Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland
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„Me<strong>in</strong> Sprachgesell“ – Paul Gerhardt 1607-2007 – PRAXIS<br />
IMPULSE<br />
Zweigen“, die Palmen der Gegenwart werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em galanten Wortspiel zu Psalmen,<br />
Lobliedern, und die grünen Zweige s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> zum Loben aufgelegtes Herz. 13<br />
In den Strophen 3-5 gestaltet Gerhardt die historische Dimension des Evangeliums<br />
als persönliche Begegnung zwischen Jesus und dem menschlichem Ich weiter aus.<br />
Wie gesagt: Der historische adventus <strong>in</strong> carne ist bei Gerhardt nur aussagbar als<br />
adventus <strong>in</strong> mente, das reformatorische pro me 14 bekommt so bei Gerhardt e<strong>in</strong>e<br />
eigenständige Gestalt, e<strong>in</strong>e „existentiale Interpretation“, wenn man will. Dem entsprechen<br />
die eigentlich unpassenden Tempusbeziehungen, als ereigne sich die Biographie<br />
des S<strong>in</strong>genden zu Lebzeiten Jesu. Die Theatralität des Liedes besteht dar<strong>in</strong>,<br />
dass die s<strong>in</strong>gende Person im S<strong>in</strong>gen die Szenerie ihres Alltags überschreitet und e<strong>in</strong><br />
Teil der Geschichte Jesu wird.<br />
Nun geschieht e<strong>in</strong> gravierender Perspektivenwechsel, über den im „real existierenden<br />
Geme<strong>in</strong>degesang“ <strong>in</strong> aller Regel ohne Bewusstse<strong>in</strong> h<strong>in</strong>weggegangen bzw. -gesungen<br />
wird: mit der 6. Strophe wechselt die Sprechrichtung. Bisher haben die S<strong>in</strong>genden<br />
sich im Gebet an Christus gewandt, doch nun geschieht im Vollzug des<br />
S<strong>in</strong>gens das, worum <strong>in</strong> den ersten Liedstrophen gebeten wird: das geistliche Kommen<br />
Jesu zu se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de. Das Kommen Jesu ist e<strong>in</strong> Hörereignis, er kommt <strong>in</strong><br />
der Verkündigung, und zwar, <strong>in</strong>dem die Geme<strong>in</strong>de sich das nun gegenseitig im S<strong>in</strong>gen<br />
sagt: „Der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.“ Wo steht er? Er steht hier<br />
<strong>in</strong> Gestalt der Geme<strong>in</strong>de, die ihn und se<strong>in</strong>en Trost mit ihrem S<strong>in</strong>gen zur Sprache<br />
br<strong>in</strong>gt. Jesus handelt im Medium zwischenmenschlicher Kommunikation. E<strong>in</strong><br />
theatrales Ereignis! Die Er<strong>in</strong>nerung an Off 3,20 schw<strong>in</strong>gt mit: „Siehe ich stehe vor<br />
der Tür und klopfe an. So jemand me<strong>in</strong>e Stimme hören wird und die Tür auftun, zu<br />
dem werde ich e<strong>in</strong>gehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“<br />
Die Strophen sieben bis neun bilden <strong>in</strong> der zweiten Liedhälfte e<strong>in</strong>e eigene E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong><br />
ihrem parallelen Bau. Jede erste Strophenhälfte enthält die Abwehr e<strong>in</strong>es Verhaltens,<br />
das das Kommen Jesu beh<strong>in</strong>dert: In Strophe sieben das Nachhelfen und Herbeizw<strong>in</strong>gen<br />
Jesu, als könne der Gärtner das Wachsen der Pflanze beschleunigen, <strong>in</strong>dem<br />
er sie aus dem Boden zieht, <strong>in</strong> Strophe acht der Blick auf die eigene Würdigkeit,<br />
bzw. fehlende Würdigkeit, als könne Jesus erst kommen, wenn die Menschen ohne<br />
Sünde s<strong>in</strong>d, und Strophe neun die ängstliche Orientierung an den Gegnern des E-<br />
vangeliums, als könne Jesus erst kommen, wenn alle e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung s<strong>in</strong>d. Ne<strong>in</strong>,<br />
Jesuskommtauseigenen,freienStücken(Strophe 7), schafft alle Sünde beiseite<br />
(Strophe 8) und erweist sich allen Widerständen mehr als gewachsen (Strophe 9).<br />
Diese <strong>in</strong> den jeweils zweiten Strophenhälften formulierten Trostbotschaften, <strong>in</strong> denen<br />
Jesus selbst durch die Geme<strong>in</strong>de zur Geme<strong>in</strong>de kommt, wird jedes Mal mit dem<br />
doppelten „Er kommt, er kommt ...“ und dem von Crüger <strong>in</strong> der Melodie kongenial<br />
gesetzten Quartsprung e<strong>in</strong>drücklich gemacht.<br />
In der letzten Strophe wird der lutherische topos vom adventus Christi zum Gericht<br />
mit doppeltem Ausgang <strong>in</strong> Gericht und Gnade thematisiert. Mit der 2. Strophenhälf-<br />
13 Vgl. „… und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen …“, EG 503, 15.<br />
14 Vgl. „Das hat er alles uns getan …“, EG 23, 7.<br />
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