20.01.2014 Aufrufe

Deutschland - elibraries.eu

Deutschland - elibraries.eu

Deutschland - elibraries.eu

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong><br />

die NSA intern erfasst. Dort ist nämlich<br />

von 182 Millionen XKeyscore-Datensätzen<br />

aus <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> allein im Dezember<br />

die Rede.<br />

Der BND nimmt an, es könnte sich bei<br />

der Differenz um ebenjene Verbindungsdaten<br />

handeln, die in Bad Aibling direkt<br />

an die Amerikaner weitergeleitet werden<br />

und auch Daten aus der Funkzellenauswertung<br />

umfassen. Diese liefern der westlichen<br />

Koalition wertvolle Hinweise für<br />

den Krieg am Hindukusch. Spionageprogramme<br />

wie XKeyscore erstellen daraus<br />

Bewegungsprofile, die mit nur wenigen<br />

Minuten Verzögerung anzeigen, wo sich<br />

die Handynutzer gerade aufhalten – ob<br />

Taliban, Qaida-Kämpfer oder d<strong>eu</strong>tscher<br />

Islamist. Die brisanten Informationen erhöhen<br />

aber auch die Sicherheit der Soldaten.<br />

Nach eigenen Angaben leistete der<br />

BND seit Januar 2011 „maßgebliche Hilfe“,<br />

um vier Anschläge auf d<strong>eu</strong>tsche Soldaten<br />

in Afghanistan zu verhindern. Bei<br />

weiteren 15 verhinderten Anschlägen<br />

habe die Datenüberwachung des Dienstes<br />

„zu diesen Erfolgen beigetragen“.<br />

Im selben Zeitraum, so der BND, habe<br />

er „67 Warnhinweise verfasst, die auf bevorstehende<br />

Anschläge oder auf eine Verschärfung<br />

der Bedrohungslage in Afghanistan<br />

hinwiesen“. Auch die Amerikaner<br />

wissen die Beteiligung des d<strong>eu</strong>tschen Auslandsgeheimdienstes<br />

am Hindukusch zu<br />

schätzen. In geheimen Unterlagen äußerte<br />

sich die NSA mehrfach lobend<br />

über das größere „Risiko“,<br />

das die früher als zu zaghaft<br />

verschrieenen D<strong>eu</strong>tschen<br />

seit geraumer Zeit eingehen.<br />

Für die Regierung könnte<br />

diese Risikobereitschaft jedoch<br />

unangenehme Folgen haben.<br />

Die heikle Frage, die sich nun<br />

aufdrängt, betrifft die Legitimation<br />

dieser engen Kooperation<br />

durch Datentransfer. Darf der<br />

BND Funkzellendaten an die<br />

NSA weiterleiten, wenn sie<br />

womöglich auch eine Rolle bei<br />

tödlichen Operationen der US-<br />

Militärs spielen, wie etwa der<br />

gezielten Tötung von Qaida-<br />

Kämpfern durch amerikanische<br />

Drohnen? Einem Bericht der<br />

„Südd<strong>eu</strong>tschen Zeitung“ zufolge<br />

gibt der Dienst auf ausdrückliche<br />

Anweisung von BND-<br />

Chef Schindler zudem Handy -<br />

nummern an die Partnerdienste<br />

weiter. Liefert er damit den<br />

Hinweis, wonach sie bei der<br />

Funkzellenauswertung suchen<br />

müssen?<br />

Der BND selbst beschwichtigt: Die gelieferten<br />

Daten seien „für eine konkrete<br />

Zielerfassung durch Drohnen zu ungenau“.<br />

Allerdings räumte er auf Anfrage<br />

auch ein: „Die Hilfe bei der Orientierung<br />

für militärische Operationen kann nicht<br />

ausgeschlossen werden.“<br />

Gezielte Tötungen mit unbemannten<br />

Flugz<strong>eu</strong>gen, die martialische Namen wie<br />

„Reaper“ (Sensenmann) und „Predator“<br />

(Raubtier) tragen, stehen weltweit in der<br />

Kritik und sind rechtlich höchst umstritten.<br />

Zwei D<strong>eu</strong>tsche kamen in den vergangenen<br />

Jahren bei solchen Angriffen ums<br />

Leben. Der in Wuppertal aufgewachsene<br />

Bünjamin E. starb am 4. Oktober 2010 in<br />

Softwareprogramme wie XKeyscore erstellen<br />

aus Funkzellendaten Bewegungsprofile.<br />

22<br />

Mir Ali. Im Frühjahr 2012 traf eine Drohne<br />

einen Pick-up, in dem der Aachener<br />

Islamist Samir H. saß. Experten gehen<br />

davon aus, dass Funkzellendaten sehr<br />

wohl zielführende Hinweise für derartige<br />

Angriffe liefern können.<br />

Fraglich ist auch, ob die massenhafte<br />

Datenerhebung und -weitergabe an einen<br />

fremden Geheimdienst ohne weiteres mit<br />

d<strong>eu</strong>tschem Recht vereinbar ist. „Das Gesetz<br />

erlaubt dem BND zwar, von <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong><br />

aus den internationalen E-Mail- und<br />

Telefonverkehr zu überwachen“, sagt der<br />

Jurist Niko Härting, der an der Berliner<br />

Hochschule für Wirtschaft und Recht lehrt,<br />

„die millionenfache Abschöpfung von Verbindungsdaten<br />

sieht es aber nicht vor.“<br />

Der liberale Jurist und Bürgerrechtler<br />

Burkhard Hirsch hält es für sehr pro -<br />

Wahlkämpfer Steinbrück: Ein scheinheiliger H<strong>eu</strong>chler?<br />

DER SPIEGEL 33/2013<br />

HANNIBAL HANSCHKE / DPA<br />

blematisch, dass die systematische Zusammenarbeit<br />

d<strong>eu</strong>tscher und amerika -<br />

nischer Dienste offenbar jenseits einer<br />

parlamentarischen Kontrolle stattfindet:<br />

„Wenn der BND in solchem Umfang für<br />

einen anderen Geheimdienst tätig wird,<br />

dann ist das ein politischer Vorgang, der<br />

unter allen Umständen im zuständigen<br />

Bundestagsgremium hätte behandelt<br />

werden müssen.“ Das Parlamentarische<br />

Kontrollgremium jedoch ist in mehreren<br />

Sondersitzungen seit Beginn der NSA-<br />

Affäre nicht über das Ausmaß der Datenweitergabe<br />

durch den BND informiert<br />

worden.<br />

An diesem Montag ergibt sich für das<br />

Kontrollgremium die nächste Gelegenheit,<br />

Licht ins Dunkel zu bringen. Die<br />

wichtigste Frage lautet seit nunmehr zwei<br />

Monaten, wie genau die Tätigkeit von befr<strong>eu</strong>ndeten<br />

ausländischen Diensten in<br />

<strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> aussieht.<br />

Denn selbst wenn die Einlassungen von<br />

BND und Bundesregierung aus der vergangenen<br />

Woche zutreffen sollten, ist damit<br />

noch immer nicht Edward Snowdens<br />

Hauptvorwurf widerlegt: dass amerikanische<br />

und britische Geheimdienste eigenständig,<br />

systematisch und millionenfach<br />

weltweit Kommunikationsdaten abfischen.<br />

Ein weiteres Indiz für Snowdens Darstellung<br />

liefert eine Stellungnahme der<br />

Bundesregierung aus dem Jahr 2011. Danach<br />

räumte sie von Januar 2005 bis<br />

Februar 2011 exakt 207 ausländischen<br />

Unternehmen Sonderrechte bei „ana-<br />

lytischen Dienstleistungen“ auf d<strong>eu</strong>tschem<br />

Boden ein. Bei deren Tätigkeiten<br />

handelt es sich unter anderem um „Si-<br />

gnals Intelligence“, „Human<br />

Intelligence“ und „Military Intelligence“<br />

– mit anderen Worten:<br />

um menschliche und technische<br />

Spionage.<br />

Ob die Arbeit dieser Unternehmen<br />

die Grundrechte von<br />

Bundesbürgern aushebelt und<br />

was die Bundesregierung im<br />

Einzelnen darüber weiß, ist<br />

ungeklärt. Darüber hinaus zei -<br />

gen n<strong>eu</strong>e Dokumente, die der<br />

SPIEGEL einsehen konnte,<br />

dass US-Geheimdienste ex -<br />

plizit mit etlichen Spionage -<br />

aufgaben in <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> betraut<br />

sind (siehe Seite 23).<br />

Die d<strong>eu</strong>tsch-amerikanische<br />

Zusammenarbeit sei auch h<strong>eu</strong>te<br />

noch von großer Bed<strong>eu</strong>tung,<br />

sagt der Altliberale Hirsch. „Es<br />

geht aber nicht, dass die Amerikaner<br />

als Hegemon unserer<br />

Wertegemeinschaft in den<br />

Grundwerten unserer Verfassung<br />

herumholzen wie eine Besatzungsmacht.“<br />

HUBERT GUDE,<br />

KONSTANTIN VON HAMMERSTEIN,<br />

PETER MÜLLER, JÖRG SCHINDLER

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!