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106 Probefahrt<br />
≥ unter diese Kategorie. Mit fünf spielte<br />
er Cello, mit 14 hatte er seine erste Band,<br />
und gleich sein Debüt ist ein kleiner Geniestreich,<br />
klingt so ausgereift und voller<br />
Bezüge in die Popvergangenheit und -gegenwart,<br />
dass man das Gefühl hat, <strong>de</strong>r<br />
junge Oberschwabe sei bereits ein alter<br />
Songschreiber-Hase. Referenzen in Groppers<br />
instrumentenreichem Klangkosmos,<br />
<strong>de</strong>n er fast alleine in seinem Heimstudio<br />
eingespielt hat, sind Leonard Cohen, Radiohead,<br />
Benjamin Biolay, Bright Eyes und<br />
vieles mehr aus <strong>de</strong>m nach<strong>de</strong>nklichen, melancholischen,<br />
angefolkten Crooner- und<br />
Heulsusen-Ressort. Niemals verfällt Get<br />
Well Soon jedoch <strong>de</strong>r bloßen Imitation. Es<br />
ist ein bewusstes, zitatenreiches Mitbauen<br />
am großen, seit Generationen entstehen<strong>de</strong>n<br />
»Tower Of Song«. Und dieser erhält<br />
mit »Rest Now, Weary Head!« einen<br />
wahrlich großen Stein. Frank Schuster<br />
Helen Love<br />
It’s My Club And I’ll Play What I<br />
Want To<br />
Elefant / Rough Tra<strong>de</strong><br />
Oh, wie süß! Endlich ein Album,<br />
das hält, was es verspricht.<br />
Schon auf <strong>de</strong>m Cover<br />
dieser CD tummeln sich<br />
niedliche Anime-Punks in einer bunten<br />
Discowelt; allen voran die rotschöpfige<br />
DJ-Frau im Ramones-T-Shirt. Das Universum<br />
<strong>de</strong>r Band, um die es hier geht, könnte<br />
kaum simpler gestrickt sein: ein wenig<br />
Sommer, Sonne und Surfen, viel Liebe,<br />
Disco und Jugend und ganz viel Joey Ramone<br />
– mehr braucht es in diesem Universum<br />
nicht. Eine Band zum Knud<strong>de</strong>ln,<br />
die wohl <strong>de</strong>n süßesten Bubblegum-Disco-Punk<br />
zurzeit macht. Textauszug gefällig?<br />
»She met him 1980 in a school disco<br />
/ He kissed her for the first time / On the<br />
last bus home / He said You’ll be Debbie<br />
Harry / I’ll be Joey Ramone.» Natürlich<br />
ist die Frage berechtigt, ob es eines solchen<br />
als Indie-Band getarnten Ramones-<br />
Fanclubs überhaupt bedarf. Die Antwort<br />
ist aber ebenso ein<strong>de</strong>utig. Denn so simpel<br />
das Ganze auch sein mag, so charmant<br />
ist es auch. Zumal Helen Love bereits<br />
seit <strong>de</strong>n frühen 90er-Jahren diese<br />
sympathisch ehrliche Fanattitü<strong>de</strong> vertreten<br />
– lange bevor Ramones-T-Shirts<br />
als Mo<strong>de</strong>accessoires bei H&M verkauft<br />
wur<strong>de</strong>n.<br />
Manuel Czau<strong>de</strong>rna<br />
Miss Kittin<br />
HELLO MISS KITTY STRANGE<br />
Von wegen Sister of Mercy. Miss Kittin kennt keine Gna<strong>de</strong> mit Retro. Dank Witchcraft<br />
ravet sie auf <strong>de</strong>n Flügeln <strong>de</strong>r 80er durch Goth-Kathedralen ins Zentrum <strong>de</strong>r<br />
düsteren Gegenwart. »Emily«-Zeichner Rob Reger liefert die dazu passen<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>r.<br />
T<br />
röstlich, dass eine Ära nach kollektivem,<br />
vom Markt diktiertem Revisiting auch wie<strong>de</strong>r<br />
brauchbar wird für ganz persönliche Gefühle<br />
in einer vom Allgemeinplatz überschatteten<br />
Nische. Die 60er, 70er und 80er kamen ja schon ein<br />
paar Mal zurück, Letztere allerdings nie so schön intensiv<br />
wie im Soundtrack zu Richard Kellys »Donnie Darko« (nicht<br />
umsonst ein Film über Zeitreisen, Liebe, Tod und Katzenjammer<br />
...). Im letzten Jahr hat Robyn mit ihren auf Herzschlag<br />
getunten Eighties-Collagen zwischen früher Madonna<br />
und Lisa Dalbello plus kühler Wave-Ästhetik ein Album<br />
hingelegt, das <strong>de</strong>m von manchem Hype gehörnten Autor<br />
dieser Zeilen die im Sinne <strong>de</strong>r Popweisheit verschwen<strong>de</strong>ten<br />
Lebensjahre rauschhaft durch die Glie<strong>de</strong>r trieb wie ein<br />
beflügelter Home-Run über eine Rolltreppe gegen die Laufrichtung<br />
– irgendwie passend, stellt doch eine Rolltreppe<br />
nach Hei<strong>de</strong>gger das lineare und kreisrun<strong>de</strong> Verstreichen<br />
<strong>de</strong>r Zeit gleichsam dar, wobei die Kreisbewegung im Verborgenen<br />
bleibt.<br />
Im Verborgenen <strong>de</strong>r Nacht bewegen sich auch gerne Miss<br />
Kittin und ihre Schwester, die von Rob Reger ans Licht <strong>de</strong>r<br />
Welt gesetzte Comicfigur »Emily The Strange«. Und sie kreisen<br />
um sich selbst, wie unangepasste Mädchen das eben<br />
gerne tun. Die bei<strong>de</strong>n haben sich aber insoweit vom Fleck<br />
gerührt, dass sie nun endlich bei Tage aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />
Jackie-O Motherfucker<br />
Valley Of Fire<br />
Textile / Cargo<br />
»Sing your own song and<br />
play your own music. You<br />
are a natural born music<br />
maker and a chief musician<br />
of your life ... so lift your own voice and<br />
sing!« quäkt die immer hysterischer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Stimme von Eva Salens über eine<br />
hypnotische Klangfläche. Der Text, entliehen<br />
von einem Wan<strong>de</strong>rprediger in Virginia,<br />
ist ein weiteres Manifest <strong>de</strong>s Versuchs<br />
von JOMF, spirituelle Elemente<br />
personalisiert in Musik Raum zu geben.<br />
Analog dazu trifft im Opener »Sing« <strong>de</strong>s<br />
mittlerweile 13. Albums <strong>de</strong>r Free-Form-<br />
Impro/Free-Folk-Combo um Tom Greenwood<br />
Besen auf Snare, wird kurz weggeschlossen,<br />
um sich danach nur nachhaltiger<br />
zu befreien. Zusammen mit <strong>de</strong>m<br />
20-minütigen »We Are«, einer zunächst<br />
schillern<strong>de</strong>n, krautrockig wabern<strong>de</strong>n<br />
Improvisation mit Live-Charakter, die<br />
im weiteren Verlauf zunächst »entleert«<br />
und dann zunehmend von wuchern<strong>de</strong>n<br />
elektronischen Schichten überfrachtet<br />
wird, bil<strong>de</strong>t »Sing« die Klammer um<br />
das an<strong>de</strong>re En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Albums, zwei kurze<br />
Folksongs: <strong>de</strong>n Titeltrack, <strong>de</strong>r mit flächigem<br />
Keyboard überaus gesättigt daherkommt,<br />
und »The Tree«, das durch seine<br />
leichte Unexaktheit und schnarren<strong>de</strong><br />
Gitarrensaiten besticht. Nicht nur das<br />
Wechselspiel von Improvisaton/Struktur,<br />
Dynamik/Song, Fläche/Percussion<br />
ist sehr stimmig, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r bislang<br />
verfolgte Ansatz, Traditionals/Spirituals<br />
wie hier in »Sing« nur noch als Vocal-Element<br />
unmittelbar in Improvisatorisches<br />
einzubetten.<br />
Joachim Henn<br />
konnten. Reger zeichnet verantwortlich für die Fle<strong>de</strong>rmäuse<br />
auf <strong>de</strong>m Cover zu Miss Kittins zweitem Soloalbum »Batbox«,<br />
die Emily-Ästhetik ist unverwechselbar. Und die französische<br />
Chanteuse, DJ, Produzentin, Performerin Caroline<br />
Hervé haucht gleich im Opener was von schlafen<strong>de</strong>n Vampiren<br />
und Hexen, die die Macht übernehmen. Wer nicht sofort<br />
Trockennebel in gotischen Kathedralen riecht, <strong>de</strong>m sollen<br />
Scherenhän<strong>de</strong> wachsen. Beruhigend, dass wir es eher mit<br />
einem Komplementärstück zu Robyn zu tun haben, mit ausgefeilten<br />
tanzbaren Popstücken samt allen jetzt zur Verfügung<br />
stehen<strong>de</strong>n Mitteln auf <strong>de</strong>r Basis tief eingeatmeter früher<br />
I<strong>de</strong>ale – und nicht etwa mit gepimptem EBM ohne Rückfahrkarte<br />
ins dritte Jahrtausend. Eiskalte Handclaps, Bässe<br />
wie Schläge ins Gesicht, Kick-Ass-Lyrics: »Batbox« verhält<br />
sich zu trashigem Electroclash wie die Violent Femmes<br />
zu <strong>de</strong>n Straßenkapellen auf <strong>de</strong>r Kölner Schil<strong>de</strong>rgasse. Und<br />
wenn im Song »Pollution Of The Mind« Anne Clark und Ofra<br />
Haza miteinan<strong>de</strong>r zu verschmelzen scheinen, ist es doch<br />
bloß eine sehr geistesgegenwärtige Miss Kittin, die sich die<br />
Pfötchen leckt und die Krallen ausfährt. Sicher nicht nur<br />
für mich die Platte <strong>de</strong>s Monats.<br />
Wolfgang Frömberg<br />
Miss Kittin »Batbox« (Nobody’s Bizzness / Groove Attack / VÖ 01.02.)<br />
Home Of The Lame<br />
Sing What You Know<br />
Grand Hotel Van Cleef / Indigo<br />
Hm, irgendwie etwas langweilig,<br />
aber ganz nett. Nee,<br />
kann ja nicht sein. Am besten<br />
noch mal von vorne hören.<br />
Ja, schon besser. Definitiv mehr als<br />
nett. Aber geht da noch mehr? Noch einmal<br />
von vorne. Yes, da ist es! Dass Felix<br />
Gebhard ein großartiger Singer- und Songwriter<br />
an <strong>de</strong>r Akustikgitarre ist, wussten<br />
wir ja dank Thees Uhlmann, <strong>de</strong>r ihn zuerst<br />
als Support für Tomte und dann für<br />
sein Grand-Hotel-Van-Cleef-Label verpflichtete,<br />
schon länger. Dass Felix Gebhard<br />
aber noch mehr draufhat als nur <strong>de</strong>n<br />
einsamen Wolf an <strong>de</strong>r Gitarre, konnten wir<br />
bisher nur erahnen. Die Gewissheit darüber<br />
gibt es jetzt – spätestens nach <strong>de</strong>m<br />
dritten Hören seines neuen Albums. Denn<br />
für dieses hat <strong>de</strong>r gebürtige Hannoveraner,<br />
<strong>de</strong>r mal in Schwe<strong>de</strong>n, mal in Hamburg<br />
anzutreffen ist, eine Band um sich<br />
versammelt. Und die steht ihm richtig<br />
gut. Home Of The Lame sind jetzt auch