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Deutschland - elibraries.eu

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Schlichte Drucker aus Hongkong gibt es<br />

bereits für weniger als 400 Euro.<br />

Andreas Wand von der hannoverschen<br />

3D Printergroup hat sich für seinen selbstkonstruierten<br />

Quadrocopter fast alle Teile<br />

ausgedruckt, die Füße gleich 20fach auf<br />

Vorrat, weil es mit den weichen Landungen<br />

nicht so klappt. „Wer will“, sagt er,<br />

„kann sich auch einfach fertige Fliegermodelle<br />

aus dem Internet herunterladen.“<br />

Nur die Elektronik fehlt dann noch.<br />

Das Internet ist die Plattform, auf der<br />

das Basteln eine n<strong>eu</strong>e Stufe erreicht. Der<br />

Maker werkt nicht mehr abgeschieden im<br />

Keller, er steht jetzt im globalen Austausch<br />

mit seinesgleichen.<br />

Das bef<strong>eu</strong>ert nicht zuletzt den Ehrgeiz.<br />

Quadrocopter baut ja h<strong>eu</strong>te schon jeder –<br />

warum also nicht mal ein echtes Flugz<strong>eu</strong>g?<br />

Und siehe da, ein „Maker Plane“<br />

ist bereits in Arbeit. Ein Team um den<br />

kanadischen Piloten und Ingeni<strong>eu</strong>r John<br />

Nicol entwickelt eine zweisitzige Sportmaschine,<br />

einschließlich aller Instru -<br />

mente, der St<strong>eu</strong>erelektronik und der nötigen<br />

Software. Freiwillige in aller Welt<br />

sind aufgerufen, Geld und Werkstücke<br />

beizutragen. Baupläne und Vorlagen stehen<br />

hinterher, wie üblich, jedem Bastler<br />

offen. Der Jungfernflug ist für das Jahr<br />

2015 geplant.<br />

Das Netz ermöglicht Projekte, die das<br />

Pensum des einzelnen Tüftlers bei weitem<br />

übersteigen. Aber auch im echten Leben<br />

schreitet die Vergesellschaftung des Bastelns<br />

voran: In etlichen Städten gibt es<br />

bereits offene Werkstätten, die sich „Maker<br />

Spaces“ oder „FabLabs“ nennen.<br />

Hier kommen Hacker und Tüftler zusammen,<br />

um gemeinsam Schmuckschatullen<br />

zu fräsen oder einen Kurs in Platinen -<br />

löten zu absolvieren.<br />

Legendär ist die weitläufige Werkstatt<br />

Noisebridge in San Francisco, früher eine<br />

Näherei, jetzt ein gerümpeliges Paradies<br />

für Bastler. Es gibt eine Bandsäge und<br />

mächtige Laserschneidemaschinen, dazu<br />

Oszilloskope und ein gestrandetes EEG-<br />

Messgerät, falls mal wer eine Idee dafür<br />

hätte. Jeder kann hier sein Ding machen.<br />

In <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> zeigen sich erste Blüten<br />

der Subkultur: ein „Eigenbaukombinat“<br />

in Halle an der Saale, eine „Dingfabrik“<br />

in Köln, eine Handvoll „FabLabs“ in<br />

München, Erlangen oder Aachen. Auch<br />

das hergebrachte Heimwerken findet hier<br />

seinen Platz – sofern es technischen Pfiff<br />

hat (Weihnachtssterne aus dem Laser-Cutter)<br />

oder originelle Materialien nutzt<br />

(Schmuck aus Elektronikabfall).<br />

Die verbreitete Vorliebe der Maker für<br />

Billiges, für Ausschuss und Recycling ist<br />

auch eine Antwort auf das Diktat der Warenwelt.<br />

Was andere wegwerfen, erweckt<br />

der Maker zu überraschendem Leben.<br />

Was für eine Funktion bestimmt ist, funktioniert<br />

er um.<br />

Eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber<br />

dem Ding ist sein stärkster Antrieb.<br />

Der Konsument zum Beispiel sieht nur<br />

einen Sessel und ein Laubgebläse; vorm<br />

inneren Auge des Makers aber hebt sich<br />

ein Luftkissenfahrz<strong>eu</strong>g vom Boden.<br />

Auf der Maker Faire in Hannover<br />

schwebte so ein Sessel mit Getöse übers<br />

Gelände. Sieben Schüler haben das famose<br />

Gefährt in den Ferien zusammengebaut<br />

– eine abent<strong>eu</strong>erliche Art des Lernens,<br />

die auch dem regulären Unterricht<br />

guttäte, findet der Pädagoge Berthold<br />

FOTOS: STEFAN THOMAS KROEGER / DER SPIEGEL<br />

Sommer vom Berufskolleg Rheine. In der<br />

Werkstatt dieser rührigen Berufsschule<br />

ist der Sessel entstanden – so wie zuvor<br />

schon ein Liegedreirad mit frei aufgehängtem<br />

Sitz, das die Piloten durch Gewichtsverlagerung<br />

st<strong>eu</strong>ern. Als Nächstes wollten<br />

die Schüler eine Art motorisiertes Skateboard<br />

bauen, sagt Sommer, „faltbar auf<br />

Aktentaschenformat“.<br />

In den USA hat die Bewegung ihren<br />

ersten Kinderstar hervorgebracht: Die<br />

zwölfjährige Sylvia Todd macht Bastelfilme<br />

für YouTube. Ihre Serie „Sylvia’s Super-Awesome<br />

Maker Show“ verzeichnet<br />

mehr als anderthalb Millionen Klicks. Das<br />

Mädchen führt da mit großem Elan vor,<br />

wie man giftig l<strong>eu</strong>chtende Glibbermasse<br />

aus Polymeren anrührt oder einen Kettenanhänger<br />

lötet, der dank eines Pulssensors<br />

im Takt des Herzschlags blinkt.<br />

Als Sylvia fünf war, nahm ihr Vater sie<br />

mit auf eine der ersten Maker Faires. Seither<br />

ist das Kind dem Werken verfallen.<br />

Für eine n<strong>eu</strong>e Produktidee sucht Sylvia<br />

Todd gerade Investoren auf dem Web -<br />

portal Kickstarter. Sie will einen Bausatz<br />

für einen Roboter vertreiben, der Vor -<br />

lagen aus dem Computer mit Wasser -<br />

farben auf Papier pinselt. US-Präsident<br />

Barack Obama höchstselbst ließ sich einen<br />

Prototyp von ihr vorführen. Der<br />

Roboter malte ihm ein Aquarell des Weißen<br />

Hauses.<br />

Bei all der Bastelfr<strong>eu</strong>de gilt: Der Gebrauchswert<br />

ist ein schöner Nebeneffekt,<br />

aber es kommt nicht darauf an. Umso<br />

wunderlicher, was manche Visionäre in<br />

der Schrauberbewegung zu erkennen<br />

glauben. Von der „n<strong>eu</strong>en industriellen<br />

Revolution“ spricht der amerikanische<br />

Bestsellerautor Chris Anderson in seinem<br />

Buch „Makers“: Bald würden die L<strong>eu</strong>te<br />

nahezu alles, was sie brauchen, im heimischen<br />

3-D-Drucker herstellen.<br />

Bislang sieht es noch nicht danach aus.<br />

Auch die Maker von der 3D Printergroup<br />

in Hannover sind eher skeptisch. „Da werden<br />

überhöhte Erwartungen geweckt“,<br />

sagt Hobbydrucker Uwe Schmidt.<br />

Wer auf Online-Plattformen wie etwa<br />

Thingiverse.com nach digitalen Druckvorlagen<br />

stöbert, findet keine Bürolocher<br />

oder Ersatztrommeln für die Waschmaschine.<br />

So etwas können 3-D-Drucker<br />

noch lange nicht; das Material hält den<br />

Anforderungen nicht stand. Stattdessen:<br />

Drachenköpfe, Handyschalen, Armreife.<br />

Die Maker sind schon froh, wenn gelegentlich<br />

der Batteriedeckel der Fernbedienung<br />

kaputtgeht oder die Tochter sich<br />

einen Hockeyschläger für die Barbie-Puppe<br />

wünscht – das sind dann mal seriöse<br />

Aufträge.<br />

Aber sonst? Vasen, Teelichthalter,<br />

Zahnräder. Macht Spaß, braucht keiner.<br />

Die Bastler selbst, sagt Uwe Schmidt, hätten<br />

für ihre Werke einen Gattungsbegriff:<br />

„Sachen, die herumstehen“.<br />

MANFRED DWORSCHAK<br />

DER SPIEGEL 33/2013 131

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