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Demonstranten am US-Komplex im hessischen Griesheim<br />
PDH<br />
Shrimps aus Griesheim<br />
<strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> ist für die NSA Partner und Angriffsziel zugleich, wie eine Aufgabenliste der<br />
amerikanischen Aufklärung zeigt. Von Hessen aus operiert der Nachrichtendienst mit<br />
dem Schnüffelwerkz<strong>eu</strong>g XKeyscore – die Ergebnisse werden dem US-Präsidenten vorgetragen.<br />
Das Gelände ist mit einem hohen<br />
Drahtzaun gesichert, darüber haben<br />
die dort ansässigen US-Truppen<br />
teils zusätzlich Nato-Stacheldraht gewickelt.<br />
Die Parkflächen sind riesig, die<br />
Gebäude eher überschaubar, deshalb ahnen<br />
Griesheimer Bürger schon lange, dass<br />
sich der Arbeitsalltag vieler Mitarbeiter<br />
unter der Erde abspielt – und es um ein<br />
geheimes Geschäft geht: Spionage.<br />
Der sogenannte „Dagger-Komplex“ gehört<br />
zu den am besten geschützten Arealen<br />
in Hessen, und was passieren kann,<br />
wenn man sich zu intensiv dafür inter -<br />
essiert, erlebte kürzlich der Griesheimer<br />
Daniel Bangert. Inspiriert durch die Enthüllungen<br />
von Edward Snowden, hatte er<br />
Anfang Juli via Facebook zu einem „Spaziergang“<br />
zum Dagger-Komplex eingeladen,<br />
um „gemeinsam den bedrohten Lebensraum<br />
der NSA-Spione zu erforschen“.<br />
Prompt bekam es Bangert noch vor seiner<br />
Spionage-Safari mit der Polizei zu tun.<br />
Für den Gebäudekomplex im Umland<br />
von Darmstadt interessieren sich derzeit<br />
auch die Parlamentarier des D<strong>eu</strong>tschen<br />
Bundestags. Denn der Campus beherbergt<br />
eine der wichtigsten <strong>eu</strong>ropäischen<br />
Dependancen des amerikanischen Geheimdienstes<br />
National Security Agency<br />
(NSA), der durch die Informationen seines<br />
ehemaligen Mitarbeiters Edward<br />
Snowden weltweit in der Kritik steht.<br />
Laut internen Dokumenten der NSA,<br />
die der SPIEGEL einsehen konnte, residiert<br />
in Griesheim das „Europäische kryptologische<br />
Zentrum“ des Dienstes, kurz<br />
ECC. Aus einem NSA-Bericht von 2011<br />
geht hervor, dass es sich dabei um den<br />
„größten Analyse- und Produktionsstandort<br />
in Europa“ handle: Die Ergebnisse<br />
der Arbeit in der geheimen Einrichtung<br />
im Landkreis Darmstadt-Dieburg fänden<br />
durchschnittlich zweimal pro Woche<br />
Eingang in die Lageberichte an Präsident<br />
Barack Obama, die sogenannten „Presidential<br />
Daily Briefs“.<br />
<strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> ist für die NSA in vielerlei<br />
Hinsicht ein besonderer Standort. Aus wenigen<br />
anderen Ländern fließen so viele<br />
Daten nach Amerika, erhebliche Teile liefert<br />
der d<strong>eu</strong>tsche Bundesnachrichtendienst<br />
(SPIEGEL 32/2013). Zugleich ist die<br />
Bundesrepublik – allen fr<strong>eu</strong>ndschaftlichen<br />
Bet<strong>eu</strong>erungen zum Trotz – selbst Zielscheibe<br />
der Aufklärung. Laut einer als<br />
„geheim“ eingestuften Übersicht aus dem<br />
Snowden-Archiv, die der SPIEGEL einsehen<br />
konnte, gehört <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> zu jenen<br />
Nationen, die von den Amerikanern nachrichtendienstlich<br />
aufgeklärt werden.<br />
In der Übersicht aus dem April 2013<br />
definiert die NSA ihre „intelligence priorities“,<br />
also die nachrichtendienstlichen<br />
Prioritäten. Die Skala reicht von „1“<br />
(höchstes Interesse) bis „5“ (niedrigstes<br />
Interesse). Zu den Top-Zielen zählen, wenig<br />
überraschend, China, Russland, Iran,<br />
Pakistan und Afghanistan.<br />
<strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> rangiert in dieser Art<br />
Hausaufgabenliste im Mittelfeld, etwa auf<br />
einer Ebene mit Frankreich und Japan,<br />
aber vor Italien und Spanien. Im Themenraster<br />
des Geheimdienstes befinden sich<br />
laut der Übersicht vor allem die d<strong>eu</strong>tsche<br />
Außenpolitik sowie Fragen der ökonomischen<br />
Stabilität und Gefahren für die Finanzwirtschaft,<br />
beide sind mit einer „3“<br />
markiert. Weitere Aufklärungsaufträge<br />
umfassen Themen wie Waffenexporte,<br />
n<strong>eu</strong>e Technologien, hochentwickelte konventionelle<br />
Waffen und den internationalen<br />
Handel, alle mit der Priorität „4“. Für<br />
weniger bedrohlich halten die US-Lau-<br />
DER SPIEGEL 33/2013 23