Magazin 199003
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An· der nordfriesischen Küste hatte sich die Situation zugespitzt. Hier die übert1utete Fähranlage in Dagebüll.<br />
(Fotos: dpa)<br />
Bedrohliche Situationen gab es auch an<br />
der nordfriesischen Küste. Bei Dagebüll<br />
drohte unter dem Druck der Sturmflut der<br />
Deich, der annähernd 300 Bewohner in ihren<br />
Häusern vor dem Wasser schützt, zu brechen.<br />
Nur dem vereinten Bemühen von mehreren<br />
hundert Helfern, die 700 Meter des<br />
Deichs mit rund 100000 Sandsäcken verstärkten,<br />
war es zu danken, daß die vorsorglich<br />
evakuierten Menschen zurückkehren<br />
konnten.<br />
Erneute Sturmwarnung<br />
Die größten Schäden der Sturmnacht waren<br />
kaum beseitigt, als eine erneute Sturmwarnung<br />
aufhorchen ließ. Es war der 3.<br />
Februar, als zum zweiten Male innerhalb von<br />
zehn Tagen ein Orkan, der seinem Vorgänger<br />
in Stärke nicht nachstand, die Menschen in<br />
Europa traf. Er zog von der Bretagne bis nach<br />
Thüringen eine 300 Kilometer bre~e Schneise<br />
der Zerstörung und hinterließ abgedeckte<br />
Häuser, entwurzelte Bäume und zerfetzte<br />
Stromleitungen.<br />
Am schlimmsten traf es diesmal Nordfrankreich,<br />
wo 21 Menschen umkamen. Allein<br />
im Großraum von Paris starben elf Menschen<br />
an den Folgen des Sturms, darunter<br />
drei Autofahrer, die durch umstürzende Bäume<br />
in ihren Fahrzeugen starben. Zwei Männer<br />
wurden vom Dach gefegt. 15 Kinder<br />
wurden verletzt, als der Sturm das Glasdach<br />
einer Schwimmhalle zertrümmerte.<br />
Der Straßen- und Eisenbahnverkehr um<br />
Paris und in der Normandie und der Bretagne<br />
wurden wegen umgestürzter Bäume und<br />
abgerissener Oberleitungen unterbrochen.<br />
Mindestens zwei Millionen Haushalte waren<br />
ohne Strom.<br />
In Belgien, wo der Orkan vor allem den<br />
Süden des Landes heimsuchte, wurde ein<br />
Dutzend Menschen verletzt. Die Niederlande<br />
kamen diesmal glimpflicher davon, dort waren<br />
nur die Ausläufer des Unwetters zu<br />
spüren.<br />
Autofahrer gefährdet<br />
In der Bundesrepublik waren vom zweiten<br />
Orkan insbesondere die Bundesländer Hessen,<br />
Rheinland-Plalz, Saarland und Bayern<br />
betroffen. Sechs Menschen kamen ums Leben,<br />
über 50 wurden verletzt. So stürzte in<br />
Frankfurt ein Baum auf einen fahrenden Pkw,<br />
wobei der Fahrer getötet und der Beifahrer<br />
schwer verletzt wurden. Das gleiche Schicksal<br />
erlitten in Kaiserslautern ein Mann und<br />
seine Ehefrau. Bei Koblenz starb eine Frau,<br />
die mit ihrem Fahrzeug gegen einen umgestürzten<br />
Baum geprallt war. In Bad Kissingen<br />
hatte ein Taxifahrer keine Chance mehr, als<br />
ein umstürzender Baum seinen Wagen bis<br />
aufs Bodenblech zusammenquetschte.<br />
Glück hatten über 100 Zuschauer eines<br />
Hallenhandballspiels im Landkreis Offenbach.<br />
Eine Sturmböe riß das 1200 Quadratmeter<br />
große Flachdach der Halle ab und warf<br />
es auf den danebenliegenden Parkplatz. Zu-<br />
gleich drückte der Sturm eine Seitenwand<br />
der Halle ein. Wie durch ein Wunder erlitten<br />
lediglich vier Menschen leichte Verletzungen.<br />
Vom Orkan betroffen war auch der Süden<br />
der DDR. In den Bezirken Cottbus, Dresden,<br />
Erfurt und Halle kam es durch den Sturm zu<br />
erheblichen Schäden, Menschen wurden jedoch<br />
nicht verletzt.<br />
Etwa 100 Ortschaften im polnischen<br />
Amtsbezirk Stettin waren durch Sturmeinwirkungen<br />
von der Stromversorgung abgeschnitten.<br />
In den Häfen Stettin und Swinemünde<br />
mußte die Arbeit mit Ladekränen<br />
wegen des Sturms eingestellt werden.<br />
Ungewöhnliche Wetterlage<br />
Meteorologen bezeichnen die Häufung<br />
von Sturmtiefs über Mitteleuropa als ungewöhnlich.<br />
Ein Sprecher des Seewetteramtes<br />
Hamburg dazu: "Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts<br />
beobachten wir das Wetter über<br />
dem Nordatlantik genau. Die Daten, die wir in<br />
der Zeit der beiden Orkane gesamme~ haben,<br />
sind bisher noch nicht dagewesen."<br />
Sturmtiefs über dem Nordatlantik seien in<br />
dieser Jahreszeit allerdings nicht ungewöhnlich,<br />
hieß es weiter. Wegen der fehlenden<br />
Schneedecke in Osteuropa und einem Hochdruckgebiet<br />
über dem Mittelmeer hätten sich<br />
die Zugbahnen der Tiefdruckgebiete jedoch<br />
nach Osten verlagert. Deshalb griffen Orkane,<br />
die sonst bestenfalls Irland oder Großbritannien<br />
erreicht hätten, auf das europäische<br />
Festland über. - cl -<br />
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