Magazin 199003
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Arbeicer-Samaricer-Bund<br />
Erster ASB-Ortsverband<br />
in der DDR gegründet<br />
Güstrow in Mecklenburg machte den Anfang<br />
In der DDR gibt es seit dem 27.<br />
Januar 1990 wieder den Arbeiter<br />
Samariter-Bund. 45 Jahre nach<br />
dem Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
gründeten drei Frauen und vier<br />
Männer in Güstrow (Mecklenburg)<br />
den ersten Ortsverband, 130 Kilometer<br />
jenseits der durchlässig ge·<br />
wordenen Grenze.<br />
Die Treppe ist eng und steil. Das<br />
Wohnzimmer im ersten Stock des alten<br />
Stadthauses an der Glewiner Stra·<br />
Be 3 dagegen geräumig und sehr gemütlich.<br />
Don haben 16 Männer und<br />
Frauen an der von lürgen und Sybi lle<br />
Wangerin aus drei Tischen zusammengestellten<br />
Tafel Platz genommen.<br />
Darauf steht reichlich selbstgebackener<br />
Kuchen, und die Kanne mit hei"<br />
Bem Kaffee macht unablässig die Runde.<br />
Es ist eine bunt zusammengewürfelte<br />
Runde: Maurer, Tischler, Verwaltungsangestellte,<br />
zwei Kindergännerinnen,<br />
ein selbständiger Handwerks<br />
meister und ein Student aus der<br />
DDR sowie ein Finanzbeamter, ASB<br />
Rettungssanitäter und ehrenamtliche<br />
Helfer samt Geschäftsführer aus Bad<br />
Oldesloe, dazu ein amtierender Minister<br />
aus der Bundesrepublik. Aber er,<br />
Schleswig-Holsteins lustizminister<br />
Dr. Klaus Klingner, ist an diesem<br />
Nachmittag nicht als Politiker, sondern<br />
als Präsident des Arbeiter-Samariter-Bundes<br />
seines Landes zum<br />
deutsch-deutschen Treffen nach Güsttow<br />
gefahren.<br />
Kaffee und Kuchen schmecken und<br />
an Gesprächsstoff mangelt es auch<br />
nicht. Denn alle haben das gemeinsame<br />
Ziel, dem überlasteten staatlichen<br />
Rettungswesen im Kreis Güstrow einen<br />
gemeinnützigen Hilfsdienst an die<br />
Seite zu stellen. Kennengelernt hatten<br />
sie sich im Dezember vergangenen<br />
Jahres in Bad Oldesloe. Mit defektem<br />
Wanburg-Pkw waren die Güstrower<br />
zum ASB gescbleppt worden. Don<br />
hatte man ihnen kostenlos ihr Auto<br />
reparien. Der ehrenamtl iche Einsatz<br />
hatte sie beeindruckt. Bei einem zwei-<br />
Bei Kaffee und Kuchen wird die Gründungsurkunde des ersten ASB-Ortsverbandes in Güstrow (DDR) unterschrieben.<br />
ten Besuch an der Trave hatten sie<br />
dann den Wunsch geäuBert, die Stormamer<br />
mögen ihnen helfen, einen eigenen<br />
Onsverband zu gründen. Bei<br />
Geschäftsführer lohann Hinrich Vollstedt<br />
fanden sie offene Ohren.<br />
Wie nötig die im Umbruch befindliche<br />
DDR Hilfe braucht, das hören die<br />
Stormamer auch, als sie später im<br />
Kreiskrankenhaus Güstrow ein gespendetes<br />
Röntgengerät, Betten, Rollstühle,<br />
Medikamente und medizinische<br />
Einweganikel abliefern.<br />
Eine ganze Abteilung der 500-Betten-Klinik<br />
sei stillgelegt worden und<br />
täglich entscheide sich neu, wieviele<br />
Betten belegt werden können. Das<br />
berichtet Hanmut Hoffmann, der<br />
Stellvertreter des Direktors, während<br />
des Frühstücks in der Personalkantine.<br />
Und wenn nicht 15 Soldaten der Nationalen<br />
Volksarmee ihren zivilen Kollegen<br />
beim Braunkohleschippen an der<br />
völlig veralteten Zenualheizung unterstützen<br />
würden, gäbe es auch kein<br />
heiBes Wasser und keine warmen Zimmer<br />
mehr. Überall fehlen die in den<br />
Westen übergesiedelten Ärzte,<br />
Schwestern und Hilfskräfte.<br />
Das haben längst auch Sybille Wangerin<br />
und Monika Hener festgestellt<br />
und ihren Ehepannern und Freunden<br />
berichtet. Die beiden Frauen si nd in<br />
der Verwaltung des Kreisärztlichen<br />
Dienstes beschäftigt und erleben täglich,<br />
wo es Probleme im Gesundheitswesen<br />
gibt. Und so geht es schneller<br />
als erwanet an diesem deutsch-deutschen<br />
Nachmittag. Auf der vom ASB<br />
Stormam gespendeten elektrischen<br />
Schreibmaschine tippt Sybille Wangerin<br />
im Kinderzimmer eine Gründungsurkunde.<br />
Die vier Punkte des Dokumentes<br />
hatte der ASS-Präsident aus<br />
Schleswig-Holstein zuvor handschriftlich<br />
formuliert.<br />
Dem neuen Onsverband Güstrow<br />
beitleten kann jeder, der in der Stadt<br />
Güsuow oder im Kreis Güstrow wohnt<br />
und anderen Menschen helfen will.<br />
Die Mitglieder wollen ehrenamtlich<br />
im Rettungs- und Sozialdienst arbeiten,<br />
und sich deshalb zur Hilfeleistung<br />
in Not- und Unglücksfällen ausbilden<br />
lassen. Das ist der wichtigste der insgesamt<br />
vier Paragraphen auf dem von<br />
allen sieben Gründungsmitgliedern<br />
unterzeichneten Dokument. Zum Vorsitzenden<br />
wird lürgen Wangerin bestimmt,<br />
Erhardt Steinbrinck ist stellvertretender<br />
Vorsitzender, Monika<br />
Herter Schriftführerin. Einen Durchschlag<br />
des Schriftstückes bekommt<br />
der Bürgermeister GÜstrows. Der muß<br />
auch entscheiden, ob der junge Verein<br />
wenige Wochen vor den ersten freien<br />
Wahlen die richtigen Stanchancen bekommt:<br />
eine Bleibe. Das Büro im<br />
ersten Stock des alten Amtsgerichtes<br />
an der DomstraBe Nr. 10 sowie zwei<br />
Garagen im Hof sind noch frei, nachdem<br />
SPD und Neues Forum don eingezogen<br />
sind.<br />
Vor vier Wochen hatten noch Amtsrichter<br />
und lustizbeamte in dem gelblichen<br />
Putzbau gearbeitet. Weil die<br />
SED-Kreisführung aber der lustiz auf<br />
Druck der Güsttower das vor zwei<br />
lahnehnten widerrechtlich bezogene<br />
Landgerichtsgebäude am alten Schloß<br />
IBEVOLKERUNGSSCHUTZ-MAGAZIN 3/901 53