Jahresbericht 2000-01 - Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Jahresbericht 2000-01 - Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
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des heimatlichen Kulturguts. So rief er vor fünf<br />
Jahren alle Dorfbewohner auf, alte Fotos herauszukramen<br />
<strong>und</strong> zur <strong>Kirche</strong> zu br<strong>in</strong>gen. Bei e<strong>in</strong>er<br />
Ausstellung konnte dann Jung <strong>und</strong> Alt die <strong>in</strong>teressantesten<br />
Bilder für e<strong>in</strong>e Publikation auswählen.<br />
»Spätestens da haben die letzten Dorfbewohner<br />
gesagt: Sieh an, die <strong>Kirche</strong> tut wirklich<br />
was für uns«, er<strong>in</strong>nert sich der Theologe. Mittlerweile<br />
dokumentieren drei vom <strong>Kirche</strong>nvorstand<br />
herausgegebene Bücher die Geschichte des<br />
Dorfes <strong>und</strong> der Region. 20<strong>01</strong> soll <strong>in</strong> dieser Reihe<br />
der Titel »Schulzeiten – die Volksschule <strong>in</strong><br />
Freienseen vom 16. Jahrh<strong>und</strong>ert bis heute« ersche<strong>in</strong>en.<br />
Ke<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er, dass auch die Zusammenarbeit<br />
mit Sportvere<strong>in</strong>, Feuerwehr oder Landfrauen<br />
gut gediehen ist. <strong>Kirche</strong>nvorsteher<strong>in</strong><br />
Kar<strong>in</strong> Adolf, e<strong>in</strong>e der etwa dreißig Ehrenamtlichen<br />
<strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de, verweist auf die Gottesdienste<br />
bei der Kirmes oder bei Vere<strong>in</strong>sfesten:<br />
»Die kommen sehr gut an <strong>und</strong> bedeuten e<strong>in</strong><br />
Stück Geme<strong>in</strong>schaft.« Und Bauer Löber er<strong>in</strong>nert<br />
sich an die Anfänge dieser Arbeit, als Familie<br />
Häbel mit ihrer <strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>de bei e<strong>in</strong>em Dorffest<br />
als erste <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zige e<strong>in</strong>en Stand auf der<br />
Straße hatte, der neugierig begutachtet wurde.<br />
Konzept der Selbstverantwortung<br />
»Jeder kann was – <strong>und</strong> wenn er das zur Geme<strong>in</strong>schaft<br />
beiträgt, dann funktioniert’s.« Von Häbels<br />
Konzept der Selbstverantwortung im Dorf<br />
profitiert auch er selbst: Wenn er <strong>in</strong> landwirtschaftlichen<br />
Fragen e<strong>in</strong>mal nicht mehr weiter<br />
weiß oder e<strong>in</strong>e besondere Masch<strong>in</strong>e braucht,<br />
dann hilft ganz selbstverständlich Nachbar Löber<br />
oder e<strong>in</strong> anderer Landwirt aus.<br />
E<strong>in</strong> solches Leben hat für den Geme<strong>in</strong>depfarrer<br />
auch e<strong>in</strong>e politische Dimension: Er<br />
möchte mit se<strong>in</strong>er <strong>Kirche</strong> Anwalt se<strong>in</strong> für den<br />
Erhalt e<strong>in</strong>er gewachsenen Kulturlandschaft <strong>und</strong><br />
ursprünglicher dörflicher Strukturen, die durch<br />
Landflucht <strong>und</strong> Globalisierung immer mehr<br />
zurückgedrängt worden seien. »Wenn der<br />
kle<strong>in</strong>ste Lebensraum des Menschen zerstört<br />
wird, funktioniert es auch im Großen nicht<br />
mehr«, weiß der Nebenerwerbs-Landwirt. Seit<br />
drei Jahren organisiert er e<strong>in</strong>en »Europatag« im<br />
Dorf. Dann kommen nicht nur die Freienseener<br />
Dorfbewohner, sondern auch viele andere Interessierte<br />
aus der Umgegend, um mit Referenten<br />
<strong>und</strong> Parlamentariern die Rolle der Regionen im<br />
»grenzenlosen Zeitalter« zu diskutieren <strong>und</strong> den<br />
Politikern Augen <strong>und</strong> Ohren für die Belange der<br />
Landbevölkerung zu öffnen.<br />
Geme<strong>in</strong>schaft macht Schule<br />
Am lebhaftesten wird Häbel, wenn die Rede auf<br />
die Freienseener Dorfschule <strong>in</strong> evangelischer<br />
Trägerschaft kommt, die im August 1999 eröffnet<br />
wurde. Im Mai 20<strong>01</strong> wird für sie e<strong>in</strong> neu<br />
errichtetes Gebäude e<strong>in</strong>geweiht werden. Der<br />
ganze Ort hatte sich <strong>in</strong> beispielhafter Weise für<br />
die Gr<strong>und</strong>schule engagiert, bis die <strong>Kirche</strong>nsynode<br />
der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Nassau</strong> schließlich grünes Licht gab. Hier sollen<br />
die K<strong>in</strong>der schon früh Dorfgeme<strong>in</strong>schaft kennen<br />
<strong>und</strong> schätzen lernen <strong>und</strong> dabei mit den<br />
Besonderheiten des natürlichen Jahreszyklus<br />
vertraut gemacht werden. »E<strong>in</strong> guter Weg,<br />
biblische Geschichten zu verstehen <strong>und</strong> zu<br />
erleben«, me<strong>in</strong>t der Dorfgeistliche, der »weit<br />
reichende Parallelen zwischen bäuerlichem <strong>und</strong><br />
biblischem Leben« sieht. Aber er weiß natürlich<br />
auch, dass <strong>Kirche</strong> nicht nur <strong>in</strong> dörflicher Umgebung<br />
<strong>Kirche</strong> se<strong>in</strong> kann.<br />
Dass aber e<strong>in</strong>e funktionierende Dorfgeme<strong>in</strong>de<br />
auch anderswo Schule macht, ist der<br />
ausdrückliche Wunsch des Theologen. Mit der<br />
Hälfte se<strong>in</strong>er Stelle ist er als Geme<strong>in</strong>deberater <strong>in</strong><br />
der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong> <strong>und</strong> <strong>Nassau</strong><br />
beauftragt, se<strong>in</strong>e Erfahrungen auch anderen<br />
<strong>Kirche</strong>ngeme<strong>in</strong>den zur Verfügung zu stellen. Für<br />
ihn <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Beraterkollegen ist das e<strong>in</strong>e<br />
»wichtige Bewusstse<strong>in</strong>sarbeit« – obwohl Häbel<br />
gut <strong>und</strong> gerne die volle Dienstzeit <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Geme<strong>in</strong>de verbr<strong>in</strong>gen könnte.<br />
Allmählich ist es Nachmittag geworden<br />
<strong>und</strong> der Pfarrer muss sich von e<strong>in</strong>em weiteren<br />
Gesprächspartner auf der Straße verabschieden.<br />
Wie so oft wird es noch e<strong>in</strong> langer Tag für ihn.<br />
»Jetzt gleich auf den Friedhof zu e<strong>in</strong>er Urnenbeisetzung.<br />
Dann raus aus dem Talar <strong>und</strong> aufs Feld,<br />
das Heu e<strong>in</strong>holen – denn Gewitter ist angesagt.«<br />
T H E O L O G I E S T U D I E R E N D E<br />
E<strong>in</strong>e exakte Personalplanung ist für die <strong>Kirche</strong>n schwierig. Da Pfarrer/-<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>en beamtenähnlichen<br />
Status haben, bedeutet jede E<strong>in</strong>stellung e<strong>in</strong>e (f<strong>in</strong>anzielle) Festlegung auf bis zu 40 Jahre.<br />
Gleichzeitig schwankt die Zahl der Theologiestudierenden stark. Nach großen Examensjahrgängen<br />
bis Anfang der 90er-Jahre, die auch fast alle e<strong>in</strong>gestellt wurden, ist die Zahl der Studienanfänger/-<strong>in</strong>nen<br />
nun stark rückläufig. Die Hauptursache dafür ist die zunehmende Distanz vieler<br />
Jugendlicher zur <strong>Kirche</strong>.<br />
Wenn die EKHN ihren Pfarrerstand halten will <strong>und</strong> kann, müsste sie pro Jahr im Mittel 30 junge<br />
Pfarrer/-<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>stellen. Angesichts der Studierendenzahlen ist abzusehen, dass <strong>in</strong> zehn Jahren e<strong>in</strong><br />
Nachwuchsmangel e<strong>in</strong>treten wird. Das führt zu der sche<strong>in</strong>bar paradoxen Situation, dass gegenwärtig<br />
nur e<strong>in</strong> Teil der Theologen <strong>in</strong> den Pfarrdienst übernommen werden kann, während bei den Abiturienten<br />
gleichzeitig verstärkt um Nachwuchs geworben werden muss.<br />
1994 1997 <strong>2000</strong><br />
Anzahl Anzahl Anzahl<br />
Theologiestudent<strong>in</strong>nen 195 161 112<br />
Theologiestudenten 271 182 129<br />
Theologiestudierende <strong>in</strong>sgesamt 466 343 241<br />
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