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Sicherheitskontrolle in Sanaa: Die Maxime vom fernen Feind wurde abgelöst<br />
Osama Bin Laden telefonierte nicht.<br />
In den Jahren in Abbottabad vermied<br />
er alles, was die Geheimdienste<br />
auf seine Spur hätte führen können,<br />
er kommunizierte nur über Boten.<br />
Glaubt man, was zwei Journalisten vergangene<br />
Woche auf der amerikanischen<br />
Nachrichten-Website The Daily Beast veröffentlichten,<br />
so hat die Qaida-Führung<br />
nun aber derartige Vorsichtsmaßnahmen<br />
fallengelassen.<br />
Denn Auslöser für die Schließung von<br />
21 US-Vertretungen von Jemen bis Paki -<br />
stan soll eine Konferenzschaltung der Qaida-Führung<br />
gewesen sein. Die Top 20 des<br />
Terrors hätten da virtuell zusammengesessen:<br />
Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri,<br />
der bei dieser Gelegenheit den Leiter der<br />
Filiale im Jemen, Nassir al-Wuhaischi, offiziell<br />
zur Nummer zwei ernannte; außerdem<br />
die Anführer im Irak, in Nordafrika,<br />
in Usbekistan, der pakistanischen Taliban<br />
sowie der nigerianischen Boko Haram,<br />
dazu ein Vertreter der aufstrebenden Qaida<br />
auf dem Sinai.<br />
88<br />
AL-QAIDA<br />
Geschwätzige Terroristen<br />
Eine Warnung vor n<strong>eu</strong>en Anschlägen versetzte nicht nur die USA<br />
in Angst. Dabei hat sich die von Bin Laden gegründete<br />
Bewegung längst auf lokale Kampffelder zurückgezogen – mit Erfolg.<br />
Qaida-Chef Sawahiri<br />
Seine Befehlsgewalt hat Grenzen<br />
DER SPIEGEL 33/2013<br />
AFP<br />
„Es war wie ein Treffen der Bruderschaft<br />
des Bösen“, zitierten die Daily-<br />
Beast-Reporter einen von drei US-Geheimdienstlern,<br />
mit denen sie gesprochen<br />
hatten. Die Runde hätte Anschlagsziele<br />
erörtert und erwähnt, dass ein oder mehrere<br />
Teams bereits vor Ort seien.<br />
Dass sich ausgerechnet in Zeiten des<br />
NSA-Skandals die weltweit meistgesuchten<br />
Terroristen zu einer Einsatzbesprechung<br />
im Netz treffen,<br />
käme einem Bruch aller Regeln<br />
gleich, denen jemand wie Sa -<br />
wahiri auch nach zwei Jahrzehnten<br />
Fahndung nach ihm sein<br />
Über leben verdankt. „Hirnrissig“<br />
nannte deshalb ein ehemaliger<br />
US- Außenministeriumssprecher<br />
die Veröffentlichung, die Regierung<br />
schwieg. Die Darstellung<br />
birgt eine weitere Ungereimtheit:<br />
Sie geht davon aus, dass al-Qaida<br />
allem Verfolgungsdruck und internen<br />
Spannungen zum Trotz<br />
eine zentral gest<strong>eu</strong>erte Organisation<br />
sei, mit Sawahiri als Boss,<br />
auf den alle hören.<br />
Das aber widerspricht den Entwicklungen<br />
der letzten Jahre –<br />
und auch dem am vergangenen<br />
Mittwoch veröffentlichten 14.<br />
Uno-Bericht zu der Terrororganisation<br />
und ihren Ablegern:<br />
„Al-Qaidas dezimierte Kernführung<br />
im afghanisch-pakistanischen<br />
Grenzgebiet hat sich nicht<br />
erholt“, heißt es dort. „Sie zeigt<br />
sich eher unfähig, Anschläge zu<br />
organisieren und zu befehlen.“<br />
Sawahiri schaffe es nicht, die<br />
einzelnen Ableger zu vereinen.<br />
Eine Bedrohung gehe eher von Tätern<br />
aus, die sich über Propaganda im Internet<br />
selbst radikalisierten und Anschläge verübten<br />
– wie die beiden Tschetschenen,<br />
die im April beim Boston-Marathon Bomben<br />
legten. Zum anderen bestehe die Gefahr,<br />
dass al-Qaida n<strong>eu</strong>e Konflikte für sich<br />
nutze, wie derzeit den Krieg in Syrien.<br />
Dieser habe der Organisation einen „markanten<br />
Auftrieb gegeben“.<br />
Das sehen <strong>eu</strong>ropäische Geheimdienste<br />
genauso: Syrien ist zum bevorzugten Reiseziel<br />
für Dschihadisten geworden, in den<br />
vergangenen zwölf Monaten kamen sie<br />
zu Tausenden in das umkämpfte Land.<br />
Dass sie die Einzigen sind, die den Rebellen<br />
im Kampf gegen die Militärmaschinerie<br />
des Regimes zu Hilfe kommen, gibt<br />
ihnen eine fatale Macht.<br />
Und niemand scheint sie dabei aufhalten<br />
zu wollen: Auf Inlandsflügen nach<br />
Hatay in der Südtürkei sitzen Vollbärtige<br />
aus Saudi-Arabien, Tunesien und aus russischen<br />
Kaukasus-Republiken dicht an<br />
dicht. Sie reisen unbehelligt in die Türkei<br />
ein und werden von ihren Kameraden<br />
über die nahe syrische Grenze gebracht.<br />
Auch am Abfluggate stehen ähnliche Gestalten<br />
in der Schlange, mit leichtem Gepäck<br />
und oft noch dem roten Lehm Nordsyriens<br />
an den Schuhen.<br />
Die türkischen Behörden stören sich<br />
bislang nicht an den Dschihad-Touristen.<br />
An den Grenzübergängen preisen<br />
Schmuggler offen ihre Dienste an. Irgendwie<br />
komisch sei das schon, sagte im Juni<br />
ein einstiger syrischer Gefolgsmann des<br />
YAHYA ARHAB / DPA