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Reformation. Macht. Politik - Evangelische Kirche in Deutschland

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<strong>Reformation</strong><br />

<strong>Reformation</strong><br />

NAH AN DER SACHE, NAH AM MENSCH<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip der Subsidiarität ist wesentlich für unser Zusammenleben <strong>in</strong> Freiheit<br />

VON HANS ULRICH ANKE<br />

ALTENPFLEGE,<br />

SUPPEN KÜCHE,<br />

NACHHILFE – im<br />

Sozialwesen konkurrieren<br />

<strong>Kirche</strong>n,<br />

Kommunen und viele<br />

andere Anbieter<br />

mite<strong>in</strong>ander. Im<br />

Ergebnis: das<br />

Gegenteil von Gleichschaltung.<br />

Die <strong>Reformation</strong> als „Meilenste<strong>in</strong> auf dem<br />

Weg zu e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft<br />

und aktiven Zivilgesellschaft“<br />

– das ist e<strong>in</strong>es von zwei Kernthemen, die Staat<br />

und evangelische <strong>Kirche</strong> <strong>in</strong> der Lutherdekade<br />

für das Themenjahr 2014 „<strong>Reformation</strong> und <strong>Politik</strong>“<br />

geme<strong>in</strong>sam aufgreifen wollen. Dabei lässt<br />

sich manches wiederentdecken, was wesentlich<br />

für das Zusammenleben <strong>in</strong> der freiheitlichen<br />

Gesellschaft ist und doch zunehmend aus dem<br />

Blick gerät – zum Beispiel das Pr<strong>in</strong>zip der Subsidiarität.<br />

Häufig wird das Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip als Errungenschaft<br />

der katholischen Soziallehre dargestellt.<br />

Se<strong>in</strong>e Wurzeln reichen <strong>in</strong>des weiter zurück:<br />

Bereits Aristoteles formuliert dessen Grundlagen<br />

unter dem E<strong>in</strong>druck des Spannungsfeldes zwischen<br />

dem Bedürfnis nach Geme<strong>in</strong>schaftsorganisation<br />

und der Freiheit des Individuums. Es<br />

gibt auch biblische Vorbilder, etwa bei der E<strong>in</strong>setzung<br />

von Helfern für Mose auf Rat von Moses<br />

Schwiegervater („Nur wenn es e<strong>in</strong>e größere Sache<br />

ist, sollen sie diese vor dich br<strong>in</strong>gen, alle ger<strong>in</strong>geren<br />

Sachen aber sollen sie selber richten“ 2.<br />

Buch Mose 18, 13ff.). Anfang des 17. Jahrhunderts<br />

nahm der Calv<strong>in</strong>ist Althusius das Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip<br />

zu den Grundlagen für die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es föderalistischen Gesellschaftsmodells.<br />

Im Kern dient das Pr<strong>in</strong>zip der Subsidiarität<br />

dazu, Aufgaben möglichst sachnah, ortsnah und<br />

menschennah erledigen zu lassen. Das begrenzt<br />

die <strong>Macht</strong> höherer Entscheidungs<strong>in</strong>stanzen und<br />

entlastet sie zugleich. Es geht freilich auch mit der<br />

Pflicht zur wechselseitigen Unterstützung und<br />

FOTOS: BARTH, PLAMBECK, WERNET/LAIF<br />

Loyalität der unterschiedlichen Organisationsebenen<br />

e<strong>in</strong>her. Diese unterschiedlichen Aspekte<br />

des Begriffs werden <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Etymologie s<strong>in</strong>nfällig:<br />

Im Late<strong>in</strong>ischen bedeutet „subsidiarius“ „Reserve“,<br />

„subsidium“ ist zu übersetzen mit „Hilfe,<br />

Beistand, Schutz“. Das Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip<br />

schützt durch se<strong>in</strong>e Begrenzungs- (subsidiarius)<br />

und fördert durch se<strong>in</strong>e Unterstützungsfunktion<br />

(subsidium) die Eigen<strong>in</strong>itiative und -verantwortung<br />

der „kle<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>heit“, der Kommunen, der<br />

freien Wohlfahrtsträger, der Bürger, und ist deshalb<br />

e<strong>in</strong> wesentlicher Garant für Freiheit und die<br />

Abwehr staatlicher „Totalitätsansprüche“. Daran<br />

gilt es zu er<strong>in</strong>nern, wenn <strong>in</strong> aktuellen Debatten<br />

allzu rasch der Ruf nach der öffentlichen Hand<br />

aufkommt, anstatt auf das Engagement freier gesellschaftlicher<br />

Akteure zu setzen.<br />

Ausgangspunkt solch e<strong>in</strong>er Wiederentdeckung ist<br />

das reformatorische Freiheitsverständnis. Danach<br />

wird der Mensch im Glauben zu der Person, die<br />

von Gott anerkannt und dadurch frei ist. Diese im<br />

Kern religiöse Erkenntnis der <strong>Reformation</strong> über<br />

die Person, ihre Freiheit und ihre Verantwortung<br />

vor Gott und den Menschen hat tiefgreifend auch<br />

„das öffentliche Leben, gesellschaftliche Strukturen<br />

und Wirtschaftshandeln, kulturelle Wahrnehmungsmuster<br />

und Mentalitäten ebenso wie<br />

Rechtsauffassungen, Wissenschaftskonzepte und<br />

künstlerische Ausdrucksgestalten mitgeformt“.<br />

So hat es der wissenschaftliche Beirat <strong>in</strong> den „Perspektiven<br />

für das <strong>Reformation</strong>sjubiläum 2017“<br />

herausgearbeitet, und so hat es das Kuratorium<br />

Luther 2017 als Grundlage für die Ausgestaltung<br />

der Lutherdekade und des <strong>Reformation</strong>sjubi­ ><br />

„Perspektiven für das<br />

<strong>Reformation</strong>sjubiläum 2017“<br />

zu f<strong>in</strong>den unter<br />

www.luther2017.de/sites/<br />

default/files/downloads/<br />

perspektivenlutherdekade.pdf<br />

12<br />

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