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076 Film Staub<br />

ALLEIN MACHEN<br />

SIE DICH EIN<br />

Sean Penns »Into The Wild« han<strong>de</strong>lt von einem Aussteiger und zeigt imposante<br />

Naturaufnahmen. Auf wahren Begebenheiten basiert er auch noch. Doch lest selbst,<br />

warum Hollywoods bester echter Kerl uns trotz<strong>de</strong>m nicht enttäuscht.<br />

J<br />

e krankhafter sich <strong>de</strong>m Einzelnen die Gesellschaft<br />

darstellt und je weniger Hoffnung<br />

auf eine Solidargemeinschaft besteht, die<br />

sie gesund machen könnte, <strong>de</strong>sto größer ist<br />

die Chance, dass das Individuum zum Individualisten wird,<br />

<strong>de</strong>r als subversives Element durch zivilisatorische Gefil<strong>de</strong><br />

zieht, um <strong>de</strong>ren Bewohnern – z. B. <strong>de</strong>m Farmer Wayne,<br />

einem dänischen Freak-Pärchen, <strong>de</strong>n Ur-Hippies Jan und<br />

Rainey o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Army-Veteranen Ron Franz – hier und da<br />

ein Lächeln abzutrotzen. Zugegeben, ein verdammt langer<br />

Satz als Einleitung zur Würdigung eines Films, in <strong>de</strong>m es<br />

doch vor allem um eine I<strong>de</strong>e geht, die sich kurz und knapp<br />

als »Freiheit« bezeichnen lässt – und die im Mit einan<strong>de</strong>r<br />

pointiert das Gegenteil von »Gleichheit« be<strong>de</strong>utet, wie zuletzt<br />

auch Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt Köhler betonte. Regisseur<br />

Sean Penn zeigte bereits mit seiner Dürrenmatt-Verfilmung<br />

»The Pledge« und <strong>de</strong>m gelungensten Beitrag zum<br />

9/11-Episo<strong>de</strong>nfilm »11’09’’01«, worum es ihm in seiner Arbeit<br />

hinter <strong>de</strong>r Kamera geht. Verlorene Typen, gefangen in<br />

ihrer eigenen Welt, suchen <strong>de</strong>n Anschluss an Details aus<br />

<strong>de</strong>r Realität, die sie aus ihrem Albtraum herauskneifen<br />

könnten. Der Trick <strong>de</strong>s Christopher McCandless, Hauptfigur<br />

von Penns viertem Abendfüller »Into The Wild«, besteht<br />

darin, nach <strong>de</strong>m College-Abschluss zum Selbsterfahrungstrip<br />

quer durch die Staaten aufzubrechen. Penn inszeniert<br />

diese nach wahren Begebenheiten erzählte Geschichte mit<br />

<strong>de</strong>m Pathos einer ehrlichen Haut, die die Doppelbödigkeit<br />

jeglicher Moral nicht ver<strong>de</strong>cken mag. McCandless, dargestellt<br />

von Emile Hirsch, lan<strong>de</strong>t schon zu Beginn in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn<br />

Alaskas. Rückblen<strong>de</strong>n zeigen, was zwischen seinem<br />

Aufbruch und <strong>de</strong>m Einzug in einen alten Bus, <strong>de</strong>n er mitten<br />

in <strong>de</strong>r Wildnis fin<strong>de</strong>t, geschehen ist. Die Landschaftsaufnahmen<br />

aus Alaska sind so umwerfend wie gera<strong>de</strong>zu<br />

provokativ klischeehaft. Sean Penn verzichtet we<strong>de</strong>r auf<br />

das neugierige Reh noch auf die haarige Raupe, die fotogen<br />

ein Blatt überquert. Dabei liefert er eine Zivilisationskritik<br />

speziell für Zombies wie Horst Köhler – dass vollkommene<br />

»Freiheit« gleichbe<strong>de</strong>utend mit totaler Vereinzelung<br />

sein muss. Die hilfsbereite Dame <strong>de</strong>r Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong> von<br />

Los Angeles in ihrer engen Kabine dient als Role-Mo<strong>de</strong>l einer<br />

an<strong>de</strong>ren als McCandless' Metho<strong>de</strong>, wie man sich <strong>de</strong>m<br />

sozialen Hauen-und-Stechen entziehen kann. Sie ist eine<br />

von vielen starken Typen im tollen Ensemble, die alle für<br />

sich einen Spin-off wert wären und gemeinsam mit Sean<br />

Penn die Rolle <strong>de</strong>s »Alexan<strong>de</strong>r Supertramp« eben nicht zur<br />

einsamen Witzfigur <strong>de</strong>gradieren.<br />

Wolfgang Frömberg<br />

Into The Wild (USA 2007; R: Sean Penn; D: Emile Hirsch, Marcia Gay<br />

Har<strong>de</strong>n, William Hurt; 31.01.)<br />

Worüber kann man noch einen Film machen,<br />

wenn man schon erzählt hat, wie<br />

Zivilisation wird und vergeht? Hartmut<br />

Bitomsky hat das anhand einer Kriegsmaschine<br />

von unvergleichlicher Ausgefeiltheit<br />

im Jahr 2001 mit »B-52« getan.<br />

Danach kann man eigentlich nur noch<br />

davon erzählen, wie es so im Wesentlichen<br />

ist mit <strong>de</strong>m Leben auf Er<strong>de</strong>n. Dann<br />

macht man, wie <strong>de</strong>rselbe Regisseur jetzt,<br />

einen Film über »Staub«.<br />

Staub ist so ziemlich das kleinste Objekt,<br />

das man zum Thema eines Films<br />

machen kann. Staub ist, woraus Film<br />

wird und wozu er wie alles eines Tages<br />

wird, nach<strong>de</strong>m man sich vorher schon<br />

mit Staub in allen möglichen Formen,<br />

Farben und Beschaffenheiten herumgeschlagen<br />

hat. Staub ist das, was <strong>de</strong>r<br />

Mensch produziert. Staub ist, was nie zu<br />

bewältigen ist. Ein Rest bleibt immer. So<br />

gesehen ist Staub die größte Hoffnung,<br />

die wir haben.<br />

»Staub« ist auf seine eigene Weise –<br />

die in Venedig ständig als »total <strong>de</strong>utsch«<br />

charakterisiert, aber auch allgemein bewun<strong>de</strong>rt<br />

wur<strong>de</strong> – unendlich unterhaltsam.<br />

Allein diese Mengen an Menschen,<br />

die sich professionell mit Staub beschäftigen.<br />

Und was die oft für irre Maschinen<br />

haben! Da steht plötzlich was, das aussieht<br />

wie ein Requisit aus einem italienischen<br />

60s-Science-Fiction-Knaller.<br />

Und Bitomsky sagt lässig so was wie:<br />

»Das hier ist <strong>de</strong>r ToffSims. Ja, was macht<br />

<strong>de</strong>r eigentlich?« In diesem Augenblick ist<br />

»Staub« zugleich intellektueller Slapstick<br />

und Hohelied auf die menschliche<br />

Erfindungskraft. Es gibt auch Hel<strong>de</strong>n: Die<br />

Hausfrau, die putzt und putzt und sogar<br />

– Mutter hat’s geraten – Woche für Woche<br />

<strong>de</strong>n Fernseher aufmacht, um auch<br />

in <strong>de</strong>ssen Inneren Staub zu saugen; die<br />

fröhliche Künstlerin, die diese faszinieren<strong>de</strong>n<br />

Systeme von Staubmäusen konstruiert<br />

hat; <strong>de</strong>r Wissenschaftler, <strong>de</strong>r darüber<br />

staunt, wie das Uranium abgeht in<br />

<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>; Bitomsky selbst, <strong>de</strong>ssen Stimme<br />

mehr Charakter hat als so ziemlich<br />

alles, was an männlichen Schauspielern<br />

in <strong>de</strong>r BRD rummacht. Und <strong>de</strong>r damit<br />

Sätze von sich gibt, die so wun<strong>de</strong>rvoll<br />

konzis und furchtlos steil sind in <strong>de</strong>n<br />

I<strong>de</strong>en, die sie transportieren.<br />

Olaf Möller<br />

Staub (D/CH 2007; R: Hartmut Bitomsky; 21.02.)

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