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118 Heimspiel<br />
Bombee+<br />
Bombee+<br />
Home Sweet Home / Poor Dog<br />
Das ist ja das Schöne an diesem<br />
Band-Ding: dass einzelne<br />
Musiker ihre mitunter<br />
wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>n musikalischen<br />
Vorlieben unter einen Hut bekommen<br />
müssen. So ist das natürlich auch im<br />
Fall von Bombee+. Da gibt es zum einen<br />
die hörbare Vorliebe für Jack Johnsons<br />
Gitarre in ihren jazzigeren Augenblicken.<br />
Dazu gesellt sich ein Gesang, <strong>de</strong>r offenbar<br />
einem Eddie Ved<strong>de</strong>r nacheifern will.<br />
So weit, so wertneutral, vielleicht gibt es<br />
ja auch Leute, die sich nichts Besseres<br />
als diese Kombination vorstellen können.<br />
Man könnte aber auch behaupten,<br />
sie klängen wie eine Ton gewor<strong>de</strong>ne SB-<br />
Bäckerei am Hei<strong>de</strong>lberger Hauptbahnhof,<br />
<strong>de</strong>ren herausragendste Qualität das Le<strong>de</strong>rimitatsofa<br />
von Ikea darstellt. Ziemlich<br />
mittelmäßig also.<br />
Mick Schulz<br />
Caretta Caretta<br />
We Can Not Speak This Language<br />
Coraille<br />
Es ist gewagt, zu dritt in<br />
klassischer Rockbesetzung<br />
Instrumentalmusik zu machen.<br />
Aber es funktioniert<br />
– zumin<strong>de</strong>st auf klanglicher Ebene: Peter<br />
Heinrich, Johanna Jäger und Philipp<br />
Mahlmeister beherrschen ihr Handwerk<br />
und erzeugen eine beeindrucken<strong>de</strong> Dichte,<br />
was nicht zuletzt am dynamischen<br />
Schlagzeugspiel Mahlmeisters liegt. Die<br />
Musik von Caretta Caretta aus Würzburg<br />
ist äußerst komplex, und man kann ihr<br />
anhören, dass die Synkopierungen und<br />
Breaks in stun<strong>de</strong>nlangen Jams erarbeitet<br />
wur<strong>de</strong>n. Das Debüt ist zwar eine vielversprechen<strong>de</strong>,<br />
kompromisslose Umsetzung<br />
einer gemeinsamen künstlerischen<br />
Vision, die angenehm unangestrengt und<br />
trendfern ausfällt, doch noch fehlen die<br />
dramatischen Höhepunkte, die <strong>de</strong>n Zuhörer<br />
über längere Zeit fesseln können.<br />
Philipp Jedicke<br />
Ceil<br />
Pri<strong>de</strong> Of Creation<br />
Ruuf Records<br />
Man kennt die Situation:<br />
Zufällig trifft man gute alte<br />
Bekannte ausm Dorf wie<strong>de</strong>r,<br />
na so was, haben uns ja seit<br />
Ewigkeiten nicht gesehen, hast dich gar<br />
nicht verän<strong>de</strong>rt! Und alles ist sofort wie<strong>de</strong>r<br />
so wie früher. Eben <strong>de</strong>swegen ist<br />
es auch immer wie<strong>de</strong>r erfreulich, aus<br />
längst verschollen geglaubten Subgenres<br />
o<strong>de</strong>r -kulturen plötzlich und unerwartet<br />
überaus vitale Signale zu empfangen.<br />
Da klopft dann nämlich gleich dieser geile<br />
Zeitreiseeffekt an die Tür, hinter <strong>de</strong>r man<br />
all die längst verdrängten Erinnerungen<br />
abgela<strong>de</strong>n hat. Im konkreten Fall klopfen<br />
also Ceil, drei Anfang-20er, die mit großer<br />
Präzision Schlagzeug, Bass und Gitarre<br />
bearbeiten, an die Pforten <strong>de</strong>r Wahrnehmung.<br />
Hey, Crossover, was geht so bei<br />
dir? Du klingst ja immer noch so knackig<br />
und spritzig wie bei unserem letzten Treffen<br />
damals in, wo war das noch mal? Und<br />
wann? H-Blockx in Günzburg kurz vor <strong>de</strong>m<br />
Abi o<strong>de</strong>r doch beim ersten Foo-Fighters-<br />
Konzert in Memmingen? Ach, ist auch<br />
egal. Mit <strong>de</strong>n zeitgereisten Powerchords<br />
von Ceil ist ab sofort eben immer Crossover.<br />
Gib mir doch <strong>de</strong>ine Handynummer.<br />
Na dann, wir hören uns, bis bald!<br />
Nora Steinhardt<br />
Er France<br />
Ex Saint<br />
Lolila<br />
4 Experimentelle Die Nur 2 Sind<br />
UNKNWON PLEASURES<br />
In unserer aktuellen »Control«-Gesellschaft wer<strong>de</strong>n die neuen Ian Curtisse in <strong>de</strong>n<br />
nächsten Monaten ja nur so aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n sprießen.<br />
M<br />
it einem kantigen Abklatsch <strong>de</strong>s<br />
»Unknown Pleasures«-Covers ist<br />
<strong>de</strong>rzeit im Rattenrennen <strong>de</strong>r Originalität<br />
also bestimmt kein Blumentopf zu<br />
gewinnen. Macht auch nichts, <strong>de</strong>nn 4 Experimentelle Die<br />
Nur 2 Sind – die wollen wirklich so heißen und sind in echt<br />
sechs Musiker aus <strong>de</strong>r oberösterreichischen Lan<strong>de</strong>shauptstadt<br />
Linz – fin<strong>de</strong>n ihre Inspiration weniger im Manchester<br />
<strong>de</strong>r End-70er als vielmehr in einer einige Jahre später auf<br />
<strong>de</strong>m Kontinent florieren<strong>de</strong>n Tradition, die Pop als brachliegen<strong>de</strong>s<br />
Experimentierfeld komplett neu beackern wollte:<br />
Songstruktur brechen, Klangbild erweitern, Kakofonie als<br />
Glam um<strong>de</strong>uten, eben Post-Punk’sche, <strong>de</strong>utsch texten<strong>de</strong><br />
Wi<strong>de</strong>rborstigkeit, you name it. Wenn eine Band wie die 4 Lustigen<br />
2 Die Nur 6 Sind dann stolz auf eine über zehnjährige<br />
Geschichte zurückblicken kann und mit »Typewriter«<br />
ihr bereits sechstes Album vorlegt – in Linz sind sie längst<br />
Legen<strong>de</strong> –, hat sich natürlich einiges an musikalischen<br />
Lieblingsskurrilitäten angesammelt. Da ist <strong>de</strong>r atemlose<br />
Sprechsingsang von NDW, da rumpeln die kantigen Rhythmen<br />
von No Möchtegern New York, Männerchöre erinnern<br />
an selige Hardcore-Zeiten, die Bläsersätze tröten erst in<br />
Richtung Palais Schaumburg und quäken dann verhalten<br />
Er France präsentieren sich<br />
auf ihrem zweiten Album<br />
»Ex Saint« als locker-flokkige<br />
Popband – nicht viel<br />
mehr, aber auch nicht viel weniger. Zwischen<br />
<strong>de</strong>m vielen Pop lassen die bei<strong>de</strong>n<br />
Wahl-Düsseldorfer André Tebbe und Isabelle<br />
Frommer es aber auch hin und wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>zent krachen. Besungen wird <strong>de</strong>r<br />
charmante Indiesound dabei mit <strong>de</strong>utschen,<br />
französischen und englischen<br />
Texten <strong>de</strong>r Chanteuse Isabelle Frommer.<br />
Ein paar schöne musikalische Momente<br />
haben die bei<strong>de</strong>n dabei geschaffen,<br />
zumeist sind diese allerdings recht<br />
harmlos. In <strong>de</strong>n etwas wil<strong>de</strong>ren Songsequenzen<br />
french’n’rollt es dann aber ganz<br />
schön, scha<strong>de</strong>, dass es nicht mehr davon<br />
gibt. So sind Er France auf »Ex Saint« eher<br />
Mittelmaß als Überflieger. Vielleicht benötigen<br />
die bei<strong>de</strong>n Musiker einfach noch<br />
ein bisschen mehr Zeit, um dann aber so<br />
richtig super zu wer<strong>de</strong>n. Mal schauen.<br />
Vielleicht ist es ja schon auf <strong>de</strong>m nächsten<br />
Album so weit.<br />
Tine Plackmann<br />
»Free Jazz!« – eine ganze Bibliothek <strong>de</strong>s Experimentiergeists<br />
in Pop wur<strong>de</strong> da angelegt, aus <strong>de</strong>r sich die Band um<br />
Songwriter David Lipp nach eigenem Gutdünken bedient.<br />
Das so Exzerpierte wird dann von Klampfe über Bassklarinette<br />
bis Geige reich instrumentiert und arrangiert, ganz<br />
ohne Angst, die Lücken zwischen <strong>de</strong>n Referenzen auch mal<br />
mit Banalem zuzukleistern. Der Rahmen für kulturkritische<br />
Essay-Lyrik ist damit also bestens abgesteckt. Der alte<br />
Standard <strong>de</strong>s Schriftverkehrs (Brief! Schreibmaschine!)<br />
wird hymnisch besungen, die Mobiltelefonie kommt im Vergleich<br />
dagegen eher schlecht weg. Ist das noch Rückwärtsgewandtheit<br />
o<strong>de</strong>r schon die neue Nachhaltigkeit? »Hier bei<br />
uns ist das so«, antwortet lapidar <strong>de</strong>r Linzer »Hausbrauch«.<br />
Über die, nun ja, etwas uncharismatische Stimme von Sänger<br />
David Lipp braucht dabei niemand zu mäkeln, solange<br />
sich Zeilen wie »auf einer Skala von 1 bis 10 bin ich die 0<br />
und du die 11« abgreifen lassen. Wäre Ian Curtis ein etwas<br />
simpler gestrickter Popexperimentler gewesen, hätte er<br />
ein Lied über schiefe Liebesverhältnisse vermutlich in genau<br />
dieselben Worte gepackt.<br />
Arno Raffeiner<br />
4 Experimentelle Die Nur 2 Sind »Typewriter« (CD // Pumpkin Records)<br />
Guts Pie Earshot<br />
Revolt Against EP<br />
Rookie Records / Broken Silence<br />
Wütend, virtuos, heftig. Was<br />
das Duo Guts Pie Earshot an<br />
musikalischen Ergüssen abliefert,<br />
könnte man als Arabesk-Techno<br />
beschreiben, ausschließlich<br />
von Hand eingespielt – Computer<br />
und Sampler müssen aus konzeptmäßiger<br />
Überzeugung draußen bleiben, die<br />
bei<strong>de</strong>n sind echte Mucker –, mit flotten<br />
Exkursen zu Hyper-Break-Beats und feisten<br />
Schwermetallgitarren. Dazu gibt’s<br />
noch eine Ecke Grindcore, und das Cello<br />
wird immer schön durch <strong>de</strong>n Verzerrer<br />
gejagt. Das hat so was Tröstliches<br />
von seligem Punk- und Hardcore-Spirit.<br />
Wie sehr »Revolt Against« zu einer hohlen<br />
Floskel verkommen ist, wissen natürlich<br />
auch die bei<strong>de</strong>n bestens im linken Kontext<br />
und in bewährten Punkstrukturen einge-