Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
34<br />
DESIGN<br />
Artikel, schrieb elf Bücher, lehrte als<br />
Gastprofessor an renommierten<br />
Universitäten. „Tomorrow’s House",<br />
das er zusammen mit Henry Wright<br />
1945 veröffentlichte, wurde zu einer<br />
Bibel des modernen Wohnens. Als<br />
Ausstellungsmacher wurde er im<br />
Auftrag der US-Regierung zum Botschafter<br />
des amerikanischen Lebensstils.<br />
In dieser Rolle besuchte er zusammen<br />
mit anderen US-<strong>Design</strong>ern<br />
1954 auch das Nachkriegsdeutschland,<br />
war unter anderem Gast der<br />
Ulmer Hochschule für Gestaltung.<br />
Fünf Jahre später, mitten im Kalten<br />
Krieg, organisierte er im Auftrag der<br />
Regierung die American National<br />
Exhibition in Moskau. Ohne es geplant<br />
zu haben, lieferte er hier die<br />
Kulisse zu einem verbalen Schlagabtausch<br />
zwischen Kremlchef Nikita<br />
Chruschtschow und US-Vize Richard<br />
Nixon. Als „Küchendebatte" ist das<br />
Streitgespräch in die Geschichtsbücher<br />
eingegangen.<br />
Jochen Eisenbrand, Chefkurator des<br />
Vitra <strong>Design</strong> Museums in Weil am<br />
Rhein, hat über die sieben internationalen<br />
Ausstellungsprojekte von<br />
George Nelson seine Dissertation<br />
geschrieben und sich intensiv mit<br />
Leben und Werk des amerikanischen<br />
<strong>Design</strong>ers beschäftigt. „Ich glaube,<br />
seine größte Leistung hat er als<br />
Autor vollbracht. Es ist außerordentlich<br />
selten, dass jemand, der selbst<br />
im <strong>Design</strong>geschäft steckt, auch intelligent<br />
darüber schreiben kann," so<br />
Eisenbrand. Er wünscht sich, dass<br />
Nelsons Artikel und Bücher wieder<br />
mehr gelesen würden. Eisenbrand<br />
hat etliche ehemalige Mitarbeiter,<br />
Kunden und Nelsons hochbetagte, in<br />
New York lebende Witwe kennen<br />
gelernt. „Alle beschreiben ihn als äußerst<br />
intelligent, sehr gebildet und<br />
Mit einem Durchmesser von 76 Zentimetern<br />
war die Large Sunburst Clock<br />
aus dem Jahr 1955 ein wahrer Hingucker<br />
(Foto: Sammlung Vitra <strong>Design</strong> Museum<br />
Archiv)<br />
belesen. Seine Notizbücher sind gespickt<br />
mit Zitaten. Er konnte wirklich<br />
aus dem Vollen schöpfen." Sein zweites<br />
großes Verdienst sei das <strong>Design</strong>management:<br />
„Er verstand es, die<br />
kreativsten Kräfte an sich zu binden,<br />
große Talente aufzuspüren."<br />
Hierzulande steht George Nelson<br />
immer noch etwas im Schatten seiner<br />
Kollegen Charles und Ray Eames.<br />
2008 stellte ihn das Vitra <strong>Design</strong><br />
Museum mit einer großen Retrospektive<br />
zum 100. Geburtstag ins<br />
Rampenlicht. Die Schau tourt seither<br />
um die Welt, ab August ist sie im<br />
australischen Sidney zu sehen. Das<br />
Archiv des Vitra <strong>Design</strong> Museums<br />
hütet Nelsons Nachlass. Auch eine<br />
im Nachklang der Ausstellung gegründete<br />
Stiftung, die George Nelson<br />
Foundation, kümmert sich um<br />
sein Werk. Sie informiert auf einer<br />
Website über die Leistungen des<br />
Amerikaners. Das Werksverzeichnis,<br />
das Bestandteil des Retrospektiv-Katalogs<br />
von 2008 ist, wird dank dieser<br />
Seite im Netz nach und nach erweitert.<br />
Es melden sich Menschen,<br />
die ein noch unbekanntes Möbel<br />
oder Wohnaccessoire besitzen oder<br />
ein von ihm geplantes Haus bewohnen.<br />
Vor allem in den Vereinigten<br />
Staaten gibt es eine wachsende Gemeinde<br />
der George Nelson-<strong>Sammler</strong>.<br />
Möbel und Wohnaccessoires aus den<br />
1950er-Jahren erzielen in den Auktionshäusern<br />
nicht selten fünfstellige<br />
Dollar-Zuschläge. Erste Adresse<br />
für <strong>Sammler</strong> ist das auf <strong>Design</strong> der<br />
Jahrhundertmitte spezialisierte Auktionshaus<br />
Wright in Chicago. Der<br />
deutsche Möbelhersteller Vitra begann<br />
mit George Nelson schon früh<br />
eine Liaison. 1984 gingen die Rechte<br />
zur Produktion seiner Möbel für Europa<br />
und den Mittleren Osten exklusiv<br />
an das Unternehmen in Weil am<br />
Rhein über. Und auch bei Herman<br />
Miller Inc. in Michigan/USA haben<br />
die Entwürfe von George Nelson &<br />
Associates immer noch einen<br />
Stammplatz im Produktkatalog.<br />
INFO<br />
Literatur: „George Nelson – Architekt,<br />
Autor, <strong>Design</strong>er, Lehrer", Ausstellungskatalog,<br />
Weil am Rhein, 2008,<br />
Herausgeber: Alexander von Vegesack,<br />
Jochen Eisenbrand, zu beziehen<br />
über das Vitra <strong>Design</strong> Museum<br />
(www.design-museum.de) für 59,90<br />
Euro. – Stiftung: www.georgenelsonfoundation.org.<br />
– Auktionen: www.<br />
wright20.com. – Ausstellung: Powerhouse<br />
Museum – Science and <strong>Design</strong>,<br />
Sidney/Australien, 3. August bis<br />
10. Januar 2014