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060 Musik das Musikvi<strong>de</strong>o mit <strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>r Schwerkraft und<br />
Von wegen die braven Jungs von nebenan. Im Herzen<br />
sind die Arctic Monkeys echte britische Hooligans.<br />
Was, ihr glaubt uns nicht? Dann schaut doch selbst<br />
mal rein in »Fluorescent Adolescent«. Zu<strong>de</strong>m ein<br />
Para<strong>de</strong>monster unserer mo<strong>de</strong>rnen Cliptage mit<br />
seinem trashy homema<strong>de</strong>-style, wie man ihn aus<br />
<strong>de</strong>m Netz kennt.<br />
Treatment<br />
Vom Regisseur verfasste Kurzzusammenfassung<br />
<strong>de</strong>s Inhalts und <strong>de</strong>s Looks<br />
<strong>de</strong>s angedachten Musikvi<strong>de</strong>os. Vor <strong>de</strong>r<br />
Produktion eines Musikvi<strong>de</strong>os fin<strong>de</strong>t<br />
eine sogenannte »Pitch« statt, in <strong>de</strong>r die<br />
Plattenfirma zahlreiche Treatments verschie<strong>de</strong>ner<br />
Regisseure einholt und anhand<br />
<strong>de</strong>rer entschei<strong>de</strong>t, wer dreht.<br />
≥<br />
vor allem <strong>de</strong>r Kausalität <strong>de</strong>s kommerziellen Films. »Virtual<br />
Insanity«, 1997 entstan<strong>de</strong>nes Musikvi<strong>de</strong>o <strong>de</strong>s ehemaligen<br />
britischen Bühnenbildners Jonathan Glazer, ist ein<br />
Beispiel für die vollen<strong>de</strong>te Kunst <strong>de</strong>s Mediums: Während<br />
Jamiroquai gemäß seinem bekannten Image, tanzend mit<br />
Hut, <strong>de</strong>n Song singt, verschiebt sich <strong>de</strong>r einer Gummizelle<br />
nachempfun<strong>de</strong>ne Raum: Schwarze Raben fliegen durchs<br />
Bild, und Blut tritt aus <strong>de</strong>n Wän<strong>de</strong>n – damit wird nicht nur<br />
die Coolness <strong>de</strong>s Rockvi<strong>de</strong>os nicht aufgehoben, nein, sie<br />
wird potenziert. Vergänglichkeit, Tod und Wahnsinn, gepaart<br />
mit Loungepop – unmöglich und gleichzeitig doch<br />
absolut treffend umgesetzt.<br />
»Gegenüber Werbung und Spielfilm ist das Musikvi<strong>de</strong>o<br />
prinzipiell ja eine sehr offene filmische Form«, merkt Uwe<br />
Fla<strong>de</strong> an. »Bei meiner Begegnung mit Depeche Mo<strong>de</strong> gab<br />
es keine kreativen Vorgaben. Eigentlich ein Traum, aber<br />
natürlich gab es dann produktionstechnische Einschränkungen<br />
und an<strong>de</strong>re Dinge, die beachtet wer<strong>de</strong>n mussten<br />
und sich dann auch auf die I<strong>de</strong>en ausgewirkt haben.<br />
Aber prinzipiell fin<strong>de</strong>t man diese kreative Freiheit beim<br />
Film ja sehr selten.«<br />
Willkommen im Heute<br />
2002 investierte eine große <strong>de</strong>utsche Plattenfirma immerhin<br />
noch 120.000 Mark in das vierte Vi<strong>de</strong>o einer damals wie<br />
heute unbekannten Newcomer-Band aus Braunschweig<br />
– für vier Vi<strong>de</strong>os macht das zusammen eine halbe Million,<br />
damals noch D-Mark, an Vi<strong>de</strong>obudget. Dieser Tage sind<br />
25.000 Euro viel für ein erstes Vi<strong>de</strong>o einer Major-Band.<br />
Wie funktioniert das mit <strong>de</strong>r Finanzierung <strong>de</strong>r Clips <strong>de</strong>nn<br />
überhaupt? »Meistens zahlt das Label 50 % und die an<strong>de</strong>re<br />
Hälfte die Band«, erklärt Beat Gottwald, ehemaliger<br />
Majorlabel-Produktmanager und heute Manager <strong>de</strong>r Hip-<br />
Hop-Band K.I.Z. »Allerdings streckt das Label die Kosten<br />
vor, und die Band bezahlt über ihre Lizenzen ab.« Insofern<br />
nur verständlich, dass auch das Label Mitspracherecht<br />
einklagt. Trotz<strong>de</strong>m braucht ein guter Regisseur Freiheit.<br />
Dazu Gottwald: »Man muss immer einen begeisterten Regisseur<br />
haben, <strong>de</strong>r Bock hat, mit <strong>de</strong>r Band die I<strong>de</strong>e durchzuziehen.<br />
Allerdings gilt auch: Wenn <strong>de</strong>r Regisseur zu 100<br />
% seinen Kopf durchboxt, fühlt sich die Band oft komplett<br />
unverstan<strong>de</strong>n und im Nachhinein nicht wohl mit <strong>de</strong>m Clip.<br />
Und wenn die Band meint, sie selbst wäre <strong>de</strong>r bessere Regisseur,<br />
kommt meistens auch nur Murks heraus. Deshalb<br />
ist es wichtig, dass Band und Regisseur miteinan<strong>de</strong>r<br />
wachsen und sich verstehen lernen.«<br />
»Was ich oft in <strong>de</strong>r Musikbranche erlebt habe, ist,<br />
dass sich in letzter Sekun<strong>de</strong> die Vorgabe än<strong>de</strong>rt und das<br />
Treatment <strong>de</strong>shalb nicht mehr funktioniert«, sagt Uwe<br />
Fla<strong>de</strong>. Die Grün<strong>de</strong> können mannigfaltig sein: Mal wird eine<br />
an<strong>de</strong>re Single ausgewählt, mal verschieben sich Termine<br />
<strong>de</strong>r Band, sodass an einem an<strong>de</strong>ren Tag o<strong>de</strong>r gar in<br />
einer an<strong>de</strong>ren Stadt gedreht wer<strong>de</strong>n muss. Gerne wird<br />
auch noch mal am Budget rumgeschraubt, nach unten,<br />
klar. Fla<strong>de</strong>: »Manchmal wird die Zeit für die Postproduktion<br />
gekürzt, was so manches fertig geschriebene effektlastige<br />
Treatment killt.«<br />
Das Musikvi<strong>de</strong>o soll gleichzeitig <strong>de</strong>n Charakter <strong>de</strong>r<br />
Künstler und die Lebenswelt <strong>de</strong>r Konsumenten abbil<strong>de</strong>n.<br />
Im Guten vermag es sich so recht schnell im kulturellen Gedächtnis<br />
festzuschreiben, doch leicht ist dies nicht, wie die<br />
dargelegten Rahmenbedingungen zeigen: Die Kreativität<br />
wird lei<strong>de</strong>r zu oft <strong>de</strong>m Konsens angenähert, um <strong>de</strong>m ständig<br />
steigen<strong>de</strong>n Konkurrenzdruck auf <strong>de</strong>m Markt standzuhalten.<br />
Es wer<strong>de</strong>n Kompromisse gemacht, um die Masse<br />
abzuholen – Marktforschung versus künstlerische Freiheit.<br />
Wenn dann auch noch die Budgets wie gezeigt nicht<br />
mehr so locker sitzen, wird es schwierig. O<strong>de</strong>r ist das nur<br />
ein vorgeschobenes Argument? Marcus Adam, Redakteur<br />
bei MTV Networks Deutschland, sollte es wissen: »Insgesamt<br />
merken wir schon, dass die Budgets für Clips in <strong>de</strong>n<br />
letzten sieben, acht Jahren nicht gewachsen sind. Teilweise<br />
gleicht sich das jedoch mit günstigeren (digitalen) Produktionsmöglichkeiten<br />
aus. Dazu kommt, dass <strong>de</strong>r Musikclip<br />
seine Vorreiterrolle als Kunstform teilweise eingebüßt<br />
hat. Viele <strong>de</strong>r eingereichten Vi<strong>de</strong>os sind Standard, d. h.,<br />
sie erfüllen ihren Zweck, mehr aber nicht.«<br />
Parallel zu <strong>de</strong>r von ihm kritisierten Ausdünnung <strong>de</strong>r<br />
Kreativität hat sich aber auch MTV sehr verän<strong>de</strong>rt. Reality-Soaps,<br />
zumeist in <strong>de</strong>n USA produziert, laufen <strong>de</strong>n<br />
Musik-Shows <strong>de</strong>n Rang ab. Dazu Adam: »Der Anteil von