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Eiskeller und Eiswerke in Berlin und Brandenburg. Band 1 ...

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Kapitel 4: Eisfabriken<br />

Um 1820 gab es nur die Möglichkeit mittels Kältemischungen<br />

kle<strong>in</strong>ere Mengen Eis herzustellen. Erste<br />

Kühlmasch<strong>in</strong>en standen seit Mitte des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts bereit. Sie waren aber noch nicht<br />

für den <strong>in</strong>dustriellen Dauere<strong>in</strong>satz geeignet. dies<br />

änderte sich erst <strong>in</strong> den 1870er Jahren, als Carl von<br />

L<strong>in</strong>de se<strong>in</strong>e Kältemasch<strong>in</strong>en entwickelte.<br />

Im Brockhaus’ Konversationslexikon von 1894 ist<br />

die Funktion e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Eisfabrik beschrieben<br />

(Abb. 46): Mittels e<strong>in</strong>es Kompressors (A) wird e<strong>in</strong><br />

Gas, wie zum Beispiel Ammoniak, verdichtet, <strong>und</strong><br />

dabei erwärmt. Der Antrieb des Kompressors<br />

erfolgte über e<strong>in</strong>e nicht im Bild sichtbare<br />

Dampfmasch<strong>in</strong>e oder e<strong>in</strong> Wasserrad mittels<br />

Transmissionsriemen (B). Das unter Druck stehende<br />

Gas wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Behälter geleitet (C), der<br />

gleichzeitig als Kondensator dient. Durch die<br />

Abkühlung auf die Umgebungstemperatur<br />

verflüssigt sich das Kältemittel. Bei großen<br />

Kältemasch<strong>in</strong>en mussten auf dem Dach<br />

Berieselungskühler angebracht werden, um die<br />

notwendige Kühlleistung zu erreichen. Das flüssige<br />

<strong>und</strong> unter Druck stehende Kühlmittel wird dann<br />

über e<strong>in</strong>e Drossele<strong>in</strong>richtung zum Verdampfer<br />

geleitet, der sich im Eisgenerator (D) bef<strong>in</strong>det.<br />

Durch die Verdampfung kühlt es e<strong>in</strong>e Salzwasserlösung.<br />

Anschließend wird es wieder vom<br />

Kompressor angesaugt <strong>und</strong> erneut verflüssigt. In die<br />

Salzwasserlösung werden auf der e<strong>in</strong>en Seite leere<br />

Eiszellen e<strong>in</strong>gelegt <strong>und</strong> mit Wasser gefüllt (E).<br />

Wenn e<strong>in</strong>e gefrorene Reihe mit dem Kran (F) auf<br />

der gegenüberliegenden Seite herausgehoben wird,<br />

werden alle anderen Eiszellen um e<strong>in</strong>e Reihe zum<br />

Kran h<strong>in</strong> verschoben. Mit dem Kran werden die<br />

Eiszellen zur Kippvorrichtung (G) gebracht, <strong>und</strong> das<br />

Eis wird aus den Eiszellen herausgenommen.<br />

Anschließend wird das Eis <strong>in</strong> den Lagerraum<br />

gebracht.<br />

Daneben gab es auch andere Varianten, wie zum<br />

Beispiel e<strong>in</strong>e Walze mit seitlichen Taschen, die<br />

langsam im gekühlten Wasser rotierte <strong>und</strong> von<br />

<strong>in</strong>nen mit e<strong>in</strong>er Salzlösung gekühlt wurde. Bei jeder<br />

Umdrehung setzte sich e<strong>in</strong>e dünne Eisschicht an der<br />

Oberfläche der Taschen ab, bis die Taschen vollständig<br />

mit Eis gefüllt waren. Dann wurde das Eis<br />

entnommen, <strong>und</strong> der Vorgang begann von vorne.<br />

In Deutschland wurde das Eis fast ausschließlich als<br />

Stangeneis verkauft. Typische Stangen wogen<br />

zwischen 10 <strong>und</strong> 25 Kilogramm. Letztere waren<br />

etwa e<strong>in</strong>en Meter lang <strong>und</strong> hatten e<strong>in</strong>en Querschnitt<br />

von 20 × 20 Quadratzentimeter. Gewöhnliches<br />

Brunnenwasser liefert milchig-weißes, <strong>und</strong>urchsichtiges<br />

Eis, was von e<strong>in</strong>gefrorenen Luftbläschen<br />

verursacht wird. Es unterschied sich aber optisch<br />

nicht vom qualitativ m<strong>in</strong>derwertigem Natureis.<br />

Daher hat man verschiedene Verfahren zur<br />

Entlüftung des Wassers entwickelt, um e<strong>in</strong> klares<br />

Eis zu erhalten. Nach e<strong>in</strong>em Artikel <strong>in</strong> der<br />

Zeitschrift für die gesamte Kohlensäure-Industrie<br />

von 1900 versteht man „unter Blockeis e<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong>urchsichtiges milchiges Eis, das aus<br />

Brunnenwasser hergestellt wird, welches während<br />

des Gefrierens nicht bewegt wird. Klareis ist fast<br />

durchsichtig, enthält aber e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en trüben<br />

Kern. Zur Herstellung benutzt man ebenfalls<br />

Brunnenwasser, bewegt dasselbe aber während des<br />

Gefrierens, um möglichst alle Luft auszutreiben.<br />

Der noch Luft enthaltende Rest des Wassers erzeugt<br />

den trüben Kern. Kristalleis ist e<strong>in</strong> vollständig<br />

durchsichtiges Eis, das nur aus destilliertem oder<br />

sonst gut entlüftetem Wasser hergestellt werden<br />

kann.“<br />

Das Kristalleis erzielte die höchsten Preise. Für<br />

dieses Eis wurde gerne mit der Bezeichnung<br />

„keimfreies Kristalleis aus destilliertem Wasser“<br />

geworben. Eis aus normalem Tr<strong>in</strong>kwasser war<br />

selbstverständlich für den menschlichen Verzehr<br />

geeignet. Lediglich die Werbewirksamkeit beim<br />

Verbraucher war der kritische Punkt. Um hier nicht<br />

als Eishersteller zweiter Klasse zu gelten, wurde das<br />

Wasser mit Ozon behandelt. Die Kunsteisfabrik<br />

Centrum warb 1915 für ihr Eis mit der Bezeichnung<br />

„keimfreies Ozon-Eis aus städtischem Tr<strong>in</strong>kwasser“.<br />

Das erste Kunsteis wurde <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bereits Ende des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts verkauft. Die bestehenden<br />

<strong>Eiswerke</strong> ergänzten ihre Produktion <strong>und</strong> stellten<br />

Eisgeneratoren auf, wie zum Beispiel die<br />

Norddeutschen <strong>Eiswerke</strong> <strong>in</strong> Rummelsburg oder die<br />

<strong>Eiswerke</strong> Thater <strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ickendorf. Um 1900<br />

wurden die ersten eigenen Berl<strong>in</strong>er Kühlhäuser mit<br />

Kunsteisfabrikation gegründet, die ausschließlich<br />

mit Kältemasch<strong>in</strong>en Eis produzierten <strong>und</strong> es an<br />

Gewerbebetriebe <strong>und</strong> die Bevölkerung verkauften.<br />

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