Bereits kurz nach 1900 erlebte die Berl<strong>in</strong>er Eis<strong>in</strong>dustrie durch e<strong>in</strong> Überangebot e<strong>in</strong>e erste Krise. Durch den damit verb<strong>und</strong>enen Preisverfall hatten die <strong>Eiswerke</strong> wirtschaftliche Schwierigkeiten. E<strong>in</strong>ige Eisfabriken gründeten 1915 die Groß- Berl<strong>in</strong>er Kunsteis-Gesellschaft m.b.H., um e<strong>in</strong>e stärkere Marktposition zu erhalten. Das Berl<strong>in</strong>er Jahrbuch für Handel <strong>und</strong> Industrie berichtet 1913: „E<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er Eissyndikat wurde auf sechs Jahre gegründet. Dem Syndikat gehören, dem ‚Berl. Tagebl.’ zufolge, an: Die Gesellschaft für Markt<strong>und</strong> Kühlhallen, die Eisfabrik Mudrack, die Kristalleiswerke Charlottenburg, die Treptower <strong>Eiswerke</strong>, die Schütteschen <strong>Eiswerke</strong>, die Eis- <strong>und</strong> Blockstationen <strong>in</strong> Charlottenburg, sowie die drei Geme<strong>in</strong>deeiswerke von Steglitz, Lichterfelde <strong>und</strong> Neukölln. Dem Syndikat gehören nicht an: Die Norddeutsche <strong>Eiswerke</strong> Akt.-Ges., die Admiralspalast Akt.-Ges. <strong>und</strong> das Kühlhaus Zentrum.“ 1929 wurde am Osthafen das Kühlhaus der Kühltransit AG eröffnet. Eis wurde hier allerd<strong>in</strong>gs nicht hergestellt. 1940 wurden das Gebäude erweitert <strong>und</strong> die Lagerkapazität verdoppelt. Im Berl<strong>in</strong>er Adressbuch von 1940 s<strong>in</strong>d unter <strong>Eiswerke</strong> <strong>und</strong> Eisfabriken folgende E<strong>in</strong>träge vorhanden, wobei es sich vermutlich ausschließlich um Kunsteisfabriken handelte: • Cöpenicker <strong>Eiswerke</strong>. Köpenick, Grünauer Str. 173. • Eisfabrik Hermann E. Mudrack. Re<strong>in</strong>ickendorf, Residenzstr. 83. Entkeimtes Kristalleis, Kühl<strong>und</strong> Gefrierräume. • Gesellschaft für Markt- & Kühlhallen. Kristalleis aus destilliertem Wasser. Werk Südwest: SW11, Trebb<strong>in</strong>er Straße 5. Werk Nordwest: NW40, Scharnhorststraße 29. • Groß-Berl<strong>in</strong>er Kunsteis-Gesellschaft. Kristalleis, Trockeneis. W8, Mauerstraße 76. • Kaltenhauser. NW87, Kaiser<strong>in</strong>-Augusta-Allee 14. • Lichtenberger Eiswerk, Gertrud Laue Rummelsburg, Pr<strong>in</strong>z-Albert-Straße 19. • Norddeutsche <strong>Eiswerke</strong> A.-G., SO16, Köpenicker Str. 40. • Oberspree Betriebs- <strong>und</strong> Handels-Gesellschaft m.b.H., Abt. Eiswerk. Fabrik Niederschöneweide, Spreestraße 12. • Schumann. Neukölln, Mittelbuschweg 6. • Thater, K.. Re<strong>in</strong>ickendf., Residenzstr 31. • „Union“ Eiswerk Conrad & Co. Köpenick, L<strong>in</strong>denstr. 18–21. • Zäske & Kohnle. Spandau, Frobenstraße 6. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die im Ostteil der Stadt bestehenden Kühlbetriebe enteignet <strong>und</strong> waren zum Ende der DDR Bestandteil des VEB Kühlbetrieb Berl<strong>in</strong>. Er bestand nach Angaben auf der Internetseite der Initiative zum Erhalt der Eisfabrik aus folgenden Betriebsteilen: • Werk 1: Kühlhaus am Osthafen (Kühltransit AG), • Werk 2: Kühlhaus <strong>und</strong> Eisfabrik <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Mitte (davor Norddeutsche <strong>Eiswerke</strong>), • Werk 3: Eisfabrik Scharnhorststraße (davor Gesellschaft für Markt- <strong>und</strong> Kühlhallen), • Werk 4: Kühlhaus im Berl<strong>in</strong>er Schlachthof, • Werk 5: Kühlhaus an der Landsberger Allee, • Werk 6: Kühlhaus <strong>in</strong> Frankfurt an der Oder. Nach der Wiedervere<strong>in</strong>igung g<strong>in</strong>gen alle Betriebsteile des VEB <strong>in</strong> die Berl<strong>in</strong>er Kühlhaus GmbH über <strong>und</strong> wurden <strong>in</strong> den 1990er Jahren geschlossen. Im Westteil wurde <strong>in</strong> den 1960er Jahren die Eisfabrikation nach <strong>und</strong> nach auf Gr<strong>und</strong>e der s<strong>in</strong>kenden Nachfrage e<strong>in</strong>gestellt. Der letzte E<strong>in</strong>trag unter <strong>Eiswerke</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em West-Berl<strong>in</strong>er Telefonbuch bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Ausgabe 1972/73 <strong>und</strong> stammt vom Eiswerk Mudrack. E<strong>in</strong>ige Eisfabriken stellten die Eiserzeugung e<strong>in</strong>, betrieben weiterh<strong>in</strong> den Kühlhausbetrieb, teilweise bis <strong>in</strong> die 1970er Jahre. Heute ist sehr wenig von der Eis<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> übrig geblieben. Neben den bereits beschriebenen erhaltenen Gebäuden er<strong>in</strong>nern drei Straßennamen an frühere <strong>Eiswerke</strong>: Thaters Privatweg <strong>in</strong> Charlottenburg-Nord, die Thaterstraße sowie die Mudrackzeile, beide <strong>in</strong> Re<strong>in</strong>ickendorf. E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Rest der Eis<strong>in</strong>dustrie besteht aber weiterh<strong>in</strong>: Es gibt kle<strong>in</strong>e Eisfabriken, die Eiswürfel, Crushed-Eis, Trockeneis <strong>und</strong> Blockeis herstellen; hauptsächlich für Gastronomie, Cater<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Lebensmittelhändler. Im E<strong>in</strong>zelhandel wird Fisch gerne auf Eis präsentiert. Moderne Kühlhäuser liegen bevorzugt an Logistkstandorten mit guter Verkehrsanb<strong>in</strong>dung. Es handelt sich um e<strong>in</strong>geschossige Lagerhallen, um beim Transport mit den Gabelstaplern ke<strong>in</strong>e Aufzüge benutzen zu müssen. 40
Abb. 52: Masch<strong>in</strong>enhalle der Eisfabrik Mudrack, Berl<strong>in</strong>-Re<strong>in</strong>ickendorf, um 1926. Abb. 53: Eisgeneratoren der selben Eisfabrik. 41