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Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland

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Bernhard Leube: Theatrale Aspekte von „Wie soll ich dich empfangen“<br />

kannter Leute, und es fordert e<strong>in</strong>ander bekannten Leuten nicht ab, jederzeit die aktuelle<br />

Bef<strong>in</strong>dlichkeit zu äußern oder e<strong>in</strong>ander zuzumuten. Rollenverhalten lässt dem<br />

E<strong>in</strong>zelnen emotionale Spielräume, die verschw<strong>in</strong>den, wenn die Intimität des Privaten<br />

zum Garanten der Glaubwürdigkeit e<strong>in</strong>er öffentlichen Veranstaltung, also z.B.<br />

e<strong>in</strong>es Gottesdienstes gemacht wird. Nicht von ungefähr spricht der amerikanische<br />

Soziologe Richard Sennett <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>schlägigen Buch von der „Tyrannei der<br />

Intimität“. 2<br />

IMPULSE<br />

2. Theatralität<br />

Der Begriff der Theatralität kommt aus der Theaterwissenschaft und hat im <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Diskurs der letzten Jahre e<strong>in</strong>e immer größere Rolle gespielt, wenn es um<br />

die Beschreibung theaterähnlicher oder theaterhaftiger Vorgänge geht. Dabei s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong>sbesondere rituelle Handlungen im Blick, deren Theatralität mit Händen zu greifen<br />

ist. Die Theaterwissenschaft hat diesen <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Diskurs bisher allerd<strong>in</strong>gs<br />

nicht mit der Theologie, sondern mit der Soziologie und der Ethnologie geführt.<br />

Theatralität me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Verhalten, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e Person e<strong>in</strong>er anderen etwas von sich<br />

zeigt, aber nicht alles. E<strong>in</strong>e andere Person wiederum nimmt dies wahr. Mit Theatralität<br />

ist nach Andreas Kotte 3 zu rechnen, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Handlung zwischen m<strong>in</strong>destens<br />

zwei Personen viererlei geschehen kann, a) e<strong>in</strong>e örtliche Hervorhebung, b) e<strong>in</strong>e<br />

gestische Hervorhebung, c) e<strong>in</strong>e akustische Hervorhebung oder d) e<strong>in</strong>e Hervorhebung<br />

mittels d<strong>in</strong>glicher Attribute, d.h. also, wenn e<strong>in</strong>es der Elemente oder mehrere<br />

auftauchen.<br />

Theatralität hat mit nichtalltäglichem Verhalten zu tun. Bei Initiationsriten, bei<br />

Hochzeiten, bei Bestattungen gibt es e<strong>in</strong> nichtalltägliches Verhalten von Menschen,<br />

denen andere zusehen. Man führt sich auf e<strong>in</strong>e bestimmte Weise auf, wenn man<br />

e<strong>in</strong>en Übergang im Leben begeht. Bei Taufe, Hochzeit und Bestattung ist das im<br />

christlichen Kontext pr<strong>in</strong>zipiell nicht anders. Hier kennen sogar wir <strong>Evangelische</strong><br />

Prozessionen, bei Taufen, Hochzeiten, auf den Dörfern auch bei Bestattungen. Seit<br />

den 1970er-Jahren rückt aber auch das Alltagsverhalten <strong>in</strong> das Blickfeld des<br />

Theatralitätsdiskurses. 4<br />

Im Theatralitätsdiskurs der 1990er-Jahre, den die Berl<strong>in</strong>er Theaterwissenschaftler<strong>in</strong><br />

Erika Fischer-Lichte wesentlich mitgeprägt hat, haben sich ebenfalls vier Aspekte<br />

des Phänomens herausgeschält, von denen man heute ausgeht: a) die Performance<br />

oder Aufführung, d.h. die „Darbietung von Körper und Stimme vor körperlich und<br />

stimmlich anwesenden Zuschauern“ 5 , b) die Inszenierung, <strong>in</strong> der es um die Umset-<br />

2 Richard Sennett: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt/Ma<strong>in</strong><br />

13 2002.<br />

3 Andreas Kotte: Theaterwissenschaft, Köln 2005, 20-29.<br />

4 Vgl. Erv<strong>in</strong>g Goffmann: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, München/Zürich<br />

3 2005.<br />

5 Matthias Warstat: Art. Theatralität, <strong>in</strong>: Metzler Lexikon Theatertheorie, hg. von Erika Fischer-Lichte<br />

u.a., Stuttgart/Weimar 2005, 362.<br />

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