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Dopingvorgänge gab. Die Nationale<br />
Anti-Doping-Agentur, die Nada, war<br />
zunächst sehr kooperativ, aber dann<br />
verweigerte sie uns die zugesagten Kopien<br />
über wichtige Dopingvorgänge.<br />
SPIEGEL: Die Nada bestreitet das. Welche<br />
Dokumente meinen Sie?<br />
Eggers: Etwa Auseinandersetzungen der<br />
Anti-Doping-Kommission, also der Vorgänger-Institution<br />
der Nada, mit dem<br />
DFB, der sich zu Beginn der n<strong>eu</strong>nziger<br />
Jahre nicht dem zentralen Doping-Kontrollsystem<br />
unterwerfen wollte. Aber<br />
auch Kopien von Dokumenten aus dem<br />
Tennis, die wir dort nur eingesehen haben,<br />
hätten uns geholfen.<br />
SPIEGEL: Im März 2012 haben Sie Ihren<br />
Abschlussbericht abgegeben, er hat<br />
804 Seiten. Warum wurde die Studie damals<br />
nicht so veröffentlicht?<br />
Eggers: Das BISp wollte den wissenschaftlichen<br />
Wert der Arbeit nicht anerkennen.<br />
Forschungsleiter Giselher<br />
Spitzer hat den Bericht dann auf 117 Seiten<br />
gekürzt und diesen Ende März 2013<br />
abgegeben. Auch dann passierte erst<br />
mal nichts.<br />
SPIEGEL: Warum haben Sie die Arbeit<br />
nicht auf eigene Faust veröffentlicht?<br />
Eggers: Das war nicht möglich. Das BISp<br />
weigerte sich, uns für den Inhalt des<br />
Berichts Rechtssicherheit zu gewähren.<br />
Mögliche Klagen von Personen, die in<br />
dem Bericht vorkommen, wären an uns<br />
gegangen. Und wir wollen nicht zehn<br />
Jahre in Gerichtssälen verbringen. Hinzu<br />
kam, dass es immer hieß, es bestünden<br />
datenschutzrechtliche Bedenken. Tat -<br />
sache aber ist: Am 4. Juni hat das BISp<br />
Spitzers Kurzfassung dem Bundesdatenschutzbeauftragten<br />
vorgelegt. Einen Monat<br />
später sagte der: alles in Ordnung.<br />
Doch das wurde uns nicht mitgeteilt. Die<br />
gaben uns also das Gefühl, die Veröffentlichung<br />
sei allein unser Risiko. Vom<br />
positiven Bescheid der Datenschützer<br />
habe ich erst vorige Woche erfahren.<br />
SPIEGEL: Die Kurzfassung des Berichts<br />
wurde vorigen Montag ins Netz gestellt,<br />
die lange Version ging an den Bundestags-Sportausschuss.<br />
Ihre Ergebnisse haben<br />
eine erregte Debatte ausgelöst. Ist<br />
das für Sie eine Genugtuung?<br />
Eggers: Wir hätten lieber unsere Arbeit<br />
zu Ende geführt und auch den Zeitraum<br />
von 1990 bis 2007 erforscht.<br />
SPIEGEL: Das BISp behauptet, Sie hätten<br />
Ihre Untersuchungen fortführen können,<br />
das nötige Geld habe zur Verfügung gestanden.<br />
Warum kam es nicht dazu?<br />
Eggers: Eigentlich sollte unser Projekt<br />
bis März 2013 laufen. Aber das BISp hat<br />
uns mit der Finanzierung für das letzte<br />
Jahr so lange hingehalten, dass wir aufgeben<br />
mussten.<br />
nen, die Zeit gewinnen wollen, Zeit, in<br />
der die Affäre an Schwung verliert, die<br />
Empörung sich legt und Gras über die Sache<br />
wächst. Und Bach braucht Zeit, ein<br />
Skandal wäre das Letzte, was er gebrauchen<br />
kann, so kurz vor dem IOC-Thron.<br />
Als 2007 offenkundig geworden war,<br />
dass an der Freiburger Uni-Klinik die Radprofis<br />
vom Team T-Mobile im großen Stil<br />
gedopt wurden, begannen zwei Kommissionen,<br />
das Dopingsystem der badischen<br />
Sportmedizin zu durchl<strong>eu</strong>chten. Die größere<br />
der beiden ist mit ihrer Arbeit bis<br />
h<strong>eu</strong>te nicht fertig geworden.<br />
Nacheinander arbeiteten ein früherer<br />
Sozialgerichtspräsident und die Mafia-Expertin<br />
Letizia Paoli als Chefaufklärer.<br />
Mittlerweile haben sich Mitglieder wie<br />
der Anti-Doping-Experte Werner Franke<br />
frustriert aus der Kommission verabschiedet.<br />
Paoli kritisiert, wichtige Unterlagen<br />
seien vorenthalten worden, sie fühlt sich<br />
von der Uni-Leitung „getäuscht und hintergangen“.<br />
Man ist so zerstritten, dass<br />
nicht mehr viel Erhellendes aus Freiburg<br />
zu erwarten ist.<br />
Der Radsport ist in <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> an seinen<br />
Dopingskandalen fast zugrunde gegangen,<br />
aber meistens hatten die Fälle<br />
ihren Ursprung im Ausland. Das Ende<br />
von Jan Ullrich und dem T-Mobile-Rennstall<br />
begann mit der spanischen Fuentes-<br />
Affäre und den Memoiren eines belgischen<br />
Betr<strong>eu</strong>ers. Den Gerolsteiner-Fahrern<br />
Stefan Schumacher und Bernhard<br />
Kohl waren positive Proben bei der Tour<br />
de France zum Verhängnis geworden, gerade<br />
erst wurde Erik Zabel durch eine<br />
nachträgliche Analyse in Frankreich als<br />
Lügner entlarvt. Spanien, Frankreich und<br />
Österreich haben Anti-Doping-Gesetze<br />
erlassen, sogar Italien hat das so gemacht,<br />
obwohl es nicht gerade für seine zackige<br />
Legislative berühmt ist. Staatsanwälte<br />
und Polizisten greifen ein, um Doper und<br />
ihre Hinterl<strong>eu</strong>te zu erwischen, Razzien<br />
werden angeordnet, um Beweismittel zu<br />
sichern, so läuft das, wenn Sportbetrug<br />
als Straftatbestand gilt.<br />
Die Lobby des d<strong>eu</strong>tschen Sports hat es<br />
bislang verhindert, dass die Politik etwas<br />
Strengeres als das Arzneimittelgesetz einführt.<br />
Stattdessen werden Niederlagen<br />
von Athleten gegen ausländische Konkurrenz<br />
gern als Beleg dafür hergenommen,<br />
wie sauber es hier im Hochleistungssport<br />
zugehe. Die Nationale Anti-Doping-<br />
Agentur wird in Festreden gelobt, leidet<br />
aber in der Praxis darunter, dass sie viel<br />
zu wenig Geld von Sport und Staat erhält,<br />
um mehr als ein paar kleinen Fischen auf<br />
die Schliche zu kommen. Im Vorjahr gingen<br />
bei 8567 Trainingskontrollen gerade<br />
einmal 8 Sportler ins Netz. Eine Erfolgsquote<br />
im Promillebereich.<br />
Kanzlerin Angela Merkel verspürt keinerlei<br />
Drang, etwas an der Rechtslage zu<br />
verändern. Ein Anti-Doping-Gesetz, hieß<br />
es vorige Woche aus Regierungskreisen,<br />
AUGENKLICK / ROTH-FOTO<br />
stehe auch jetzt nicht zur Debatte, das<br />
geltende Recht schrecke genügend ab.<br />
Eine Argumentation nach Bachs Geschmack.<br />
Er will staatliche Strafverfolger<br />
möglichst aus der Jagd auf Betrüger<br />
heraushalten, um autonom zu bleiben.<br />
Doch mit der Dopingstudie wird der<br />
Ruf nach einem eigenen Gesetz lauter.<br />
Der Sport scheint unfähig, mit seinem<br />
Radprofi Zabel 2002<br />
Als Lügner entlarvt<br />
größten Problem fertig zu werden. Athletenkontrollen<br />
allein, wie es die Verbände<br />
weismachen wollen, lösen es nicht. Damit<br />
lassen sich höchstens Sportler erwischen,<br />
die beim Betrug unvorsichtig vorgehen.<br />
Und Hintermänner noch seltener.<br />
Die Anhänger einer Gesetzesreform sehen<br />
sich nun bestätigt. Sie bekommen<br />
Aufwind. Er sei „sehr optimistisch“, dass<br />
auch in <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> die Widerstände gegen<br />
ein Anti-Doping-Gesetz schwänden,<br />
sagt der baden-württembergische Justizminister<br />
Rainer Stickelberger (SPD). Bislang<br />
stand ihm als Mitstreiterin auf höherer<br />
Ebene nur seine bayerische Amtskollegin<br />
Beate Merk (CSU) zu Seite.<br />
Mit Rückendeckung von Ministerpräsident<br />
Winfried Kretschmann (Grüne) hat<br />
Stickelberger vor einigen Monaten eine<br />
Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht.<br />
Gestützt wird dieser Vorstoß durch einen<br />
Sinneswandel unter den Justizministern<br />
der Länder: Auf deren jüngster Sitzung<br />
Mitte Juni im saarländischen Perl sprach<br />
sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür aus,<br />
ein Anti-Doping-Gesetz einzuführen.<br />
Die Bundestagswahl am 22. September<br />
könnte weitere Risse in die bislang unverbrüchliche<br />
Allianz zwischen Sport,<br />
Kanzleramt und Bundesinnenministe -<br />
rium bringen. Sollten die Sozialdemokraten<br />
die Chance bekommen, an einer n<strong>eu</strong>en<br />
Regierung beteiligt zu werden, dann<br />
könnte in Koalitionsgesprächen über ein<br />
Anti-Doping-Gesetz verhandelt werden,<br />
sagt Stickelberger. Er könne sich das<br />
„sehr gut vorstellen, wenn das Thema Doping<br />
so weiterkocht wie derzeit“.<br />
DETLEF HACKE, UDO LUDWIG,<br />
MICHAEL WULZINGER<br />
DER SPIEGEL 33/2013 141