Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland
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„Me<strong>in</strong> Sprachgesell“ – Paul Gerhardt 1607-2007<br />
THEMA<br />
periodenweise als Bürgermeister tätig, die Mutter aus sächsischem Pfarrer- und Super<strong>in</strong>tendentengeschlecht.<br />
Solange die Eltern lebten, ist Paul zusammen mit drei<br />
Geschwistern aufgewachsen.<br />
Die Zeit <strong>in</strong> Grimma, e<strong>in</strong> eliteprägender, streng regulierter Bildungsgang, bedeutete<br />
auch e<strong>in</strong>e Schulung <strong>in</strong> kriegsbed<strong>in</strong>gten Entbehrungen. Der Grimmaische Wirtschaftsleiter<br />
wusste des öfteren nicht, woher genügend Nahrung für die knapp e<strong>in</strong>hundert<br />
Schüler zu beschaffen. E<strong>in</strong>mal schlug die Pest <strong>in</strong> der Stadt kräftig zu und verschonte<br />
auch die Schule nicht. Die Unterrichtsleistungen des späteren genialen Dichters waren<br />
gut durchschnittlich. 1628 begann er das Theologiestudium <strong>in</strong> Wittenberg, im<br />
damaligen Zentrum lutherischer Lehre und Gelehrsamkeit. Alles spricht dafür, dass<br />
er sich gleichzeitig bei dem berühmten Poetiklehrer August Buchner (1591-1661) im<br />
Dichten qualifiziert hat. Durch ihn hat er die damals allerneuesten Kunstmittel der<br />
deutschen Poesie kennenlernen können. In der kriegsbedrohten und von der Pest<br />
heimgesuchten Stadt sanken die Studentenzahlen beständig. 1637 brannten marodierende<br />
Schweden Gräfenha<strong>in</strong>ichen nieder, das nahe gelegene Heimatstädtchen. Auch<br />
das Anwesen der Gerhardts wurde zerstört, der Bruder starb noch im gleichen Jahr an<br />
der Pest. In Wittenberg wütete 1640 e<strong>in</strong>e Feuersbrunst. Wie lange Gerhardt hier se<strong>in</strong><br />
Direktstudium fortgesetzt hat, ist nicht ganz klar. Zeitweise war er als Hauslehrer<br />
tätig. Aber noch 1644 hat er sich als Theologiestudenten bezeichnet, da lebte er – seit<br />
1642 oder 1643 – bereits <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>/Cölln, der Residenz an der Spree.<br />
In der Doppelstadt hatte seit 1640 der Kurfürst Friedrich Wilhelm das Sagen. Durch<br />
Regierungskunst und Machtgebrauch hat er Grundste<strong>in</strong>e für den Aufstieg des Fürstentums<br />
an die europäische Spitze gelegt. Die Entwicklung Berl<strong>in</strong>s vom Prov<strong>in</strong>znest<br />
zur Metropole begann. <strong>Als</strong> Gerhardt Berl<strong>in</strong>er Bürger wurde, hatte der Krieg die Stadt<br />
und das umliegende Land noch schwer gezeichnet. Von den e<strong>in</strong>st 12 000 Berl<strong>in</strong>er<br />
Bürgern waren etwa vierzig Prozent dah<strong>in</strong>gerafft oder vertrieben worden. Gerhardt<br />
arbeitete wieder – wir wissen nichts anderes – als Hauslehrer, mit Mitte Dreißig also<br />
weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> extrem abhängiger Stellung. Des Broterwerbs wegen und weil die Pfarrstellen<br />
knapp waren, oder weil er es noch scheute, e<strong>in</strong> solches nach se<strong>in</strong>er Auffassung<br />
sehr hohes Amt anzutreten.<br />
Im geschädigten Berl<strong>in</strong> war die <strong>Kirche</strong> e<strong>in</strong> seelisch und sozial stabilisierender Faktor<br />
geblieben, auch die <strong>Kirche</strong>nmusik war nicht ganz erstorben. Die Begegnung Paul<br />
Gerhardts mit dem Nikolaikantor Johann Crüger (1598-1662) führte e<strong>in</strong>e Sternstunde<br />
für <strong>Kirche</strong>nlied und Gesangbuch herauf. In se<strong>in</strong>em Gesangbuch „Praxis Pietatis Melica,<br />
das ist Übung der Gottseligkeit <strong>in</strong> trostreichen Gesängen ...“ hat Crüger die<br />
meisten Lieder Gerhardts zum Erstdruck gebracht, 1647 waren es 18, 1653 bereits<br />
82. Wann im E<strong>in</strong>zelnen Gerhardt die Texte verfasst hat, wissen wir nicht. Crüger<br />
jedenfalls darf als Entdecker und Hauptförderer Gerhardts gelten. Neben der Publikation<br />
der Lieder waren es Crügers eigene oder von ihm zugewiesene Lehnmelodien,<br />
mit denen er Gerhardts Lieder bekannt gemacht hat. Durch Melodien konnten sie zu<br />
‚Volkseigentum’ werden. Die Mehrheit der Bevölkerung damals konnte nicht fließend<br />
oder überhaupt nicht lesen. Durch Hörens<strong>in</strong>gen aber konnten ihnen Gerhardts<br />
Lieder <strong>in</strong> Ohr und Herz, <strong>in</strong>s Gedächtnis und auf die eigenen Lippen kommen.<br />
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