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Zum Inhalt Als PDF downloaden - Evangelische Kirche in Deutschland

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Vicco von Bülow: Geh aus, me<strong>in</strong> Herz, und suche Leid<br />

III.<br />

Gernhardts ältere Gedichte f<strong>in</strong>de ich da oft e<strong>in</strong>facher zugänglich, kann sie leichter<br />

mitsprechen. Dennoch verb<strong>in</strong>den auch sie Ernsthaftigkeit und Komik auf e<strong>in</strong>e oft<br />

ebenso subtile Art und Weise mite<strong>in</strong>ander. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel. Hier spricht der<br />

Dichter:<br />

Me<strong>in</strong> Körper rät mir: Ruh dich aus! / Ich sage: Mach´ ich, altes Haus!<br />

Denk´ aber: Ach, der sieht´s ja nicht! / Und schreibe heimlich e<strong>in</strong> Gedicht.<br />

Da sagt me<strong>in</strong> Körper: Na, na, na! / Me<strong>in</strong> guter Freund, was tun wir da?<br />

Ach gar nichts! sag ich aufgeschreckt, / und denk´: Wie hat er das entdeckt?<br />

Die Frage sche<strong>in</strong>t recht schlicht zu se<strong>in</strong>, / doch ihre Schlichtheit ist nur Sche<strong>in</strong>.<br />

Sie läßt mir seither ke<strong>in</strong>e Ruh: / Wie weiß me<strong>in</strong> Körper was ich tu?<br />

(Noch e<strong>in</strong>mal: Me<strong>in</strong> Körper; Gedichte 233f)<br />

Das kenne ich – und ich vermute, das kennen auch Sie. Da will man nur eben noch<br />

den e<strong>in</strong>en Brief schreiben, die e<strong>in</strong>e Predigt vorbereiten, die e<strong>in</strong>e Veranstaltung planen.<br />

Und bleibt deshalb e<strong>in</strong> bisschen länger als geplant im Büro. Und abends dann<br />

der Migräneanfall, der verknackste Rücken, oder der Hörsturz. Wer die Warnsignale<br />

se<strong>in</strong>es Körpers überhört, der muss dafür büßen, das ist e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Grundwahrheit.<br />

Psychosomatik. An sich schon bedenkenswert genug. Und dabei geht es<br />

natürlich nicht nur um das, was wir während der Arbeit tun. Es geht auch um „das<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Bierchen noch“, das wir uns abends genehmigen, die e<strong>in</strong>e Zigarette, „die<br />

ich jetzt unbed<strong>in</strong>gt brauch“. Der eigene Körper lässt sich nicht austricksen. Er ist<br />

sensibel gegen Be- und Überlastungen. Und er reagiert nicht immer so jovial wie im<br />

Gernhardtschen Gedicht: „Na, na, na!“<br />

Aber Gernhardt geht noch weiter: Er nimmt die Situation zum Anlass für e<strong>in</strong>e Frage,<br />

die recht schlicht zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, „doch ihre Schlichtheit ist nur Sche<strong>in</strong>.“ Es geht um<br />

die ganz alte und immer neue Frage: „Wie weiß me<strong>in</strong> Körper, was ich tu?“ Damit<br />

sche<strong>in</strong>t der Körper von dem „ich“ getrennt. Ich habe e<strong>in</strong>en Körper, der mir gegenübersteht,<br />

der etwas von mir weiß, mit mir reden kann, aber er ist nicht ich. Was b<strong>in</strong><br />

ich dann? Seele? Geist? Es gibt e<strong>in</strong>e lange philosophische und auch theologische<br />

Tradition, die so denkt. Da werden Leib-Seele-Theorien entworfen,da gibt es anthropologische<br />

Kontroversen zwischen den Vertretern der e<strong>in</strong>en und der anderen Rich-<br />

tung – ich erspare Ihnen jetzt die e<strong>in</strong>schlägigen Zitate.<br />

Robert Gernhardt zeigt mit Witz auf, dass das zu der Vorstellung führt, als könne<br />

man über se<strong>in</strong>en Körper reden wie über e<strong>in</strong> ganz fremdes Wesen. Viele große Denker<br />

haben gefordert, den Geist möglichst vom Körper des Menschen zu trennen. Der<br />

Körper wurde als e<strong>in</strong> Instrument des Bösen betrachtet, das Fleisch als der Anfang<br />

aller Verdammnis.<br />

„Wie weiß me<strong>in</strong> Körper, was ich tu?“ Wird hier nicht deutlich, dass diese Frage zu<br />

stellen heißt, sie gleichzeitig ad absurdum zu führen? Der Körper ist eben nicht so<br />

getrennt vom „ich“, dass man ihm etwas verheimlichen könnte, dass er etwas nicht<br />

wissen könnte, was das „ich“ tut. Me<strong>in</strong> Körper weiß immer, was ich tu. Das liegt<br />

IMPULSE<br />

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