Jahresbericht 2000-01 - Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
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Wer br<strong>in</strong>gt die Todesnachricht der<br />
Ehefrau, der Tochter, die daheim <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Hotel arbeitet? Wer sagt es<br />
den Söhnen? Thomas Hilpisch hat<br />
an diesem Frühl<strong>in</strong>gstag Dienst im<br />
ehrenamtlichen Notfallseelsorge-Team des<br />
Kreises Limburg-Weilburg. Als der Funkmelder<br />
piepst, fragt er bei der Leitstelle nach <strong>und</strong> macht<br />
sich auf den Weg. Hilpisch spricht mit der völlig<br />
aufgelösten Ehefrau, holt die Tochter vom Hotel<br />
ab, »die wusste es schon, die war regelrecht<br />
zusammengebrochen«, redet mit ihrer Chef<strong>in</strong>.<br />
Er organisiert den Empfang der Jungs am Bahnhof.<br />
»E<strong>in</strong> komplexer E<strong>in</strong>satz«, sei das gewesen,<br />
sagt er nur. Er ist e<strong>in</strong> ruhiger Mann, der lieber<br />
anpackt, als viele Worte zu machen. E<strong>in</strong>er, der als<br />
freiwilliger Feuerwehrmann im Örtchen Niederzeuzheim<br />
schon viel erlebt hat <strong>und</strong> e<strong>in</strong>iges verkraften<br />
kann. »Aber als ich die Tochter derart<br />
verzweifelt angetroffen hab’, da s<strong>in</strong>d mir dann<br />
auch die Tränen runtergelaufen.«<br />
Sterben geht jeden was an<br />
Hilpisch ist e<strong>in</strong>er von derzeit 20 ehrenamtlichen<br />
Helfer<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Helfern, die <strong>in</strong> der Notfallseelsorge<br />
Limburg-Weilburg diesen Dienst am<br />
äußersten Rand des Lebens tun. Die Gruppe ist<br />
bunt gemischt: <strong>Evangelische</strong> <strong>und</strong> katholische<br />
Theologen <strong>und</strong> Pfarrer gehören ebenso dazu wie<br />
Feuerwehrleute, Rettungssanitäter <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />
Mediz<strong>in</strong>student.<br />
Ende 1996 nach mehrmonatigen Vorbereitungen<br />
gegründet, haben die Mitarbeiter <strong>in</strong>zwischen<br />
weit über 250 E<strong>in</strong>sätze h<strong>in</strong>ter sich: bei schweren<br />
Unfällen mit Toten <strong>und</strong> Schwerverletzten, bei<br />
Bränden, Selbstmorden. »In den ersten St<strong>und</strong>en<br />
nach e<strong>in</strong>em Unglück für die Betroffenen da zu<br />
se<strong>in</strong>« – so umschreibt der Gründer <strong>und</strong> Vorsitzende<br />
des Vere<strong>in</strong>s, der evangelische Pfarrer<br />
Bernd-Volker Sponholz aus We<strong>in</strong>bach, die Kernaufgabe.<br />
»Für technische <strong>und</strong> mediz<strong>in</strong>ische Hilfe<br />
bei Unfällen durch gut geschulte Kräfte ist<br />
gesorgt; zurück bleiben aber Menschen, die das<br />
Erlebte seelisch verkraften müssen.«<br />
So kümmern sich die Männer <strong>und</strong> Frauen aus<br />
Limburg-Weilburg um schwer verletzte Opfer<br />
<strong>und</strong> deren Angehörige, aber auch um Feuerwehrleute,<br />
Polizisten <strong>und</strong> Sanitäter, die ebenfalls<br />
starken Belastungen ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Indem<br />
sie all das ehrenamtlich tun, setzen sie nebenbei<br />
e<strong>in</strong> Signal: Dass Sterben <strong>und</strong> Tod jeden<br />
etwas angehen – nicht nur die Profis <strong>in</strong><br />
Krankenhäusern, bei Polizei <strong>und</strong> Bestattungsunternehmen.<br />
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