21.11.2013 Aufrufe

Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland

Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland

Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Me<strong>in</strong> Sprachgesell“ – Paul Gerhardt 1607-2007<br />

THEMA<br />

mit se<strong>in</strong>er Befiehl-du-de<strong>in</strong>e-Wege-Frömmigkeit auch flammende Kritik an bedrückenden<br />

Verhältnissen und E<strong>in</strong>satz für die Armen geübt hat.<br />

Der Kurfürst blieb bei se<strong>in</strong>er Religionspolitik. Weiterh<strong>in</strong> wurden Pfarrer und andere<br />

Beamte vertrieben, wenn sie ihm nicht zu Willen waren. Die Unterschriftsverpflichtung<br />

wurde zwar bald aufgehoben. Doch dafür wurden die Beamten <strong>in</strong> Stadt und<br />

Land angewiesen zu beobachten, wer sich nicht den Edikten gemäß verhielt. Der<br />

neuzeitliche Überwachungsstaat deutete sich an. Gerhardt hatte das kommen sehen.<br />

Mit se<strong>in</strong>er Lebensgeschichte hat er e<strong>in</strong> Kapitel frühneuzeitlicher Freiheitsgeschichte<br />

mitgeschrieben.<br />

In der Zeit von Gerhardts Arbeitslosigkeit starb zu allem Unglück 1668 noch se<strong>in</strong>e<br />

Frau. Solange er <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> weilte, und nachdem alles versucht war, was möglich war,<br />

hat Gerhardt nach Grundsätzen gelebt, die er oft <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Liedern ausgesprochen<br />

hat: Wenn alles Menschenmögliche getan ist, dann gilt es, gelassen und unverzagt zu<br />

bleiben, zu erwarten, was Gott vorhat: „Gib dich zufrieden und sei stille <strong>in</strong> dem Gotte<br />

de<strong>in</strong>es Lebens ...“ 11 .<br />

Noch immer hatte Gerhardt wohl die Hoffnung nicht aufgegeben, die kirchenpolitische<br />

Lage würde sich wieder ändern, er se<strong>in</strong> Amt erneut aufnehmen können. Im<br />

Sommer 1668 jedoch wurde se<strong>in</strong>e Stelle durch e<strong>in</strong>en Anderen besetzt. Durch Freunde,<br />

durch eigenes Bemühen und durch e<strong>in</strong> Wahlverfahren bot sich, nach etwa drei<br />

Jahren im Abseits, e<strong>in</strong>e neue Chance <strong>in</strong> der Spreewaldstadt Lübben. Im Juni 1669 hat<br />

er dort die Pfarrstelle an der Deutschen <strong>Kirche</strong> angetreten. Lübben gehörte damals zu<br />

Kursachsen. Damit kehrte Gerhardt <strong>in</strong> die <strong>Kirche</strong> se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit und Jugend zurück,<br />

unbelastet, weil nicht mehr unter der Regierung Friedrich Wilhelms.<br />

Widerstände freilich gab es weiterh<strong>in</strong> reichlich. Dem Umzug nach Lübben g<strong>in</strong>gen<br />

unerquickliche Verhandlungen voraus. Sie drehten sich um die Größe se<strong>in</strong>er dortigen<br />

Wohnung, um die Seelsorge <strong>in</strong> Pestzeiten und um se<strong>in</strong> Recht, dort Bier auch aus<br />

anderen Städten beziehen zu dürfen. Gerhardt schätzte besonders das Bier aus Zerbst,<br />

Bernau und Torgau. Mit e<strong>in</strong>em Sechs- oder Sieben-Personen-Haushalt sich auf drei<br />

Räume beschränken zu sollen, war er nicht willens. Er verlange ke<strong>in</strong>en Adelssitz,<br />

schrieb er, aber er bedürfe e<strong>in</strong>er für Familie und Hilfskräfte ausreichenden Wohnung.<br />

Vor allem brauche er e<strong>in</strong>en Raum zum Studieren. Missverständnisse auf beiden Seiten<br />

hätten fast zum Abbruch der Beziehungen geführt. Schließlich wurde e<strong>in</strong>e Lösung<br />

gefunden. Die letzten Amtsjahre brachten neue Belastungen. Die Lübbener<br />

kreideten ihm an, dass er zum Schutz gegen <strong>Kirche</strong>nkälte e<strong>in</strong>e damals hochmodische<br />

Perücke trug, nicht die übliche „Priestermütze“. <strong>Als</strong> er bei se<strong>in</strong>em Dienst am Altar<br />

e<strong>in</strong> Bänkchen verwendete, wohl zur körperlichen Entlastung, da stieß das auf Unverständnis.<br />

<strong>Als</strong> se<strong>in</strong>e Kräfte immer mehr abnahmen, musste er sich, nicht ganz unbegründet,<br />

vorhalten lassen, er erfülle se<strong>in</strong>en Pfarrdienst lückenhaft. Schließlich starb<br />

noch se<strong>in</strong>e Schwäger<strong>in</strong>, die ihm nach dem Tod der Ehefrau die Wirtschaft geführt<br />

hatte. Der Lübbener Gerhardt – selbstbewusst durchaus, durchsetzungsfähig, eigenwillig<br />

wohl auch, angegriffen vom Leben, von Arbeit und Altersschwäche, doch<br />

11 Gerhardt (siehe Anm. 3), 277-281.<br />

18

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!