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SPIEGEL-Titel 32/2013<br />
Briefe<br />
„Ich habe mehrere Bücher über<br />
Napoleon gelesen, aber ich kann<br />
mich nicht erinnern, einen so<br />
brillanten und knappen Aufsatz<br />
über ihn gesehen zu haben.“<br />
PROF. MARKO ZLOKARNIK, GRAZ<br />
Sie versuchen sich am Tiefloten einer<br />
Epoche, bleiben aber mit dem Senkblei<br />
bereits am Schiffsdeck hängen. So wahr<br />
es auch ist, dass Napoleon Volkes Meinung<br />
mittels Zeitungsmedien manipulierte,<br />
mutet Ihre Einlassung über „richtige<br />
Techniken von Politikern und das Geheimnis<br />
der Demokratie“ als an den Haaren<br />
herbeigezogen an. Ohne seine überragende<br />
Intelligenz, Energie, Entschlossenheit,<br />
ja auch sein Charisma hätte<br />
Bonaparte keinen Hund zwischen Paris<br />
und Moskau hinterm Ofen vorlocken<br />
oder gar beeinflussen können.<br />
HENDRIK SCHLEGEL, ERFURT<br />
Nr. 32/2013, Der Fall Napoleon –<br />
die Geburt der modernen Diktatur<br />
Weltseele zu Pferde<br />
Ich glaube nicht, dass sich die <strong>eu</strong>ropäischen<br />
Völker mit der – fast reflexhaften –<br />
Bekämpfung Napoleons einen Gefallen<br />
getan haben. Übersehen wird oft, dass es<br />
in den „Napoleonischen Kriegen“ auch<br />
um den (frühen) Versuch einer Einigung<br />
Europas ging. Zwar unter französischen<br />
Vorzeichen, aber wäre das wirklich so<br />
schlecht gewesen? Besonders angesichts<br />
dessen, was im folgenden Jahrhundert<br />
dann an wirklich Diktatorischem über<br />
Europa hereinbrechen sollte, hauptsächlich<br />
in d<strong>eu</strong>tschem und (russisch-)so -<br />
wjetischem Namen? Goethe jedenfalls<br />
hat der „Weltseele zu Pferde“ (Hegel über<br />
Napoleon) durchaus Glück gewünscht!<br />
MICHAEL JARRATH, BRECKERFELD (NRW)<br />
Mein Geschichtslehrer antwortete errötend<br />
auf die Frage, warum diese Militärs<br />
wie Caesar, Alexander der Große, Friedrich<br />
der Große, Napoleon et cetera, die<br />
Millionen Menschen auf dem Gewissen<br />
haben, von den Historikern häufig so<br />
positiv b<strong>eu</strong>rteilt werden: „Die haben<br />
doch auch so viel Gutes getan.“<br />
JÜRGEN NEUNABER, OLDENBURG<br />
Sie hätten das Foto von dem Invalidendom-Besucher<br />
Hitler noch näher kommentieren<br />
sollen. Da blickt der größte<br />
Verbrecher des 20. Jahrhunderts auf den<br />
Sarkophag des größten Verbrechers des<br />
19. Jahrhunderts. Es gibt so viele Parallelen,<br />
nicht nur die Lügen, Vertragsbrüche,<br />
den unkontrollierten Größenwahn, die<br />
Plünderungen, Brandschatzungen, Vertreibungen,<br />
die systematische Massenvernichtung,<br />
die Millionen Toten, Verstümmelten,<br />
Hungernden und Verzweifelten.<br />
Die Moderne beginnt in Europa politisch<br />
betrachtet mit der Französischen Revolution,<br />
nicht mit den Napoleonischen Kriegen.<br />
Militärische Erfolgsberichte als versuchte<br />
Rechtfertigung von unbe schreib -<br />
lichen Tragödien gibt es schon zu viele.<br />
WOLFGANG LEDERER, SCHWAZ (ÖSTERREICH)<br />
10<br />
Im Juni 1813 drängte Fürst von Metternich,<br />
der österreichische Außenminister,<br />
Napoleon zu einem Verhandlungsfrieden,<br />
um weiteres, unnötiges Blutvergießen zu<br />
verhindern. Doch Napoleon war zu keinem<br />
Zugeständnis bereit. Der Franzosenkaiser<br />
lehnte die Friedensinitiative Metternichs<br />
mit den Worten: „Ein Mann wie<br />
Völkerschlachtdenkmal in Leipzig<br />
ich scheißt auf das Leben einer Million<br />
Menschen“, schroff ab. Übrigens, das<br />
Zeitalter der modernen Politik und<br />
Kriegsführung hat nicht in Paris, sondern<br />
schon in Sanssouci begonnen. Europa<br />
hat es zu spüren bekommen, und wir<br />
spüren es h<strong>eu</strong>te noch. Deshalb kein Nachruhm<br />
und keine Verherrlichung dieser<br />
sogenannten großen Feldherren, gleichgültig<br />
ob sie Napoleon Bonaparte,<br />
Fritz, Wilhelm et cetera geheißen haben,<br />
auch wenn sie uns den Code Civil hinterlassen,<br />
komponiert und Querflöte<br />
gespielt haben.<br />
WALTER BERCHTHOLD, FÜRSTENZELL (BAYERN)<br />
Nicht nur die Sprachästhetik, die Stendhal<br />
lobt, sondern vor allem der Inhalt<br />
des Code Civil waren wegweisend. Die<br />
im Code proklamierte Rechtsgleichheit<br />
und Freiheit der Person sowie der Abschied<br />
von allen f<strong>eu</strong>dalen Reminiszenzen<br />
hat Napoleon über die französischen Landesgrenzen<br />
hinaus Akzeptanz eingebracht.<br />
Der Code Civil ist ein wirkliches<br />
Geschöpf der Aufklärung.<br />
DR. HELMUT ESCHWEILER, BERLIN<br />
DER SPIEGEL 33/2013<br />
WALTRAUD GRUBITZSCH / PICTURE ALLIANCE / DPA<br />
Nr. 31/2013, SPIEGEL-Gespräch mit<br />
Otto Schily<br />
Als Schily noch Schily war<br />
Jeden Satz von Schily kann man dick unterstreichen.<br />
Betroffen dreinschauende<br />
Politiker, Intellektuelle und nicht wenige<br />
Journalisten sch<strong>eu</strong>en das Wort „Terrorismusbekämpfung“<br />
mit Blick auf die NSA<br />
wie der T<strong>eu</strong>fel das Weihwasser. Eine Verhöhnung<br />
der Terroropfer von 2001.<br />
WERNER SCHNEPP, WERDOHL (NRW)<br />
Wer ist hier eigentlich paranoid? Es ist ein<br />
politischer Fehler zu versuchen, den Terrorismus<br />
allein mit polizeilichen, militärischen,<br />
kriegsähnlichen Methoden zu bekämpfen.<br />
Dauerhaften Erfolg werden wir<br />
nur haben, wenn wir uns unsere Art zu leben<br />
erhalten, aber auch wenigstens versuchen,<br />
uns um die Ursachen des Terrorismus<br />
zu kümmern. Und selbst wenn Herr Schily<br />
damit einverstanden ist, möchte ich nicht,<br />
dass die USA in unserer Verfassung her -<br />
umholzen wie eine Besatzungsmacht.<br />
„Man bekämpft“, hieß es 1978 in einem<br />
Aufruf der Humanistischen Union, „die<br />
Feinde des Rechtsstaats nicht mit dessen<br />
Abbau, und man verteidigt die Freiheit<br />
nicht mit deren Einschränkung.“ Erstunterzeichner<br />
war Otto Schily, als er noch<br />
Otto Schily war. Richtig ist es h<strong>eu</strong>te noch.<br />
DR. DR. BURKHARD HIRSCH, DÜSSELDORF<br />
BUNDESTAGSVIZEPRÄSIDENT A. D.<br />
Wie kann ein so erfahrener Mann so blauäugig<br />
sein? Die USA stellen ihre Interessen<br />
im Zweifelsfall doch über die Menschenrechte<br />
und das Recht anderer Staaten.<br />
HEINER SCHÜRMANN, SCHÖNEBECK<br />
Wenn Otto Schily den Schutz der Würde<br />
des Menschen gleichsetzt mit der Gewährleistung<br />
der Sicherheit des Menschen,<br />
dann ist das schon eine abent<strong>eu</strong>erliche<br />
verfassungsrechtliche Entgleisung.<br />
MANFRED STEINBACH, BAD KARLSHAFEN<br />
Wieso sollte ein Bürger einem Staat vertrauen,<br />
wenn der ihm nicht vertraut?<br />
DR. STEFAN GORSOLKE, BERLIN