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Sport<br />
CARSTEN SCHILKE/DER SPIEGEL<br />
„Sie blockierten unsere Arbeit“<br />
Der Historiker Erik Eggers über die Widerstände<br />
bei der Erforschung der westd<strong>eu</strong>tschen Dopingvergangenheit<br />
Eggers, 44, hat als einer von<br />
vier Wissenschaftlern an der<br />
Dopingstudie der Berliner<br />
Humboldt-Universität mitgearbeitet.<br />
Er schreibt auch<br />
als freier Journalist, unter<br />
anderem für den SPIEGEL.<br />
SPIEGEL: Herr Eggers, Sie haben für das<br />
Bundesinstitut für Sportwissenschaft<br />
(BISp) die bri sante Dopingstudie verfasst.<br />
Wie war die Zusammenarbeit mit<br />
dem Auftraggeber?<br />
Eggers: Mühsam. Wir durften nicht ohne<br />
weiteres Kopien aus den Akten ziehen,<br />
mussten alles abschreiben. Der Datenschutz,<br />
hieß es. Das hat unsere<br />
Arbeit sehr verzögert.<br />
SPIEGEL: Fühlten Sie sich<br />
schikaniert?<br />
Eggers: Uns wurde auch gesagt,<br />
wenn wir Kopien<br />
machten, sei alles in der<br />
Welt. Da kann ich nur sagen:<br />
Ja natürlich, das ist gerade<br />
das Ziel von Historikern,<br />
Transparenz zu schaffen.<br />
SPIEGEL: Damit gerieten Sie<br />
in Konflikt mit dem BISp?<br />
Eggers: Die großen Schwierigkeiten<br />
begannen, als wir<br />
2011 herausfanden und berichteten,<br />
dass das BISp<br />
eine Schaltzentrale der<br />
Dopingforschung war – und<br />
dass sich der damalige stellvertretende<br />
BISp-Direktor<br />
1977 für einen Einsatz von<br />
Anabolika eingesetzt hatte.<br />
Das hatte die h<strong>eu</strong>tige BISp-<br />
Führung wohl nicht erwartet.<br />
Die war regelrecht geschockt.<br />
SPIEGEL: Angeblich sollen wichtige BISp-<br />
Akten vernichtet worden sein.<br />
Eggers: Die Originalakten fast aller Forschungsvorhaben<br />
bis 1988 sind weg. Es<br />
gibt beim BISp auch keinen Hinweis,<br />
wo sie gelagert sein könnten. Uns wurde<br />
gesagt, sie seien ausgesondert. Für uns<br />
Historiker heißt das: Sie wurden geschreddert.<br />
Wir hatten Glück, dass wenigstens<br />
Kopien dopingrelevanter Akten<br />
aus 1991 vorhanden waren, die uns<br />
wichtige Einblicke in die Zeit vor 1989<br />
verschafften.<br />
SPIEGEL: Wollte das Institut etwas ver -<br />
tuschen? Das BISp behauptet, Sie hätten<br />
alle Unterlagen einsehen dürfen.<br />
Eggers: Es existiert dort noch eine Liste<br />
über alle Forschungsvorhaben der drei<br />
großen sportmedizinischen Zentren<br />
Freiburg, Köln und Saarbrücken. Ohne<br />
die Akten lässt sich aber nicht mehr<br />
nachvollziehen, ob unter diesen Arbeiten<br />
weitere Dopingstudien waren.<br />
SPIEGEL: Sie haben drei Jahre lang an Ihrem<br />
Bericht gearbeitet. Nahm das BISp<br />
auf Ihre Darstellung Einfluss?<br />
Eggers: Sie haben es zumindest versucht.<br />
Wir mussten um viele Formulierungen<br />
in unseren Berichten kämpfen.<br />
WM-Finale England– <strong>D<strong>eu</strong>tschland</strong> 1966*: „Spuren von Ephedrin“<br />
SPIEGEL: Um was ging es?<br />
Eggers: Das BISp wollte anfangs tatsächlich<br />
durchsetzen, dass wir weder Namen<br />
noch Sportarten nennen. Dass dann ein<br />
solches Projekt sinnlos ist, wollte nicht<br />
in deren Köpfe. Sie blockierten unsere<br />
Arbeit. Und es wurden Fakten, die für<br />
das BISp bis h<strong>eu</strong>te unangenehm sind,<br />
angezweifelt. Zum Beispiel hatten wir<br />
herausgefunden, dass der Freiburger<br />
* Mit den Spielern Uwe Seeler und Bobby Moore<br />
sowie Schiedsrichter Gottfried Dienst (M.).<br />
Professor Joseph K<strong>eu</strong>l das Geld für Forschungsvorhaben<br />
vom BISp auf sein Privatkonto<br />
überwiesen bekam. Uns wurde<br />
erklärt, solche Überweisungen seien<br />
damals üblich gewesen. Als ich gebeten<br />
habe, dass sie mir dies schriftlich mitteilen<br />
sollten, damit wir es in den Bericht<br />
aufnehmen könnten, ist nichts<br />
mehr gekommen.<br />
SPIEGEL: Für ein mit St<strong>eu</strong>ergeldern bezahltes<br />
Projekt sollte es ausgeschlossen<br />
sein, dass der Auftraggeber sich einmischt.<br />
Eggers: Die Aktenlage war so, dass unser<br />
Auftraggeber zum Bad Guy wurde. Als<br />
Historiker kann ich aber darauf keine<br />
Rücksicht nehmen, meine<br />
Arbeit muss jederzeit überprüfbar<br />
sein. Und ich bin ja<br />
nicht der PR-Manager des<br />
BISp.<br />
SPIEGEL: Wo stießen Sie noch<br />
auf Widerstände?<br />
Eggers: Der D<strong>eu</strong>tsche Fußball-Bund<br />
hat uns gar nicht<br />
in sein Archiv gelassen. Wir<br />
hatten über andere Quellen<br />
herausgefunden, dass Dopingproben<br />
dreier Spieler<br />
der d<strong>eu</strong>tschen Mannschaft<br />
bei der WM 1966 Spuren<br />
von Ephedrin enthielten.<br />
Beim DFB hieß es auf Anfrage,<br />
es gebe keine doping -<br />
relevanten Akten für die<br />
sechziger Jahre. Später<br />
wollten wir gern erforschen,<br />
wie der DFB auf das Dopinggeständnis<br />
von Toni<br />
Schumacher 1987 reagiert<br />
hatte. Also gingen wir noch<br />
mal zum DFB.<br />
SPIEGEL: Was passierte dann?<br />
Eggers: Sie sagten, wir sollten besagte<br />
Quelle aus 1966 vorzeigen, bevor wir<br />
ins Archiv kämen. Und wir sollten unterschreiben,<br />
dass der DFB erst zustimmen<br />
muss, bevor wir etwas veröffent -<br />
lichen. Das ist Humbug, da haben wir<br />
uns die Reise nach Frankfurt erspart.<br />
SPIEGEL: Gab es weitere Verbände, die<br />
Ihre Arbeit erschwert haben?<br />
Eggers: Der D<strong>eu</strong>tsche Schwimm-Verband<br />
hat uns auch nicht ins Archiv gelassen.<br />
Dabei wissen wir aus anderen<br />
Quellen, dass es beim DSV durchaus<br />
LONDON EXPRESS / PICTURE-ALLIANCE / DPA<br />
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DER SPIEGEL 33/2013