestehenden Anlagen<br />

konnten die Eisräume zu Lagerzwecken umgenutzt<br />

werden, was e<strong>in</strong>e Vergrößerung der<br />

Lagermöglichkeiten um bis zu 20 Prozent bedeuten<br />

konnte. E<strong>in</strong> weiterer wesentlicher Vorteil bestand<br />

dar<strong>in</strong>, dass die Luftfeuchtigkeit spürbar reduziert<br />

werden konnte. Durch die Nutzung der<br />

Kältemasch<strong>in</strong>e war die Standortwahl für neue<br />

Brauereien wesentlich flexibler. Jetzt wurden sie<br />

direkt am Ufer von Spree <strong>und</strong> Havel errichtet oder<br />

<strong>in</strong> der Nähe von Güterbahnhöfen — möglichst mit<br />

e<strong>in</strong>em eigenem Gleisanschluss. Dadurch wurden die<br />

Anlieferung der Roh- <strong>und</strong> Brennstoffe sowie der<br />

Export des Bieres außerhalb von Berl<strong>in</strong> preiswerter.<br />

Aus dem Jahr 1908 stammt folgende Notiz <strong>in</strong> der<br />

Zeitung Spandauer Anzeiger für das Havelland:<br />

„Die Eisernte ist jetzt seitens der Brauereien,<br />

Fleischer <strong>und</strong> größeren Gastwirte, die e<strong>in</strong>en<br />

erheblichen Eisbedarf haben, für diesen W<strong>in</strong>ter so<br />

gut wie abgeschlossen, da die zur Verfügung<br />

stehenden Kellerräume <strong>und</strong> Schuppen gefüllt s<strong>in</strong>d.<br />

In solchem Grade wie früher ist man hierzulande<br />

jetzt nicht mehr auf Natureis angewiesen; die mit<br />

großen Dampfmasch<strong>in</strong>en ausgestatteten Brauereien<br />

haben schon seit mehreren Jahren, zunächst aus<br />

dem Gr<strong>und</strong>e, weil zeitweise Mangel an Natureis<br />

herrschte, begonnen, Kunsteis herzustellen; sie<br />

haben hierzu besondere masch<strong>in</strong>elle Vorkehrungen<br />

getroffen <strong>und</strong> eigene Räume dazu e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Inzwischen s<strong>in</strong>d hier<strong>in</strong> erhebliche Fortschritte<br />

gemacht worden, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige Großbrauereien s<strong>in</strong>d<br />

jetzt <strong>in</strong> der Lage, ihren gesamten Bedarf an Eis<br />

ohne wesentliche Anstrengungen zu decken. So hat<br />

die Patzenhofer-Brauerei, Abteilung Spandau, im<br />

vorigen Jahre fast nur Kunsteis verbraucht. Dieses<br />

hat übrigens den Vorzug vor dem aus den<br />

Flussläufen entnommenen Eis, dass es absolut<br />

e<strong>in</strong>wandfrei ist. Die Herstellungsart hat zur Folge,<br />

daß im Wasser die Lebewesen jeglicher Art<br />

vernichtet werden, während es <strong>in</strong> den Wasserläufen<br />

immerh<strong>in</strong> vorkommen kann, dass sich dar<strong>in</strong><br />

Krankheitskeime vorf<strong>in</strong>den, die, wie Typhusbazillen,<br />

auch durch mehrere Kältegrade nicht<br />

vernichtet werden. Durch die Steigerung der<br />

Forderungen der Arbeiter <strong>und</strong> der Fuhrleute ist<br />

übrigens die Gew<strong>in</strong>nung von Natureis <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren sehr verteuert worden, <strong>und</strong> unter diesen<br />

Umständen s<strong>in</strong>d die Großbrauereien gesonnen,<br />

mittels zweckmäßiger masch<strong>in</strong>eller E<strong>in</strong>richtungen<br />

durch Fabrikation von Kunsteis sich künftigh<strong>in</strong> von<br />

der w<strong>in</strong>terlichen Eisernte vollkommen unabhängig<br />

zu machen. Der Zentner Kunsteis kostet jetzt etwa 6<br />

Pf[ennig] mehr als das <strong>in</strong> Keller oder Schuppen<br />

e<strong>in</strong>gebrachte Natureis.”<br />

Bis <strong>in</strong> das 20. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden Natureis,<br />

Kunsteis <strong>und</strong> direkte Kühlung mit der<br />

Kältemasch<strong>in</strong>e parallel betrieben. Vor allem bei<br />

kle<strong>in</strong>eren Brauereien war der E<strong>in</strong>satz von Eis<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich kostengünstiger als der ständige<br />

Betrieb e<strong>in</strong>er dampfbetriebenen Kältemasch<strong>in</strong>e, für<br />

die das notwendige, geschulte Fachpersonal<br />

während des laufenden Betriebes ständig anwesend<br />

se<strong>in</strong> musste. Die Technik entwickelte sich ständig<br />

weiter, die Kühlaggregate wurden immer kle<strong>in</strong>er,<br />

<strong>und</strong> der Antrieb erfolgte später elektrisch. Viele<br />

Brauereien stellten Kunsteis her, das sie zur<br />

Auslieferung benötigten oder auch an die Gastwirte<br />

verkauften. Dafür wurden nach wie vor kle<strong>in</strong>ere<br />

Lagerräume für Eis benötigt.<br />

Wann <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> die Kühlung mit Natureis e<strong>in</strong>gestellt<br />

wurde, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen.<br />

Bei den großen Brauereien dürfte die Kühlung mit<br />

Natureis schon Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle mehr gespielt haben. Die Berl<strong>in</strong>er Firma R.<br />

Ortlepp entwickelte 1950 e<strong>in</strong>e Motorkreissäge für<br />

Eis, die im selben Jahr <strong>in</strong> der Zeitschrift<br />

Kältetechnik vorgestellt wurde: „Mit dieser Säge ist<br />

es möglich, e<strong>in</strong>en Schnitt von 450 bis 500 Meter <strong>in</strong><br />

der St<strong>und</strong>e auszuführen, e<strong>in</strong>e Leistung, wie sie von<br />

20 Mann mit Handsägen kaum erreicht wird. Sie<br />

wurde erstmalig <strong>in</strong> diesem Jahr von der Gießener<br />

Brauerei <strong>und</strong> Spiritusfabrik Denn<strong>in</strong>ghoff <strong>in</strong> der<br />

Eisernte verwendet. [… Man erzielte] mit 14 Mann<br />

e<strong>in</strong>e Tagesleistung von ca. 4.000 Zentner Eis, also<br />

300 Zentner je Mann.”<br />

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