Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland
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„Me<strong>in</strong> Sprachgesell“ – Paul Gerhardt 1607-2007 – VARIATIONEN<br />
O Haupt voll Blut und Wunden<br />
IMPULSE<br />
Vier Variationen über e<strong>in</strong>en Choral von Paul Gerhardt<br />
H ARALD SCHROETER-WITTKE<br />
Vielen gilt „O Haupt voll Blut und Wunden“ als bedeutendstes evangelisches Passionslied.<br />
Paul Gerhardts Dichtung ist Teil e<strong>in</strong>er Übertragung der sieben Passionssalven<br />
1 an die Gliedmaßen des Gekreuzigten, die zu se<strong>in</strong>er Zeit Bernhard von Claivaux<br />
zugeschrieben wurden, als deren Autor später jedoch Arnulf von Löwen ausgemacht<br />
wurde – so oder so e<strong>in</strong>e mystische Tradition. Das letzte Glied ist das Haupt Christi,<br />
das letzte Lied e<strong>in</strong> Salve auf dieses geschundene Haupt – uns zugute vergegenwärtigt.<br />
2 Auch wenn dieser Choral von heutiger Frömmigkeit vielfach beargwöhnt wird,<br />
weil die meisten gegenwärtigen Theologien heutiger Geme<strong>in</strong>deglieder mit barockmystischer<br />
Blut- und Opfertheologie nicht mehr viel anzufangen wissen, so ist dies<br />
doch der Passionschoral mit der musikalisch vermutlich weitreichendsten Rezeptionsgeschichte.<br />
In ihr vere<strong>in</strong>igt sich auf seltene Weise das Leid der Menschen mit<br />
dem Leid Gottes: In der Passion dieses Chorals realisiert sich Theanthropologie.<br />
Vielleicht liegt es daran, dass schon dieser Choral ke<strong>in</strong>e orig<strong>in</strong>äre Dichtung Paul<br />
Gerhardts ist, sondern sich <strong>in</strong> ihm Welten der Vormoderne verdichten und nach ihm<br />
Welten der Moderne und der Postmoderne entfalten.<br />
1. Variation: Hans-Leo Haßler (1564-1612) - Liebe, Schmerz und<br />
Sehnsucht<br />
Nicht nur die Dichtung hatte e<strong>in</strong>e Vorgeschichte, auch die Melodie, die Johann Crüger<br />
1656 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „Praxis pietatis melica“ mit dieser Übertragung verbunden hat.<br />
Sie gehörte zunächst zu e<strong>in</strong>em Liebeslied aus dem 16. Jh., das zurückgeht auf e<strong>in</strong>es<br />
der ältesten deutschsprachigen Lieder überhaupt. Hans Leo Haßler veröffentlicht sie<br />
1601 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em „Lustgarten Neuer Teutscher Gesäng“. Da s<strong>in</strong>gt jemand von se<strong>in</strong>em<br />
Liebeskummer, von se<strong>in</strong>em Herzeleid. Er ist se<strong>in</strong>er Traumfrau begegnet, aber es hat<br />
nicht gefunkt – und nun ist er bestimmt von Schmerz und Sehnsucht. Der Sänger<br />
1 Vgl. dazu die theologie- und kulturgeschichtlich umfassende Auslegung bei Sven Grosse: Gott und<br />
das Leid <strong>in</strong> den Liedern Paul Gerhardts. FKDG 83, Gött<strong>in</strong>gen 2001, 240-274.<br />
2 Vgl. dazu Harald Schroeter / Berthold Wicke: Wir s<strong>in</strong>d bei Gott gelitten. E<strong>in</strong> Passionsgottesdienst<br />
über den Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ und se<strong>in</strong>e Melodie; <strong>in</strong>: Ralf Koerrenz / Jochen<br />
Remy (Hg.): Mit Liedern predigen. Theorie und Praxis der Liedpredigt, Rhe<strong>in</strong>bach 1993, 99-113;<br />
Ansgar Franz: O Haupt voll Blut und Wunden; <strong>in</strong>: Hansjakob Becker u.a. (Hg.): Geistliches Wunderhorn.<br />
Große deutsche <strong>Kirche</strong>nlieder, München 2001, 275-298; sowie Elke Axmacher / Matthias<br />
Schneider: 85 O Haupt voll Blut und Wunden; <strong>in</strong>: Liederkunde zum <strong>Evangelische</strong>n Gesangbuch Heft<br />
10, Gött<strong>in</strong>gen 2004, 40-52.<br />
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