Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland
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Vicco von Bülow: Geh aus, me<strong>in</strong> Herz, und suche Leid<br />
Am Ende wird deutlich, was am meisten „für den Herrn Jesus spricht“: se<strong>in</strong>e<br />
Menschlichkeit. Damit erweist sich Gernhardt als K<strong>in</strong>d der zweiten Hälfte des 20.<br />
Jahrhunderts, <strong>in</strong> dem das Menschse<strong>in</strong> Jesu auch <strong>in</strong> der Theologie e<strong>in</strong>e immer stärkere<br />
Bedeutung gegenüber se<strong>in</strong>em Gottse<strong>in</strong> gewann. Man wird sehen müssen, ob sich<br />
diese Entwicklung im 21. Jahrhundert nicht wieder umdreht oder schon umgedreht<br />
hat.<br />
IMPULSE<br />
V.<br />
Aber damit s<strong>in</strong>d wir schon wieder bei der Dogmatik und nicht bei der Dichtung.<br />
Oder s<strong>in</strong>d wir mit der Dichtung nicht ganz nah bei der Dogmatik? <strong>Zum</strong><strong>in</strong>dest punktuell?<br />
Bei Paul Gerhardt, dem Pfarrer und Dichter war es so: Ihm war ke<strong>in</strong>eswegs die<br />
Klage fremd. Auch er hat Zeiten erlebt, als sei Gott nicht da, hat sich theologisch<br />
und dichterisch damit ause<strong>in</strong>andergesetzt. E<strong>in</strong>e Antwort f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> „Befiehl du<br />
de<strong>in</strong>e Wege“ (EG 361): Gott, gerade wenn es so aussieht, als „frage er nichts nach<br />
dir, nach uns“, wird „dich entb<strong>in</strong>den, / da du’s am m<strong>in</strong>dsten glaubst; / er wird de<strong>in</strong><br />
Herze lösen / von der so schweren Last, / die du zu ke<strong>in</strong>em Bösen / bisher getragen<br />
hast.“<br />
Und bei Robert Gernhardt, dem Dichter? Er soll, er darf theologisch nicht vere<strong>in</strong>nahmt<br />
werden. Aber zum<strong>in</strong>dest dies kann ich sagen: Se<strong>in</strong>e Dichtkunst öffnet – wie<br />
jede gute Kunst – neue Räume, Räume des Vergnügens und Räume des Verständnisses.<br />
Auf ihre Weise schafft Dichtung e<strong>in</strong>en anderen Zugang zu der Wahrheit, von<br />
der die christliche Dogmatik redet. Und <strong>in</strong> diesem Fall handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />
äußerst vergnüglichen Zugang. Schade, dass Robert Gernhardt gestorben ist – schön,<br />
dass wir weiterh<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Gedichte lesen können. Ich würde Sie gerne dazu verlocken,<br />
se<strong>in</strong>e Gedichte wenn nicht auswendig zu lernen, so doch zu lesen. <strong>Zum</strong> Beispiel<br />
Gernhardts Gedicht über den Körper. Und wenn Sie <strong>in</strong> diese Woche gehen,<br />
denken Sie – ob beruflich oder privat – immer daran, dass unser Körper weiß, was<br />
wir tun, weil wir unser Körper s<strong>in</strong>d.<br />
Abschied.<br />
Ende der Andacht.<br />
Amen.<br />
„Die Zeit. Ich will sie euch / nicht länger stehlen.“<br />
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