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„Me<strong>in</strong> Sprachgesell“ – Paul Gerhardt 1607-2007<br />

THEMA<br />

Warum Paul Gerhardts gedenken?<br />

ANDREAS M ARTI<br />

Ist e<strong>in</strong> Gerhardt-Gedenken durch die überragende Bedeutung des Jubilars gerechtfertigt,<br />

so wie e<strong>in</strong> Bach-Jahr, e<strong>in</strong> Goethe-Jahr oder e<strong>in</strong> Mozart-Jahr? Oder ist das Gerhardt-Jahr<br />

e<strong>in</strong> willkommenes Datum, mit dem der Kulturbetrieb se<strong>in</strong>e Veranstaltungen<br />

und Spalten füllt? Drängt es sich von <strong>in</strong>nen her auf, oder wird es der Mehrheit<br />

von e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>derheit von „Gerhardt-Fans“ aufgenötigt?<br />

In heutigem Deutsch würde der Titel wohl heißen „Warum Gerhardt er<strong>in</strong>nern?“ Und<br />

dann ist zu fragen, was denn „er<strong>in</strong>nern“ heißt? Das muss sicher mehr se<strong>in</strong> als die<br />

Feststellung, dass dieser Dichter vor 350 Jahren se<strong>in</strong>e Lieder geschrieben hat und wir<br />

das jetzt wieder wissen, falls wir es vergessen hätten. Gerade im gottesdienstlichen<br />

Zusammenhang ist „er<strong>in</strong>nern“ mehr als e<strong>in</strong> Zurückbes<strong>in</strong>nen auf die Vergangenheit.<br />

Es ist umgekehrt das Here<strong>in</strong>holen des Vergangenen <strong>in</strong>s „Innere“ der Gegenwart, so<br />

dass es <strong>in</strong> dieser wirksam wird, neue Realität gew<strong>in</strong>nt und Zukunft eröffnet. Das ist –<br />

nebenbei bemerkt – auch der S<strong>in</strong>n des Zw<strong>in</strong>glischen Abendmahls als „Wiedergedächtnis“,<br />

das nur auf der Basis fundamentalen Miss- oder Unverständnisses als<br />

„bloßes Er<strong>in</strong>nerungsmahl“ abqualifiziert werden kann.<br />

An diesem Anspruch gegenwärtiger Realität und Wirksamkeit muss sich das Gerhardt-Er<strong>in</strong>nern<br />

messen lassen. Und dann müssen wir ernsthaft mit der Möglichkeit<br />

rechnen, dass es diesem Anspruch nicht oder nur bed<strong>in</strong>gt gewachsen ist, dass sich für<br />

das „Warum“ des Titels ke<strong>in</strong>e so allgeme<strong>in</strong>gültige Begründung f<strong>in</strong>det. Wie viele<br />

Dichter früherer Zeiten s<strong>in</strong>d vergessen? Wie viele Lieder Gerhardts s<strong>in</strong>d ebenso nur<br />

noch <strong>in</strong> wissenschaftlichen Quellenausgaben greifbar? Könnte Gerhardt nicht auch<br />

e<strong>in</strong>e verblassende statt e<strong>in</strong>e wirksame Er<strong>in</strong>nerung se<strong>in</strong>?<br />

Zwar gehören e<strong>in</strong>ige Gerhardt-Lieder <strong>in</strong> der Verwendungsstatistik me<strong>in</strong>er Kirchgeme<strong>in</strong>de<br />

durchaus <strong>in</strong> die – etwa zu gleichen Teilen aus alten und aus neuen Liedern<br />

bestehende – Spitzengruppe: „Ich s<strong>in</strong>ge dir mit Herz und Mund“, „Du me<strong>in</strong>e Seele,<br />

s<strong>in</strong>ge“, „Die güldene Sonne“, „Sollt ich me<strong>in</strong>em Gott nicht s<strong>in</strong>gen“ (natürlich nicht<br />

mit der düsteren Schop-Melodie, sondern mit der schwäbischen aus dem 19. Jahrhundert!).<br />

Aber es gibt auch die andere Seite. Viele Gerhardt-Lieder im Gesangbuch werden<br />

kaum gesungen; ausgerechnet zu „Ich s<strong>in</strong>ge dir mit Herz und Mund“ und „Die güldene<br />

Sonne“ haben Pfarrer<strong>in</strong>nen und Pfarrer <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er <strong>Kirche</strong> kritische Predigten<br />

gehalten und sich von e<strong>in</strong>er aus den Texten heraushörbaren geschönten, ja naiven<br />

Weltsicht distanziert; e<strong>in</strong>em Klassiker wie „E<strong>in</strong> Lämmle<strong>in</strong> geht und trägt die Schuld“<br />

hat unsere Gesangbuchkommission aus wohl überlegten theologischen Gründen (und<br />

mit me<strong>in</strong>er Stimme) den E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong>s neue Reformierte Gesangbuch verwehrt.<br />

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